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Potsdamer Künstler öffnen ihre Ateliers: Der Blick vorab

Zum „Tag der Offenen Ateliers“ gab es in diesem Jahr erstmals eine „temporäre Atelierplattform“.

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In Sachen Kunst, namentlich der bildenden Kunst, gibt es in Potsdam viel zu entdecken. Die Ausstellung „Made in Potsdam“ versuchte ja im Vorjahr etwas davon einzufangen, ohne wirklichen Erfolg. Die Idee eines Tages der offenen Ateliers kommt diesem Anspruch seit nunmehr 16 Jahren näher. Doch kein Mensch konnte all die 39 Anlaufpunkte zwischen Potsdam-Nord und Potsdam-Süd, zwischen Golm und der Teltower Vorstadt innerhalb der vorgegebenen sieben Stunden am gestrigen Sonntag 11 bis 18 Uhr abklappern. So kam schon im vergangenen Jahr vom Kulturzentrum „freiLand“ die Idee, mit einer „preview“ vorab in den Tag der offenen Ateliers hinzuführen. Die federführende Behörde, also der städtische Fachbereich Kultur und Museum in Kooperation mit Kulturland Brandenburg, nahm die Idee dankend auf und organisierte also in diesem Jahr am Samstag im Hoheitsgebiet des Offenen Kunstvereins Potsdam e.V. in der Elfleinstraße eine „temporäre Atelierplattform“ für alle, die derzeit keinen starken Namen und auch kein Atelier haben, die quasi „inbetween“ sind. So der offizielle Titel dieser temporären Atelierplattform. Und der Offene Kunstverein erwies sich in jeder Beziehung als getreuer Gastgeber für die acht Unbehausten der bildenden und angewandten Künste.

Wer in diese Vorschau hinein wollte, und das waren am Samstagnachmittag sehr viele, kam an der weltläufigen Neu-Potsdamerin Erica Oeckel nicht vorbei. Viele Länder, viele Städte in gut 70 Jahren, zuletzt bleiben Namen wie Alice, Babette, Lucill oder Hector, die sie fürs personengebundene Gedächtnis gemalt hat, farbensatte Bilder, die mehr Kostüm denn Figur oder Charakter sind, und scheinen. Sabine Raetsch, Stammgästin vor Ort, war mit bronzenen Kleinplastiken wie „Der Fang“ vertreten, wo drei Männer einen riesigen Fisch über ihren Köpfen tragen, oder mit einem Säulenheiligen, der unmöglich von seiner dicken Stele fallen kann. Stuhlarrangements mit Gebrauchsanweisung wie „beschreibe & assoziiere/sprich mit einem Fremden über ein Werk, das dich interessiert“ luden in beiden Etagen zum freundlichen Verweilen ein. Dergestalt konnte man die attraktiven Farbstudien von Annette Messig studieren, das Psychogramm eines ziemlich schmalen „Hans“, anderes von Sebastian Kommerell, oder die dynamischen Großformate von Jeanne, zum Beispiel den Mutterschmerz der antiken Niobe, die all ihre Kinder durch Hochmut verlor. Agnieszka Kerejba schuf eine wandfüllende Serie von Miniaturen, deren Titel „words of prey“ kein noch so langes Assoziieren beendet. In Summa: So eine Vorab-Plattform für den Tag des Tages sollte man unbedingt beibehalten und pflegen.

Gar nicht unbehaust sind Viktor Repin und seine Frau Tatjana. Beide stammen aus der Ukraine, leben jetzt in einer kleinen Altneubauwohnung der Waldstadt. Sie schafft neben fantasievollen Zeichnungen chimärischer Fabelwesen aus den slawischen Märchen auch hübsche Keramikarbeiten. Er ist ein ziemlich einsamer Maler, der an den Menschen glaubt und sich in modernen Techniken übt, zum Beispiel beamt er die Monroe in den heutigen Hauptbahnhof von Berlin. Sein acrylbuntes Auto würde jeden Fachdesigner entzücken. Viel Besuch, schon ob seines Namens, eine Nachbarin merkte sogar, „dass hier gemalt wird“.

Noch, aber noch nicht wieder behaust ist die Mannschaft am Horstweg, gleich neben der Bundespolizei. Vor knapp drei Jahren entstand hier das „Kunsthaus 17“, doch im Juni muss man umziehen nach Babelsberg. Bilder in zwei Etagen, auch auf den Fluren und dazu viel Publikum. Und Begegnungen mit der malenden Zunft, zum Beispiel mit Susanne Rikus, die geradezu flammende Bilder schafft. Sie lebt abwechselnd auf Hawaii und Sardinien, deren energetische Ströme ihr nach einem schweren Unfall wieder auf die Beine halfen. Deshalb auch ihr ganz besonderer, mehr oder weniger abstrahierender Stil. Lange Flure, offene Türen allewege. Eine führt zu einem privaten Antiquariatchen auf Zeit, andere zur Landschaftsmalerei von Lisa Schöfer im klassischen Stil, andere wieder eine Treppe hinauf, wo alles noch einmal begann. Begegnungen mit Menschen, mit Schicksalen, mit aller Art von Kunst, je nachdem, wo einer sich gerade geistig befindet. 

Gerold Paul

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