zum Hauptinhalt
Im Garten – wie hier dem der Familie Joop – lässt sich das Lied der Natur erleben – aber nicht nur. Viele Komponisten haben sich mit dem Stückchen zivilisierter Wildnis beschäftigt.

© Manfred Thomas

Eröffnung der Musikfestspiele Potsdam Sanssouci: Der Flügel im Senkgarten

Am Freitag werden die Musikfestspiele Potsdam Sanssouci unter dem Motto "Musik und Gärten" eröffnet. Ein Blick in die Kulturgeschichte zeigt, dass die Verbindung von Musik und Gärten eine uralte Tradition darstellt.

Stand:

Potsdam - Am Anfang war der Garten. Die Bibel bezeugt es. Er war das Paradies, in denen Lamm und Löwe friedlich nebeneinander lebten und die Menschen in wunschlosem Glück ihre Tage verbrachten. Doch dann kam wegen Ungehorsams die Vertreibung aus dem Garten. „Wir aus dem Paradies Vertriebene haben naturgemäß Heimweh danach. Wie alle Entwurzelten sind wir auf der steten Suche nach dem abhanden gekommenen Glück. Was läge näher, als es aus eigener Kraft noch einmal herstellen zu wollen“, schrieb der Allround-Künstler André Heller. Irdische Gärten sind solche Glücksversuche. Sie gehören zu unserem Lebensraum, als Orte der Muße und des Vergnügens, in denen man sich in kunstvoller Kreativität betätigen kann. Die Tradition ist uralt.

Das Glück, in Potsdamer Gärten und Parks mit ihren wechselnden Formen, Farben und Stimmungen spazieren zu gehen, gehört zur Lebensqualität der Stadt. Natürlich sind in erster Linie die Schöpfungen, die die Preußenkönige veranlassten, zu nennen. Der Feuilletonist Victor Aubertin schrieb in den 20er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts, kurz nachdem sich die Monarchie aus Deutschland verabschiedete: „Bemerkenswerterweise hat der Park (Sanssouci) nichts dadurch verloren, dass er aufgehört hat, ein königlicher Park zu sein, und ein bürgerlicher Park geworden ist.“ Solcherart Feststellung hat für uns Heutige keine Priorität. Die grünen Areale gehören längst allen.

Festspiele verzaubern bis zum 28. Juni

Das Thema der diesjährigen Musikfestspiele Potsdam Sanssouci heißt „Musik und Gärten“. Ab morgen bis zum 28. Juni laden Künstler zu musikalischen Spaziergängen in Parks, in Schlösser und Kirchen ein. Die kreative Vielfalt von Komponisten, Gärten, Bäume und Vögel mit musikalischen Erfindungen widerzuspiegeln scheint genauso groß zu sein wie in der Gartengestaltung. Wegen ihrer Struktur, ihres Gefühlsgehaltes und ihrer Fähigkeit, Stimmungen zu erzeugen, können Lieder, Sinfonien oder Sonaten Ähnlichkeit mit Gärten haben. Der Reichtum des weit gefächerten musikalischen Programms ähnelt einem farbigen Areal, „wo der ungezählten Kräuter Menge, / Der Blätter Farben und Natur, / Der Säfte, Kräfte, der Figur / von tausendfacher Breit’ und Länge“ sind, so der hamburgische Aufklärer Barthold Heinrich Brockes.

Die Komponisten der Renaissance und der Barockzeit liebten das Bild vom Garten, er wurde zum Symbol christlicher Tugenden. Der Rose ist innerhalb des Festivals sogar ein Fest gewidmet (19./20. Juni). Ignaz Franz Bibers meditative Sonaten über die Mysterien des Rosenkranzes, die im Palmensaal der Orangerie des Neuen Gartens unter anderem von dem Violinisten Manfredo Kraemer gespielt werden, gehören zum Rosen-Thema wie die Opernaufführung in der Sanssouci-Orangerie mit „La púrpura de la rosa“ von Tomás de Torrejón y Velasco, der am Hofe des spanischen Vizekönigs von Peru in Lima lebte. Die Geschichte erzählt von der Liebe des Adonis zur Göttin Venus. Mars, eifersüchtig auf Adonis, lässt ihn von einem Eber töten. Von nun an färbt Adonis’ Blut die Rosen weiß.

„Oh, wer um alle Rosen wüsste ... müsste wie im Rausch durchs Leben gehen“, heißt es in einem emotionsgeladenen Gedicht von Christian Morgenstern. In das Geheimnis der Rose werden die Gäste schließlich zu nächtlicher Stunde eingeführt, wenn ein Ausschnitt aus Bibers Rosenkranz-Sonaten sich mit dem japanischen Nó-Theater in der Friedenskirche vereinen.

Auch Lenné ist ein Abend gewidmet

In der Barockzeit war der Park dem absoluten Herrscher untertan. Die schnurgeraden Achsen und Alleen, die geometrisch geschnittenen Bosketts, die gezügelten Fontänen beweisen es. Das musikalische Programm war bestimmt von Tänzen wie Menuett, Pavane oder Gavotte, Ausdruck anmutiger Heiterkeit. Es gibt eine Reihe von Konzerten, die die Freude am barocken Musizieren verständlich machen: am 14. Juni in der Ovidgalerie (Neue Kammern) mit Kammermusik von Georg Philipp Telemann oder während eines „Rendezvous im Lustgarten“ am 23. Juni im Palmensaal im Neuen Garten. Dieser Park, den man nach englischem Vorbild mit Licht, Schatten und Stimmungen so inszenierte, wie man sie selber empfinden wollte, entstand Ende des 18. Jahrhunderts. Johann August Eyserbeck hatte ihn im damals gerade aktuellen Stil gestaltet. Als der junge Peter Joseph Lenné 1816 nach Potsdam kam, bekam er den Auftrag, den verwilderten Park am Heiligen See neu zu ordnen und ihm um neue Facetten zu bereichern. Lenné überzeugte und wurde der gefragteste und schließlich mächtigste Landschaftsgestalter am preußischen Hof und darüber hinaus. Das Thema „Musik und Gärten“ kann natürlich an dem Königlichen Gartendirektor nicht vorbeigehen. So ist am 27. Juni „Ein Tag mit Lenné“ gewidmet. Parkführungen, Konzerte, eine Schiffspartie und ein literarisch-musikalischer Spaziergang über den Bornstedter Friedhof, auf dem der Landschaftsgestalter neben der weitverzweigten Gärtnerfamilie Sello seine letzte Ruhe gefunden hat, gehören zum Lenné-Programm.

„Die Menschen, denen der Garten gehört, sollen ihn prägen nach ihrer Art.“ Adalbert Stifter lässt in seinem Roman „Nachsommer“ den Privatgarten des Freiherrn von Riesach literarisch aufs Schönste erblühen. Die vielgestaltigen Prägungen privater Refugien lassen sich in den Gärten des Ehepaars Szydlik, von Petra Daniel, Stefan Ludes, des einstigen preußischen Kabinettsrates Ernst Emil Illaire, der Familie Joop sowie bei Karl Foerster am 13. Juni in Verbindung mit musikalischen Darbietungen erleben.

Joop-Garten aus dem Dornröschenschlaf geweckt

Der Joop-Garten, ein einzigartiger Landschaftsgarten, auf den der Turm der Bornstedter Kirche Tag und Nacht sein wachsames Auge hält, wird nach dem Tod von Charlotte Joop vor fünf Jahren nun wieder aus dem Dornröschenschlaf geweckt. Das Gärtnerehepaar Andrea Pilz und Kim Paradowski hat einen großen Anteil daran. Vor einigen Jahren fanden auf dem Areal regelmäßig Lesungen statt, die umrahmt wurden von stimmungsvoller Musik.

Besonders tiefe Beziehungen zur Musik pflegte der Bornimer Staudenzüchter und Schriftsteller Karl Foerster. Sie wurden durch die Freundschaft mit dem berühmten Pianisten Wilhelm Kempff verstärkt. Bei Besuchen spielte Kempff auf dem Flügel im ersten Stockwerk, dann wurden in den warmen Sommermonaten die Fenster weit geöffnet, sodass man die Musik ringsherum in den Gärten hören konnte. Der Pianist, der sich auch als Komponist einen Namen machte, schrieb nach dem ersten Besuch bei Foersters im Jahre 1919 „Ein Frühlingsspiel“, liebenswürdige klangimpressionistische Miniaturen über Blumen, die er im Garten des Staudenzüchters antraf. Der Rumäne Andrei Banciu wird sie bei der Gartenmusik neben einer Beethoven-Piece zu Gehör bringen. Der Flügel wird dafür in den Foerster’schen Garten gestellt, inmitten des blühenden Bornimer Paradieses.

Weitere Informationen zum Programm unter: www.musikfestspiele-potsdam.de

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })