
© Manfred Thomas
Leiterin vom Filmmuseum Potsdam im Interview: "Der Frauentag ist der Gegen-Muttertag"
Ulrike von Keitz leitet das Filmmuseum Potsdam. Im Interview spricht sie über Frauenbilder im geteilten Deutschland und neue Projekte des Museums.
Stand:
Frau von Keitz, am Frauentag am Sonntag präsentieren Sie im Filmmuseum eine Serie von Kurzfilmen unter dem Titel „Weibliche Lebenswelten im geteilten Deutschland“. Sie selbst sind geborene Regensburgerin. Ist das Programm eine Huldigung an Ihre ostdeutschen Kolleginnen und Ihre neue Arbeitsheimat Potsdam?
Das ist es auch, weil der Frauentag zu DDR-Zeiten wesentlich präsenter war als im Westen Vor allem aber ist es für mich eine Art Gegen-Muttertag. Das ist ein Tag, an dem sich Frauen über ihre Rolle, ihre Möglichkeiten, über das, was sie erreicht haben, vielleicht auch nicht erreicht haben, verständigen können. Für mich ist das ein kultureller Tag und gleichzeitig ein Gedenktag, der auch an die Geschichte der Frauenbewegung erinnert. Das macht für mich den Charme des Frauentags aus.
Sie haben als Leiterin des Filmmuseums die Auswahl der Filme getroffen, die am Sonntag zu sehen sein werden. Wie sind Sie dabei vorgegangen?
Wir haben das in Verbindung mit dem Dokumentarfilm-Forschungsprojekt gemacht, das ich von der Universität Konstanz mitgebracht habe, an der ich zuvor lehrte. Wir haben dabei aus der Geschichte der vergangenen 60 Jahre des Dokumentarfilms in beiden deutschen Ländern eine Fülle von Material gesichtet, das mit der Frauenthematik zu tun hat. Wir haben das immer auch im Ost-West-Vergleich geschaut – um welche Themen geht es da und welche Ästhetiken hängen damit zusammen? Wenn wir unser Material sichten, machen wir das immer doppelt: Wir analysieren die Filme für die Beiträge in unserer Filmgeschichte und überlegen uns schon beim Sichten, was wir mit Blick auf mögliche Kinoprogramme damit machen können.
Das ist also das DFG-Projekt „light“ für das Potsdamer Publikum?
Nein, mit „light“ hat das nichts zu tun, vielmehr damit, zu überlegen, wie die – überwiegend kurzen – Filme in einer Programmfolge in einen Dialog treten können. Für dieses Programm am Frauentag teilen wir, meine Mitarbeiterin Nathalie Karl und ich, uns die Moderation: Sie wird ins Programm einführen und ich werde eine kurze Lesung voranstellen, aus Texten von Virginia Woolf, Simone de Beauvoir und Betty Friedan, die für mich sehr prägende Autorinnen waren und sind. Sie repräsentieren drei verschiedene Denkansätze zur Frauenthematik in der Moderne. Sie sind auch Wegbereiterinnen der Genderdebatte. Obwohl die Frauen in Bildung und Ausbildung vielfach gleichgezogen haben oder sogar besser sind, klafft nach meiner Ansicht eine große Gerechtigkeitslücke zwischen den Geschlechtern – und das weltweit. Ganz abgesehen davon, dass sich sexuelle Gewaltattacken gegen Mädchen und Frauen in den derzeitigen Krisengebieten häufen.
Was unterscheidet in ihrer Auswahl die Filme in Ost und West?
Es werden recht klare Unterschiede in der Frauenpolitik deutlich. Die Frauen im Osten musste ihre Erwerbstätigkeit einbringen – allein aus wirtschaftlichen Gründen. Zum anderen knüpft die Frauenpolitik sehr konsequent an die Frauenemanzipationsbewegung in der Weimarer Republik an, während in der Bundesrepublik zur Adenauerzeit das Frauenbild sehr konservativ, ja vormodern zu nennen ist.
Wie zeigt sich das in den Filmen?
Zum Beispiel dadurch, dass in einem Film von 1952 – und der ist ausgerechnet auch noch von einer Frau gedreht – um den schön gedeckten Tisch geht. Themen sind also Haushaltsdinge, die Haushaltsmodernisierung spielt eine große Rolle im Film. Das haben wir im Osten auch, aber im Westen ist das verknüpft mit dem primären Zuständigkeitsbereich der Hausfrau. Und das war im Osten anders.
Für die Ästhetik eines gedeckten Tisches hatten die Frauen im Osten schlicht nicht die Zeit …
Zumindest hat man übers Tischdecken wohl keine Filme gemacht. Viele dieser kurzen Filme sind Auftragsarbeiten, vieles ist auch mehr oder weniger explizite Werbung. Der Hintergedanke dabei ist: Es muss alles perfekt und schön sein – dann wird die Frau geliebt.
Diesseits der Mauer gab es keine Schönfärberei im Film?
Doch, wir haben aus dem DEFA-Kurzfilmstudio einen Film von 1957 im Programm, dort wird für kosmetische Produkte geworben; es wird erklärt, wie sich Frauen in der DDR verschönern können. Damit haben wir durchaus eine Verbindung zu einem Schönheitsideal – aber natürlich für einen Frauentypus, der anders unterwegs ist als in Westdeutschland.
Die historischen Brüche verschaffen sich im westdeutschen Film erst gegen Ende der 60er Ausdruck. In dem Film "Mädchen mit 20" kann man das schon spüren: die jungen, gut gebildeten Frauen wollen, – was wir heute als Dauerthema haben – dass Arbeit und Familie vereinbar sind.
Themenwechsel, Sie sind jetzt seit gut einem halben Jahr Leiterin des Filmmuseums. Wie sieht Ihre erste Bilanz aus?
Das Filmmuseum ist ein großer Schatz in der Potsdamer Innenstadt. Ein sehr guter Standort, denn wir dürfen nicht vergessen, dass es ja auch gleichsam das Schaufenster der Filmuniversität in der Stadt ist. Die Herausforderung ist, die Selbständigkeit insbesondere in der gesamten Programmarbeit zu erhalten und zu pflegen, gleichzeitig aber auch die Chancen, die sich aus der Möglichkeit ergeben, über die Ausstellungs-, aber auch die Sammlungsarbeit schon früh Studierende an die filmkuratorische Praxis heranzuführen, konsequent zu nutzen.
Das Potsdamer Publikum hat das Filmmuseum nach seiner Wiedereröffnung sehr gut angenommen. Ich habe von vielen Leuten gehört, dass es für sie schön ist zu wissen, dass es das Museum wieder gibt. Ich wünsche mir, dass wir künftig noch mehr im Bereich Film- und Medienbildung in der Stadt anbieten können, z.B. workshops zu verschiedenen filmischen Gewerken, etwa zu Drehbuch oder Farbe im Film. Das ist nicht leicht, da wir personell am Limit sind.
Woran arbeiten Sie derzeit?
Wir sind in der Vorplanung zur nächsten Wechselausstellung, die Anfang Dezember eröffnet werden wird; ich erarbeite mit Studierenden eine Foyerausstellung, die ebenfalls im November eröffnet wird. Und wir haben mit den Vorplanungen zum Umzug der Sammlungen begonnen, der Ende 2016 erfolgen soll. Angedacht als neues Quartier ist das Gelände auf dem Windmühlenberg, das bislang vom Landeshauptarchiv genutzt wird. Es ist ein sehr inspirierendes Gelände, auf dem nicht nur die Sammlungen des Filmmuseums Platz finden sollen, sondern in dem vor allem ein viel besserer Besucherbereich existiert, als wir ihn momentan bieten können. Forschende werden also sehr gute Bedingungen dort vorfinden. Und wir wollen das Gelände auch bespielen.
Bespielen?
Ja, weil es auch dazu kuratorische Überlegungen gibt.
Man wird dort auch Filme sehen können?
Ja, zum Beispiel. Openair-Kino im Sommer bietet sich an. Zudem planen wir, in einer Halle ein sogenanntes Schaulager einzurichten – für exemplarische Stücke aus unserer Filmtechniksammlung und andere größere Objekte.
Das Filmmuseum bekommt also eine Zweigstelle?
Es ist eine Zweigstelle, aber kein zweites Museum.
Sie sind angetreten, um den Wissenschaftsbetrieb, sprich die Filmuniversität, mit dem Museumsbetrieb stärker zu verbinden. Was ist Ihnen da gelungen in den ersten sechs Monaten?
Für mich ist das eine einmalige Gelegenheit, die Aufgaben am Haus nicht nur mit den Ergebnissen der Lehre zu verbinden, sondern immer auch wieder einmal Ergebnisse unserer Forschungsarbeit im Dokumentarfilmprojekt in Programmarbeit umzusetzen. Unsere Arbeit findet ja viel im Archiv statt, aber wir führen auch Interviews mit Filmemacherinnen und Filmemachern. In dem Projekt haben wir vor allem junge Leute, Doktoranden, die ihre eigene Sicht auf die Filmgeschichte haben und das einbringen. Das kann sich nicht nur, wie jetzt am Sonntag beim Frauenprogramm, in Kinoprogramme umsetzen, sondern auch Eingang finden in Überlegungen, wie wir den dokumentarfilmischen Aspekt, wo es thematisch sinnvoll ist, auch in die Ausstellungsarbeit integrieren.
Gibt es denn dafür auch das Publikum in Potsdam? Sind die Zuschauer hier nicht anderes gewohnt?
Eine gute Entwicklung ist eine wohlproportionierte Mischung aus Konstanz und Wandel. Es ist immer die Frage, wie ich so ein Programm aufbaue. Und es heißt immer doppelt zu denken: Da ist die Wissenschaft, die akademische Regeln zu beachten hat, und da ist die Vermittlung, die Übersetzung für ein Publikum, das Filme liebt, im besten Falle neugierig auf lange Vergessenes und Wiederzuentdeckendes ist, das aber auch über Filmgeschichte und die politischen und ökonomischen Zusammenhänge etwas erfahren will, in denen Filmproduktion stattfindet und -fand. Und das an dem Ort tun will, an dem das immer noch am besten geht: im Kino.
Welche Baustellen haben Sie noch?
Wir hoffen, dass nun das Café bald wieder eröffnet werden kann. Das wird das Haus nochmals deutlich zusätzlich beleben. Abends ist es derzeit an dieser Ecke der Stadt recht öde. Fußgänger sieht man da selten. Der Förderverein wird vierteljährlich einen Spieltermin haben, und wir haben auch eine Kooperation mit dem Verein Cinegraph Babelsberg vorbereitet, der filmhistorische Programme insbesondere zum deutschen Filmerbe kuratiert.
Seit sechs Monaten sind Sie in der Stadt, zuvor waren Sie in Westdeutschland und in der Schweiz tätig. Gibt es etwas, was Ihnen in Potsdam aufgefallen ist – im Hinblick auf die Frauen hier? Oder haben sich die Unterschiede zwischen Ost und West inzwischen erledigt?
Ich fühle das eher atmosphärisch. Ich bin mir bewusst, dass ich in einer Stadt arbeite, in der sehr viel weibliches Selbstbewusstsein herrscht und umso mehr hoffe ich darauf, dass dieses Programm am Sonntag wahrgenommen wird und wir darüber ins Gespräch kommen.
Das Interview führte Grit Weirauch
Die Kurzfilmreihe „Weibliche Lebenswelten im geteilten Deutschland“ läuft am Sonntag um 19 Uhr im Filmmuseum Potsdam, Breite Straße 1A
ZUR PERSON: Ursula von Keitz, Jahrgang 1961, forscht zur Geschichte und Ästhetik des Films, war stellvertretende Direktorin des Deutschen Filminstituts und lehrte in Zürich, Bonn und Konstanz.
Grit Weirauch
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