Geschichte in Bildern: Der Hoflieferant im Paradiesgarten
Christa Queißer übergibt Bilder und Dokumente über die „Blumenkunst Freiberg“ dem Potsdam-Museum. Sie will, dass das ihr anvertraute Erbe der Freibergs für die Zukunft gut aufbewahrt wird.
Stand:
Der Sommertag im flirrenden Sonnenlicht lädt zum Spaziergang ein. Ein Ehepaar um die fünfzig hat sich in den Park begeben, um sich porträtieren zu lassen. Die Frau in einem leicht-luftigen hellen Sommerkleid, der Mann neben ihr in einer feinen Baumwolljacke. Auch Hund Rolf hat Platz genommen. Mitten im Blumenflor des Paradiesgartens. Die Wasserkaskaden weisen auf den Ort im Park Sanssouci hin, das Schlossgebäude im Hintergrund könnte die Orangerie sein. Doch der Maler Paul Matthes hat sich einige gestalterische Freiheiten bei der Wiedergabe gestattet, als er den Blumen-Hoflieferant Fritz Freiberg und seine Frau Elsa im Jahr 1934 anlässlich ihrer Silberhochzeit porträtiert hat.
Christa Queißer hat das Ölgemälde seit mehr als 50 Jahren im Blick. Früher hing es an zentraler Stelle in der Wohnung ihres Onkels Fritz Freiberg und ihrer Tante Elsa, die Schwester ihrer Mutter. Längst hat es Platz über der Couch in ihrem Wohnzimmer gefunden. Nach dem Tod von Fritz Freiberg im Jahre 1957 ging Christa Queißer zur Tante nach Potsdam, um deren Haushalt zu führen. Gebürtig im Erzgebirge hat sie bald einen großen Freundeskreis in der Stadt an der Havel um sich geschart, auch mit deren wechselvoller Geschichte ist sie vertraut. Nun ist es Christa Queißer ein besonderes Anliegen, dass das ihr anvertraute Erbe der Freibergs für die Zukunft gut aufbewahrt wird. Erzählt es doch auch ein Stück Potsdamer Stadtgeschichte der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
Als die über 80-Jährige den Vorsitzenden des Fördervereins des Potsdam-Museums, Markus Wicke, kennenlernte, zeigte sie ihm ihre Schätze und vereinbarte mit ihm deren Übergabe an den Verein und damit an das Museum. Darunter das Gemälde von Paul Matthes (1872-1956), der zu den bekannten Malern der Region gehörte. Der im ostpreußischen Königsberg Geborene gründete in Luzern den „Kunstverlag und Druck Paul Matthes“, in dem er Kupferstiche, Postkartenserien und Leporellos herausgab. Mitte der 20er Jahre zog er nach Potsdam und wurde Mitglied des Kunstvereins. Zeitweise wohnte er auf einem Hausboot. Stimmungsvolle Bilder von der Havellandschaft entstanden und natürlich gehörten die Sehenswürdigkeiten Potsdams zu den reizvollen Motiven des Malers. Für das Ehepaar Freiberg war Paul Matthes eine sichere Bank für ein gelungenes Doppelporträt.
Elsa und Fritz Freiberg waren seit 1910 Besitzer des wohl bekanntesten Blumengeschäfts in Potsdam in der Brandenburger Straße 25. Er war Gärtner, sie Blumenbinderin. Auch den Klausberg im Park Sanssouci verwaltete Fritz Freiberg als Königlicher Fruchttreiber. Ab 1920 zog „Blumenkunst Freiberg“, wie das Geschäft offiziell hieß, in das Nebengebäude, in die Brandenburger Straße 26, das die Freibergs ihr Eigen nennen konnten. Christa Queißer zeigt ein kleines Gemälde von dem Wohn- und Geschäftshaus. Gemalt hat es ganz unspektakulär der Architekt Hempel, der wohl für den Umbau der neuen Bleibe der Freibergs verantwortlich zeichnete.
Markus Wicke interessiert sich besonders auch für so manches Dokument, das Christa Queißer aus ihrem Schatzkästchen herausholt. Es sind Dokumente und gut 20 Fotografien aus den Anfangsjahren von „Blumenkunst Freiberg“. Das bekannte Fotoatelier von Ernst Eichgrün hatte in den 30er Jahren seine Kameras bei Freibergs postiert. Die Mitarbeiterinnen, eingerahmt von den Inhabern, werden beim Blumenbinden beobachtet. Auch von diesem Eichgrün-Bild wird sich Christa Queißer trennen. Ebenfalls von einer alten Zeitschrift, in der man lesen kann, dass Fritz Freiberg 1914 zu den Mitbegründern des Verbandes deutscher Blumengeschäftsinhaber in Potsdam sowie 1931 des deutschen Fleurop-Vereins (Blumen in alle Welt) gehörte. Mehrere Jahre war er auch dessen Präsident.
Auf dem Wohnzimmertisch liegen alte Postkarten mit handsignierten Porträts von Mitgliedern der Hohenzollernfamilie. Sie waren regelmäßige und gern gesehene Kunden beim Blumen-Hoflieferanten Freiberg, auch als die Kaiserzeit längst zu Ende war. So schrieb Prinzessin Ina Marie, die Frau des Prinzen Oskar, der unterhalb des Pfingstbergs wohnte, am 15. Februar 1938: „Herzlichsten Dank für die Glückwünsche zu meinem Geburtstag mit den schönen Ranken (gelegentlich würde ich gerne wissen, was es für eine Blume ist), die mich ganz besonders erfreuten und noch immer blühen.“
Als Elsa und Fritz Freiberg 1949 das Geschäft aus gesundheitlichen Gründen aufgeben mussten, fanden sie glücklicherweise Nachfolger. Doch wurde es von den Potsdamern weiterhin Blumen-Freiberg genannt. Der Mangel an frischen Schnittblumen war offensichtlich. Elsa Freiberg blieb auch nach dem Tod ihres Mannes 1957 im Haus wohnen, liebevoll umsorgt von Christa Queißer. 1976/77 sanierte und restaurierte man die Fassaden der Häuser der Brandenburger Straße (damals noch Klement-Gottwald-Straße) und teilweise auch ihr Innenleben. Elsa Freiberg musste ihr Wohn- und Geschäftshaus verkaufen. Die DDR-Behörden zwangen die alte Dame dazu, schließlich wollten sie freie Hand über das Gebäude haben. Mit 93 Jahren musste sie ausziehen. Zwei Jahre später durfte sie mit ihrer Nichte Christa wieder in die alte Wohnung zurück. Auch das Blumengeschäft, das nunmehr einer Genossenschaft gehörte, wurde wieder betrieben. Auch nach der Wende. 1983, zwei Monate vor ihrem 100. Geburtstag, starb Elsa Freiberg. Auf dem Bornstedter Friedhof haben sie und ihr Mann die letzte Ruhe gefunden.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: