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Jon-Kaare Koppe liebt den Humor. Das richtige Naturell für den Diener Paolo in Goldonis Komödie Trilogie der Sommerfrische.

© HOT/HL Böhme

Von Heidi Jäger: Der Konfliktflüchter

Jon-Kaare Koppe spielt in Goldonis „Trilogie der Sommerfrische“ den Diener / Heute ist Premiere

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Immer sind sie da, diese Selbstzweifel. „War ich gut genug? Gefiel es dem Publikum? Nie ist man richtig zufrieden.“ Und trotzdem möchte Jon-Kaare Koppe nichts anderes machen. Dabei könnte der Schauspieler auf ein Handwerk zurückgreifen, das einen handfesten Erfolg beschert. Schließlich hat er Tischler gelernt. „Da baust du einen Schrank, der sieht gut aus, man kann ihn benutzen und wenn die Tür quietscht, kriegst du das mit drei Hobelstößen wieder behoben. Etwas, woran man sich erfreuen kann und das man nicht ständig hinterfragen muss.“

Dabei hat der gebürtige Leipziger, der ab heute im Schlosstheater als Diener Paolo in Goldonis „Trilogie der Sommerfrische“ zu sehen ist, keinen Grund, an sich zu zweifeln. Er schaffte es nach der Lehre beim ersten Anlauf auf die renommierte Ernst-Busch-Hochschule Berlin, war einer der 20 Auserwählten von 2000 Bewerbern. Und auch nach dem Studium konnte er von seinem Beruf leben, fand immer wieder spannende Engagements, wie zuletzt sieben Jahre in Magdeburg und jetzt am Hans Otto Theater.

Aber da war auch das Loch, der Absturz: Als er als Absolvent an die Volksbühne Berlin geholt wurde und kurz darauf mit Frank Castorf ein neuer Intendant kam, der ihn nicht kannte – und nicht besetzte. Jon-Kaare Koppe ertränkte seinen Frust in Alkohol, redete sich ein: Ich kann nichts, ich bin nichts.

Ganz offen erzählt er über diese Zeit, in der er versuchte, seine Minderwertigkeitskomplexe wegzuspülen, bis der Alkohol ihn fest an der Angel hatte. Das liegt inzwischen 14 Jahre zurück. „Benutzen Sie es für Ihren Beruf, was sie an Tiefe erlebt haben“, baute ihn seine Ärztin auf, die ihn damals beim erfolgreichen Entzug begleitete. Wenn es heute auf einer Probe mal kracht, sagt sich der Schauspieler: „Du hast schon viel Schlimmeres erlebt“. Und doch bleibt da immer auch die Angst, dass der Erfolg ausbleiben könnte. „Wie bei allen Schauspielern. Wir sind total unsicher und wollen geliebt werden, mehr noch als andere Menschen.“

Jon-Kaare Koppe ist aber auch einer, der es ganz genau wissen will. „Da bin ich manchmal richtig nervig und trieze den Regisseur mit Fragen.“ Für ihn muss alles im Kopf und Körper geklärt sein. Und es ist ihm auch wichtig, mit den Stücken Türen ins Heute aufzustoßen, wie jetzt bei Goldoni. Natürlich hat er sich gefreut, diese Rolle zu bekommen, schließlich liebt er den Humor über alles. „Beim ersten Lesen zündete es allerdings nicht gleich, ich hatte eine andere Erwartungshaltung. Diese Trilogie ist eher untypisch für Goldoni. Sie ist sein erster Versuch mit gesellschaftskritischem Theater. Und es gibt kein Happyend“, was Koppe überhaupt nicht mag. Auch nicht im Kino, in das er bei Problemfilmen seine Frau alleine gehen lässt. „Ich bin eher der Konfliktflüchter.“

Doch die Arbeit mit Regisseur Matthias Brenner macht ihm Spaß, auch wenn sein Diener keine solche zentrale Rolle spielt wie sonst in der Commedia del’ Arte. „Wie gewohnt ist er aber ein bisschen schlitzohrig und wird ständig von seiner Herrschaft getreten.“ Durchaus heutig an diesem Goldoni sei, dass es um Leute geht, die kein Geld haben, aber so tun als ob. „Dazu haben wir auf der Probe sehr vergnügliche Einfälle. Aber ob sie den Zuschauern gefallen, muss man sehen.“

Und wieder ist er da, der Zweifel. Gerade auch in Potsdam, wo es viel schwieriger sei, das Publikum zu erobern als in Magdeburg. „Dort gab es natürlich auch weniger Ausbüchsmöglichkeiten für das Publikum, das einen eher proletarischeren Zuschnitt hat, was mir sehr liegt“, so der bodenständige Schauspieler, der jedes aufgesetzte Künstler-Gehabe ablehnt. Doch das soll nicht heißen, betont er, dass ihm Potsdam zu hochnäsig sei. „Hier ist einfach ein größeres Bildungsbürgertum, und das reagiert auch schnell verschnupft auf Experimente. In Magdeburg hat man uns mehr verziehen.“ Dennoch hofft er, dass die Potsdamer irgendwann zur neuen Theatercrew sagen: „,Das sind unsere Leute und die sind nicht schlecht’. Dann wäre schon viel gewonnen.“

Jon-Kaare Koppe, Jahrgang 1963, versteht, wenn sich manch Potsdamer leichtere Stücke auf dem Spielplan wünscht. „Ich bin auch nicht so der Depressions-Dramatik-Fan. Als Zuschauer liegt mir ,Sommerfrische’ jedenfalls mehr als ,Woyzeck’. Doch als Schauspieler liebe ich alles.“ Im Moment natürlich Goldonis Diener, aber auch den Arzt in Schnitzlers „Das weite Land“. „Eine Figur, die ich gut begreife. Rollen, die mir nicht so nahe sind, vergrübele ich indes gern.“

Wenn es mit der Verkörperung einer Figur partout nicht klappen will, versucht er es auf Sächsisch. „Und schon werde ich lockerer. Zugunsten der Authentizität der jeweiligen Rollensprache vernachlässige ich schon mal das exakte Bühnendeutsch.“ Aber auch unbeabsichtigt schwingt in der Sprachmelodie des beherzten Wahlberliners seine Leipziger Wiege leise mit. „Gert Fröbel ist damit sogar bis Hollywood gekommen“, scherzt er und zieht vergnügt an seiner elektrischen, teerfreien Zigarette, die er als Grauer Herr in „Momo“ rauchte und nun auch privat für sich entdeckte.

„Quatsch-Koppe“, wie er früher von seinen Mitschülern genannt wurde, ist noch immer ein unterhaltsamer Erzähler. Auch auf Publikumsgespräche freut er sich, selbst wenn er nach einer anstrengenden Vorstellung lieber gleich unter die Dusche und ins Bett verschwinden würde. Und das steht nicht nur am Prenzlauer Berg. Wenn es spät wird, wartet in seiner Einraumwohnung im Hochhaus am Zentrum-Ost ein Ersatz-Ruhekissen auf den Schauspieler, auf das er von der Kantine des Theaters fast schauen kann. Und auf dem er vor der Premiere sicher noch kurz ausruhen wird.

Jon-Kaare Koppe, der schon die schlimmsten Verbrecher gespielt hat, weiß, dass Bösewichte nie so viel Beifall bekommen wie positive Helden. Das lässt für den Diener hoffen. Trotz aller Zweifel.

Premiere heute um 19 Uhr im Schlosstheater.

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