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Kultur in Potsdam: Der Prinz und die kostümierte Katze

Friedrich Wilhelm I. und Kronprinz Friedrich beim Karneval in Dresden

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Die Musikfestspiele Potsdam Sanssouci, die am gestrigen Freitag eröffnet wurden, stehen in diesem Jahr unter dem Motto „Sachsens Glanz trifft Preußens Gloria“. In einer fünfteiligen Serie (Heute: Teil 2) widmen sich die PNN den mal mehr oder weniger freundschaftlichen Beziehungen zwischen Sachsen und Preußen im 17. und 18. Jahrhundert.

Es wird wohl der Moment gewesen sein, als Friedrich Wilhelm I. zu dem Schluss kam, dass es doch besser gewesen wäre, wenn er seinen Sohn Friedrich daheim in Preußen gelassen hätte. Während eines Maskenballs, für den das Dresdner Residenzschloss von 1000 Lichtern erhellt war, führte August seinen Besuch – so will es die Legende – in ein Gemach, in dem sich eine junge Schönheit nackt auf einem Bett räkelte. Doch August hatte die Rechnung ohne den Wirt oder besser die Selbstbeherrschung des Preußenkönigs gemacht. Dieser zog seinen Hut, aber auch nur, um ihn dem jungen Friedrich vor das Gesicht zu halten und befahl ihm, sich zu entfernen. Über die Dame bemerkte er: „Sie ist recht schön“ und ging.

Die Verstimmung über diesen Vorfall und den Gastgeber hielt seitens des Gastes noch einige Tage an. Und sie war gerechtfertigt, denn August hatte dieses Ereignis geplant, um den jungen Friedrich auf andere Gedanken zu bringen. Später ging Friedrich Wilhelm hart mit den Zuständen in Dresden ins Gericht: „Das weibliche Geschlecht komme a Paris et Berlin, alle Huren aber in Dresden, mit den vornehmsten kann man laut von fuxen reden als hier von exercieren.“ August wird es nicht sonderlich gestört haben, er kannte seinen Ruf und war stolz darauf.

Der prächtige Karneval am Hof zu Dresden im Jahr 1728 blieb der Nachwelt und besonders dem Preußischen König Friedrich Wilhelm I. und seinem Sohn, dem kleinen Friedrich, noch lange im Gedächtnis. Die Beweggründe für den Besuch und die Einladung gerade in der Karnevalszeit waren verschiedene. Friedrich Wilhelm dachte wohl daran, August den Starken für eine Verbindung mit Österreich zu gewinnen und August, der die Einladung ausgesprochen hatte, wird den Termin mit Bedacht gewählt haben, bot sich doch zur Karnevalszeit die einmalige Gelegenheit, dem Gast all den Luxus, den die Residenzstadt ohnehin schon zu bieten hatte, noch etwas strahlender zu präsentieren.

Bei diesen Staatsgeschäften hatte der gerade einmal 15-jährige Thronfolger nichts zu suchen, wie sein Vater fand. Friedrich war da ganz anderer Meinung. Das eintönige Leben am Berliner Hof war nicht nach seinem Geschmack. „Man hält nichts auf törichtes Gepränge und große Ceremonien“, wusste Johann Friedrich Loehn 1718 über den preußischen Hof zu berichten. Andererseits wusste er auch, dass es an diesem Hof gänzlich an Lustbarkeiten fehlte und dass „wohl wenig Königskinder in der Welt, denen so durch den Sinn gefahren und der jugendliche Wille gebeugt wird“. Doch während seiner Reise erfuhr Friedrich Wilhelm, das August der Starke gern auch die Bekanntschaft des Kronprinzen zu machen wünsche, worauf ein Kurier nach Berlin geschickt wurde, um dem daheim Gebliebenen die Nachricht zu überbringen.

Als der König am 14. Januar in Dresden eintraf, wurde er standesgemäß mit Kanonensalut empfangen und nahm im Zeughaus beim Generalfeldmarschall Wackerbarth Quartier. Doch die Nachricht von der Ankunft des Königs war bereits in das nur wenige hundert Meter entfernte Schloss gelangt und so kam es, dass August der Starke und sein Sohn dem Monarchen einen Besuch inkognito abstatteten. Nach dem anschließenden Essen fand man sich zu einer Abendgesellschaft zusammen, die bis in die späte Nacht andauerte.

Ob die Freude der beiden Herrscher über den Besuch so groß war, das man sie nicht ausdrücken konnte, wie die zeitgenössische Publizistik behauptet, mag man bezweifeln: Immerhin existieren wenigstens fünf ausführliche Beschreibungen der Feierlichkeiten, die fast einen ganzen Monat dauerten. Wir sind also bestens unterrichtet über die Veranstaltungen, die Feste, Bälle und Jagden, die stattfanden.

Die folgenden Tage waren eine nicht enden wollende Flut von Eindrücken bestehend aus französischer Oper, Maskenbällen, Wettkämpfen und Jagden. Meist dauerten die Festlichkeiten bis in die frühen Morgenstunden und oft genug vermerkt das Protokoll, dass sich Friedrich Wilhelm gegen Mitternacht zurückzog. Ein besonders beliebter Ort war dabei der Stallhof, der Turnierplatz des Dresdner Schlosses. Auch auf dem Altmarkt fanden sogenannte Ringrennen im Schlitten statt. Dass der Schnee bereits taute, war dabei nur eine Nebensächlichkeit – man ließ ihn kurzerhand auf 300 Wagen anfahren. Der Tag fand im Palais des Grafen von Flemming ein Ende. Doch in dieser Nacht sollte der preußische König keine Ruhe finden. In den frühen Morgenstunden brannte das Palais des Grafen Wackerbarth nieder und Friedrich Wilhelm konnte sich nur knapp aus dem Feuer retten. Am folgenden Tag, dem 18. Januar, stand eine Besichtigung des Grünen Gewölbes auf dem Plan. Friedrich Wilhelms Erstaunen darüber wird in einem Brief an den Alten Dessauer deutlich: „das grüne gewelbe ist cella eblouit meinen vatter seine Juvehlen ist nits dagegen.“ Immer wieder bricht sich jedoch der preußische Pragmatismus Bahn. Das zeigt der Besuch des Kadettenhauses in der Neustadt, bei dem auch der junge Friedrich zugegen ist. Immerhin war es bei aller Freundschaft nützlich zu wissen, wie es um den militärischen Standard in Sachsen bestellt war.

Besonders beeindruckt zeigte man sich von der ungeheuren Verschwendung, wie dem großen Ringrennen im Zwinger, bei dem 1000 Infanteristen teilnahmen. Und auch wenn dieser Luxus Friedrich Wilhelm zwar beeindruckte, so waren es die Jagdveranstaltungen, die ihn wirklich fesselten. Die Kampfjagd etwa im Jägerhof, dem heutigen Museum für sächsische Volkskunde, oder die Hasen- und Fasanenjagden im Großen Garten. Komplettiert wurde das Ganze durch Aktivitäten wie das Saustechen und Fuchsprellen. Und so schreibt Friedrich dann auch an den Alten Dessauer: „Ich habe auch was gesehen wegen der saugarten das ich werde bey mir machen lassen.“

Der junge Friedrich dagegen wird wohl andere Erinnerungen an die zahlreiche Jagden gehabt haben, denn er teilte die Passion seines Vaters nicht und besonders die „Ehrung“, die man ihm nach einem Scheibenschießen als schlechtesten Schützen zuteil werden ließ, dürfte den späteren Monarchen verletzt haben. Diese Ehrung bestand darin, einen schwarzen, mit Glöckchen behängten Ziegenbock vor den Schlitten des Kronprinzen zu spannen, während ein Hund in Kutscherlivree auf der Pritsche saß und eine ebenfalls kostümierte Katze als Begleitung fungierte. Doch während der Karnevalszeit nahm niemand die Etikette ganz ernst, auch nicht August der Starke, der für seine Gäste eine Bauernwirtschaft veranstaltete und sie als Wirt verkleidet selbst bediente.

Es scheint fast, als seien die politischen Fragen während der Karnevalszeit in den Hintergrund getreten. Und zuweilen zeigte der preußische Monarch eine Seite, die man bei ihm nicht vermuten würde. Er begeistert sich für die Feigenbäume im Herzogingarten und bewundert die Exotensammlung. Spontan speist er mit dem Grafen von Manteuffel, dem ehemaligen Sächsischen Gesandten in Preußen, und es wird die Freundschaft beider Länder beschworen. Auch Schloss Übigau im Westen von Dresden spricht den König an. So sehr, dass er den Wunsch äußert, weitere Schlösser in Pillnitz und Sonnenstein, in Pirna und Königsstein zu besichtigen. Zumindest bei den beiden letztgenannten wird auch das militärische Interesse eine Rolle gespielt haben.

Nachdem der preußische Besuch den letzten Tag im Jagdschloss Moritzburg verbrachte, verließ am 12. Februar eine Kutsche das Schloss in Richtung Norden und der Legende zur Folge lehnte sich der Monarch aus dem Gefährt und sprach, während er dem Schloss einen Handkuss zuwarf, die folgenden Worte: „Gott behüte dich, mein liebes Dresden.“

Andreas Dubslaff, geboren in Potsdam, ist Kunsthistoriker und lebt in Dresden

Weitere Informationen zum Programm unter: www.musikfestspiele-potsdam.de

Andreas Dubslaff

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