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Wäre unglücklich, wenn jemand sagt, er wäre ein besonderer Mensch. Der Regisseur Egon Günther bei der Buchpräsentation in der Hochschule für Film und Fernsehen.

©  Manfred Thomas

Kultur: Der Spieler

In der Hochschule für Film und Fernsehen wurde die Biografie des Regisseurs Egon Günther vorgestellt

Von Sarah Kugler

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Groß und würdevoll blickt Egon Günther von einer Leinwand herab. Den Blick richtet er irgendwo hinter das Publikum. Seine Hand deutet auf etwas. Vielleicht gibt sie auch eine Anweisung oder unterstreicht einen Satz. Ganz genau kann man es nicht erkennen. Unter der Leinwand an einem schwarzen Tisch sitzt ein anderer, ein älterer Egon Günther. Den Blick direkt an das Publikum gewandt, mit wissenden und gleichzeitig fragenden Augen.

Das über ihm hängende Schwarz-Weiß -Foto bildet das Cover seiner jüngst erschienen Biographie in Lebenszeugnissen „Ich war immer ein Spieler. Egon Günther“, die am Dienstagabend in seiner Anwesenheit im Kinosaal der Hochschule für Film und Fernsehen (HFF) „Konrad Wolf“ in Babelsberg vorgestellt wurde. Herausgegeben wurde das Buch vom Filmmuseum Potsdam und ist Teil der Schriftenreihe der Defa-Stiftung.

Egon Günther war in der DDR als Regisseur für das Filmstudio Babelsberg tätig und lebte ab 1961 als freier Schriftsteller und Regisseur in Babelsberg. Mit Filmen wie „Der Dritte“, „Die Schlüssel“ oder „Lotte in Weimar“ wagte Günther den Aufbruch zu einem neuen Kino. Zusammen mit der Schauspielerin Jutta Hoffmann wandte er sich großen literarischen Stoffen zu wie in „Abschied“ oder „Erziehung vor Verdun“. Er hatte immer wieder mit der Zensur in der DDR zu kämpfen und verließ diese 1978 nach starker Kritik an seinem Film „Ursula“. Erst 1990 kehrte er zurück. Günther wirkte außerdem als Dozent an der HFF Babelsberg. Als Regisseur erhielt er unter anderem den Silbernen Löwen von San Marco für den Film „Der Dritte“, den Adolf-Grimme-Preis für den Fernsehfilm „Lenz“, den Fipresci-Preis der Berlinale für den Film „Wenn du groß bist, lieber Adam“ sowie 1999 den Ehrenpreis des Deutschen Filmpreises in Gold für sein Gesamtwerk.

Die Autorinnen Ingrid Poss und Dorett Molitor stellten aus Günthers Vorlass einen Dokumentenband zusammen, der Einblicke in Leben und Werk des Filmemachers gibt. Diese Aufgabe erwies sich als schwierig, da Günther anfangs der Meinung war, er hätte kein passendes Material. Erst als er einen alten Bauernschrank in seinem Haus öffnete, fand er zahlreiche Dokumente. Von Kinderzeichnungen bis hin zu schriftlichen Äußerungen Günthers, die zum großen Teil mit in das Buch eingeflossen sind. Neben Einblicken in Drehbücher und Filmkritiken bietet das Werk zahlreiche Essays, Briefe, und Fotografien, welche sein Leben, sein Werk, seine Zeit und die Frage, was Film heute sein könnte, beleuchten. Besonders beeindruckend ist dabei ein Fax an Frau Professor Doktor Keiko Yamane der Hosei Universität in Tokio, in dem Günther in kurzen, stichpunktartigen Sätzen sein Leben wiedergibt. Leise klingen dort philosophisch-kritische Töne durch, die heute fast immer noch aktuell sind und deutlich machen, dass Egon Günther auch ein talentierter Schriftsteller ist.

Davon will der 86-Jährige allerdings wenig wissen, wie er im kurzen Gespräch mit Fred Gehler, der auch das einleitende Essay zu dem Buch geschrieben hat, am Dienstag deutlich machte. „Ich bin nicht anders als Sie“, so Günther. „Ich wäre unglücklich, wenn jemand sagt, ich wäre ein besonderer Mensch.“ Im Verlauf des Gesprächs ging der Filmemacher weniger konkret auf das Buch und seine Aspekte ein, sondern äußerte sich eher philosophisch zu seinem Dasein als Autor. Immer wieder betonte er, dass er die Genialität des Schreibens nicht erklären könne. „Was man als Autor macht, begreift man eigentlich selber nicht“, sagte er. „Irgendwie ist es zu uns gekommen, dass die Welt eine ganz komplizierte Geschichte ist und dann schreibt man vor sich hin aus Lust und Liebe. Aber warum das dann etwas taugen soll, ich weiß es nicht.“ Er erklärte, dass ein Autor ständig auf der Suche sei und den Fragen „Warum leben wir?“ und „Was passiert gerade dort draußen?“ nachginge. Die große Menge von Menschen, die etwas sagt, ohne etwas zu sagen, das sei sein Hauptinteresse. Immer wieder richtet er dabei seinen Blick fragend an das Publikum. Fast so, als erwarte er Antworten aus den dicht besetzten Reihen. „Sie alle sitzen hier und hoffen, Sie können etwas lernen, das können Sie bei mir nicht“, sagte er dann mit einem feinen Lächeln. „Diese Veranstaltung hat vielmehr die Aufgabe, auch mich zu verbessern.“ Als das Publikum daraufhin applaudiert, fügte er verschmitzt hinzu, dass er immer das Gefühl hätte, dass eine große applaudierende Menge mehr wisse als er. Trotzdem sei es ein großes Vergnügen, mit so vielen Menschen zusammenzukommen. „Ich würde gerne Stunde um Stunde so etwas sagen, manchmal Unsinn, manchmal nicht“, sagte er abschließend. „Aber ich habe nicht so viel Feuer im Rücken, um so viele Leute zu befriedigen.“ Wenn er dabei mit festem Blick in das Publikum schaut und der Schalk in seinen Augen aufblitzt, möchte man das allerdings kaum glauben.

„Ich war immer ein Spieler. Egon Günther“ ist im Verlag „Neues Leben“ erschienen und kostet 24,99 Euro

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