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Abreibungen von Grabplatten aus St. Severi. Manfred Butzmann unter seinen Frottagen, aus der Erfurter St. Severikirche, die derzeit in einer Werkschau zu seinem 70. Geburtstag im Kunstmuseum Dieselkraftwerk in Cottbus zu sehen sind.

©   DKW Cottbus

Kultur: Der Spurensucher

Begegnung mit Manfred Butzmanns vielfältigen Kunstäußerungen in Bornim und Cottbus

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Im Haus Manfred Butzmanns in Bornim kann man zwar seine eigene Kunst derzeit auch erleben, doch der größte Teil befindet sich in diesen Wochen im Kunstmuseum Dieselkraftwerk Cottbus. Dort ist eine Werkschau mit dem Titel „Die ganze Heimatkunde“ zu sehen, die anlässlich seines 70. Geburtstags am 14. September ausgerichtet wird, jedoch schließt sie bereits vier Wochen zuvor ihre Pforten. Beim Gang durch die Cottbuser Ausstellung wird vor allem deutlich: Das künstlerische Oeuvre Manfred Butzmanns ist von fast überbordender Fülle. Malerei, Aquarelle, Zeichnungen, Druckgrafiken, Abreibungen, Plakate oder Buchillustrationen geben sich ein Stelldichein, kein gemütlich-idyllisches, sondern eines, das aufrüttelt, zum Nachdenken inspiriert und manchmal auch unterhalten will.

In Potsdam, wo er geboren wurde und zur Oberschule ging, wurde sein künstlerisches Talent zunächst von der Kunstpädagogin und Künstlerin Suse Globisch-Ahlgrimm sowie dem Caputher Maler Magnus Zeller gefördert. Sein Grafikstudium absolvierte er an der Kunsthochschule Weißensee bei Werner Klemke, Arno Mohr und Klaus Wittkugel. Es war die Zeit, in der Manfred Butzmann zu einem bekennenden Berliner wurde.

Vor fünf Jahren kehrte der Künstler wieder in sein elterliches Haus am Bornimer Katharinenholz zurück. „Ich bin begeistert, wie großartig sich Potsdam entwickelt. Allein der Wiederaufbau des Stadtschlosses ist toll. Seine Architektur hat nichts Piefiges an sich, sondern ist von einer Schönheit, die mich an Bauten in Rom erinnert“, sagt Butzmann. Es sind aber nicht die kunstvollen Parks und Schlösser, die ihn als Maler anziehen, sondern die stille Landschaft in und um Bornim mit ihren Wiesen, Teichen, Wäldern und den alten Häusern dazwischen. Auch der Wechsel von Licht und Jahreszeiten. Im Butzmann-Haus sowie in der Cottbuser Ausstellung findet man einige seiner Bornimer Landschaftsaquarelle, die fast Nüchternheit ausstrahlen. Sich selbst nimmt er dabei weit zurück. Der melancholische Eindruck überträgt sich auf den Betrachter vor allem durch den spezifisch dunklen Farbklang, doch er drängt sich nicht auf. Die Grafiken sind ebenfalls von Einfachheit durchdrungen. Auch hierbei lässt der Künstler kein Pathos aufkommen. Die Blätter erzählen von bedrückenden Erfahrungen und Erinnerungen an den Wehrdienst bei der Nationalen Volksarmee sowie vom geteilten Berlin.

In Manfred Butzmanns Arbeiten wird man in einen Dialog mit hineingezogen. Vor allem mit den Plakaten. Er nahm und nimmt seine Betrachter mit auf seine heimatkundlichen Entdeckungen in Sachen Umwelt oder Denkmalschutz, die Kritikwürdiges nicht zukleistern, sondern aufdecken. Mit scharfem Sarkasmus, beißender Ironie. Zu DDR-Zeiten kamen die Plakate bei den Oberen nicht gut an. Beispielsweise 1987 bei Erhard Krack, dem Ostberliner Oberbürgermeister. Der entdeckte eine Ausstellungsankündigung in Wernigerode mit dem berühmt gewordenen Plakat „Kein Platz für Bäume“, die sterbende und abgestorbene Bäume in der Berliner Schönhauser Allee zeigten. Das hatte ein Nachspiel. Krack beschwerte sich beim höchsten Parteisekretär Ostberlins, Günter Schabowski. Der bestimmte dann: „100 gedruckte Plakate richten weniger Schaden an als verbotene.“ An die Auflage von 100 musste sich Butzmann, den man auch als „Ein-Mann-Bürgerbewegung“ bezeichnete, richten. Hartnäckig wie er ist, erreichte er in einem persönlichen Gespräch mit Schabowski die Rücknahme des Verbots.

Sein jüngstes Plakat-Motiv fand Butzmann im Magdeburger Dom. An einer schmalen Treppe, die zum Hohen Chor führt, ist ein Schild mit dem Hinweis angebracht: „Vorsicht beim Aufstieg u. Abstieg“. Das Plakat, das Butzmann druckte, bedachte er noch mit dem hintergründigen Vermerk: Gilt überall und immer. „Die ständigen Rücktritte und Entlassungen von Politikern oder von obersten Polizeibeamten haben mich dazu angeregt, solch ein Plakat zu machen“, erzählt er in seinem Bornimer Atelier. Manfred Butzmann mischt sich nach wie vor mit künstlerischen Mitteln in die aktuelle Politik ein. „Dabei ertappe ich mich, dass ich heute wohl nicht mehr so aggressiv bin wie zu DDR-Zeiten, doch kritisch und nachdenklich will ich auf alle Fälle sein.“ Damals brauchte es mehr Mut, die Handlungen von Politikern und deren Auswirkungen auf die Menschen nicht zu bejubeln. Heute hat der überdimensionierte Medienrummel oft kein Auge und Ohr für derartige Äußerungen.

Vor einigen Tagen weilte Butzmann wieder einmal in der St. Severikirche in Erfurt, oben auf dem Domberg, dem Wahrzeichen der Stadt. Das Ergebnis dieser Reise konnte man nun beim Künstler in Bornim begutachten: ein großformatiges Blatt mit verschiedenen Köpfen. „Ja, das sind Frottagen, Abreibungen von Grabplatten aus St. Severi. Wohlhabende Erfurter Bürger haben sich dort vor einigen Hundert Jahren beisetzen lassen. Tausende Menschen gehen Tag für Tag darüber, hinterlassen ihre Schuhabdrücke auf den steinernen Totengedenken.“ Die Vielfalt der abgeriebenen Köpfe erzählt auch von den jungen und alten Menschen, die hier zur letzten Ruhe gebettet wurden.

Die Cottbuser Ausstellung zeigt Butzmanns Abreibungen in Vielzahl und großen Formaten. Diese alte Drucktechnik, die Max Ernst um 1925 für die bildende Kunst wieder neu entdeckte, gehört auch zu Manfred Butzmanns Lieblings-Kunst-Beschäftigung. Mit Seidenpapier und Druckfarbe zieht Manfred Butzmann in Hausflure, Museen, Kneipen oder auf jüdische Friedhöfe. Spuren der Geschichte, die alte Tische, Türen, Dielen oder Steinböden verbergen, werden mit den Frottagen wieder ans Licht geholt – Heimatkunde eben.

„Die ganze Heimatkunde. Werkschau Manfred Butzmann“ noch bis zum 19. August im Kunstmuseum Dieselkraftwerk Cottbus

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