zum Hauptinhalt

Kultur: Der Suchende Der unbekannte Bestseller auf der Bühne

Im Gespräch mit dem Schauspieler Moritz Führmann, der den jungen Faust von Goethe spielt Uwe Eric Laufenberg inszeniert „Die Satanischen Verse“ von Salman Rushdie in einer Fassung des Hans Otto Theaters

Stand:

Die Geschichte beginnt im Himmel: „Die Sonne tönt nach alter Weise /In Brudersphären Wettgesang“. So singen die Erzengel. Auf der Erde unter den verführbaren Menschen setzt sich die Geschichte dann fort, um schließlich auf verschlungenen Wegen an ihren Ausgangspunkt zurückzukehren. Aber da wären wir bereits schon bei „Faust – der Tragödie zweiter Teil“. Das Hans Otto Theater wird „nur“ den ersten Teil der Tragödie auf die Bühne bringen. Getreu dem Slogan „Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen“ hat sich die Bühne wieder einmal zu einem Premieren-Marathon entschieden, bei dem die gezeigten Stücke auf einen Nenner zu bringen sind: Metamorphosen. Neben Goethes „Faust“ werden als Uraufführungen Salman Rushdies „Die Satanischen Verse“ in einer Dramatisierung von Uwe Eric Laufenberg und Markus Mislin sowie „Der Zufriedene“ von Katharina Schlender gezeigt. Also: „Greift nur hinein ins volle Menschenleben“. Denn davon ist sicherlich in allen drei Stücken viel zu spüren: „und wo ihr“s packt, das ist“s interessant“. Uwe Eric Laufenberg inszeniert den „Faust“ und „Die Santanischen Verse“, Sebastian Wirnitzer das Schlender-Stück, das von einem Menschen erzählt, der sich dem allgegenwärtigen Streben nach Leistung und Glück entzieht. Ganz im Gegensatz zu Faust.

Moritz Führmann ist in der Rolle des jungen Faust zu erleben. „Günter Junghans und ich teilen uns die Rollen des Goethe“schen Titelhelden. Er spielt den alten und und ich den jungen Faust. So bleibt, wie ich finde, eine schöne Natürlichkeit in den jeweiligen Gestaltungen“, erzählt Moritz Führmann. „In Faustens Studierstube bin ich noch der Schüler. Faust entsinnt sich später bei seiner Verwandlung durch Mephisto dieses jungen Menschen. Er möchte so ähnlich aussehen wie der Schüler.“ In der Hexenküche wurde ihm ein Sud gebraut, dessen Trank ihm 30 Jahre vom Leibe schaffen kann. „Verführbar ist allein die Jugend“, erklärt Mephisto. Und so machen sich Faust und Mephisto auf Reisen durch unterschiedliche Welten, auch zu Gretchen. Dessen überschaubare Welt ist das Gegenteil zu seinem unruhigen unzufriedenen Dasein. Indem er ihre Liebe in sein Leben zu zwingen versucht, stürzt er das Mädchen ins Unglück.

„Es ist der ganze Faust, von einigen Strichen abgesehen, den wir erzählen. Den suchenden, zweifelnden und verzweifelten Intellektuellen sowie den leidenschaftlich Liebenden.“ Moritz Führmann will noch nicht viel über die Inszenierung verraten. Nur so viel, dass sie sicherlich viele Facetten bereithält. „Ich glaube, dass Laufenberg den Mythos Faust geerdet hat. Das Schöne ist auch, dass er das Stück nicht nur als Tragödie, sondern auch als Komödie inszeniert.“

Die Bühnenlaufbahn des Dramas ist immens, seine vielfältigen Interpretationen nicht minder. „Die meisten Größen der Schauspielkunst waren Faust, Mephisto und Gretchen. Ich habe größten Respekt vor dieser Rolle und möchte in dieser Tradition bestehen“. Führmann erzählt, dass er bereits während seines Studiums an der Leipziger Theaterhochschule im „Urfaust“ schon gespielt habe.

Vor 200 Jahren, zu Ostern 1808, erschien erstmals Goethes „Faust“ als Buch. Dem Dichter begleitete die Geschichte ein ganzes Leben lang. Angefangen von der ersten Begegnung als Puppenspiel in seinen Knabenjahren über das Volksbuch „Historia von D. Johann Fausten“, bis hin zur Lektüre von Marlowes „Die tragische Historie von Doktor Faustus“ ließ ihn der Stoff über den nach Erfüllung suchenden Menschen und dessen Pakt mit dem Teufel nicht mehr los.

Nach der „Faust“-Aufführung am Samstag kann Moritz Führmann keinesfalls eine Ruhepause einlegen. Denn das unablässige Tempo von Inszenierungen der Laufenberg-Ära setzt sich am Sonntag fort. In „Die Satanischen Verse“ spielt er eine kleinere Rolle. „Die Geschichte ist spannend. In ihm wird nicht nur ein Blick in die muslimische Welt geworfen, sondern auch in unsere westliche. Glaube und Zweifel, Kompromisslosigkeit und Anpassung werden gegenüber gestellt.“ Nun dann, um mit Goethe zu sagen: „Der Worte sind genug gewechselt. Lasst mich auch endlich Taten sehn!“ Premieren am Wochenende.

Premiere am 29. März, 19.30 Uhr. Weitere Vorstellungen am 1., 10. und 11. April.

In der öffentlichen Diskussion um die „Satanischen Verse“ des indisch-britischen Schriftstellers Salman Rushdie stört den Theaterregisseur Uwe Eric Laufenberg eines: „Das Buch wird verflucht, verteufelt und verurteilt, ohne dass man es genau kennt“, sagt Laufenberg in einem Gespräch. Tatsächlich ist das Werk vor allem wegen der Morddrohungen radikaler Islamisten gegen Rushdie berühmt, der deswegen jahrelang untertauchen musste. Um den Inhalt des Romans in den Vordergrund zu rücken, bringt Intendant Laufenberg „Die Satanischen Verse“ erstmals im Theater auf die Bühne. Das Stück feiert am 30. März seine Uraufführung im Hans Otto Theater Potsdam.

In „Die Satanischen Verse“ fallen zwei Inder, der Schauspieler Gibril und der Stimmenimitator Saladin, nach der Explosion eines Flugzeuges über London vom Himmel. Gibril wandelt sich nach dem Absturz zum Engel, Saladin zum Satan. Am Beispiel von Gibril und Saladin philosophiert Rushdie über Religion und Mystik, die westliche Welt und den Islam, Glaube und Zweifel, Macht und Geld, Realismus und Utopie, Liebe und Tod. Er begleitet seine Protagonisten durch die moderne sowie durch die archaische Welt. In die Erzählung über Gibril und Saladin eingebettet ist die Geschichte des islamischen Propheten Mohammed, der im Roman Mahound heißt.

Mit seiner Darstellung des Mohammed handelte sich Rushdie den Zorn der Muslime ein. 1989 belegte ihn der iranische Staatschef und Religionsgelehrte Ayatollah Khomeini mit einer Fatwa. Damit wurden Muslime auf aller Welt zur Tötung des Schriftstellers aufgefordert. Auch Verlage wurden bedroht und Übersetzer ermordet. Der heute 60-Jährige, der zur Symbolfigur des „Kampfes der Kulturen“ wurde, lebte mehrere Jahre unter Polizeischutz und an ständig wechselnden Wohnorten. In Indien und islamischen Ländern wurden „Die Satanischen Verse“ verboten. In Deutschland wurde die Übersetzung von einem eigens gegründeten Kollektivverlag herausgegeben.

Als der Autor Günter Wallraff im vergangenen Jahr plante, in einer Kölner Moschee aus den „Satanischen Versen“ zu lesen, wurde er nach eigener Aussage von islamistischen Extremisten mit dem Tod bedroht. Und so mag man den Theatermacher Laufenberg wahlweise mutig und aufklärerisch oder auch verrückt nennen. Denn auch seine Inszenierung könnte Proteste von Muslimen auslösen - man denke an den Mohammed-Karikaturenstreit, die Absetzung der Mozart-Oper „Idomeneo“ an der Deutschen Oper Berlin aus Angst vor islamistischen Anschlägen oder jüngst die Schließung einer Satire-Ausstellung der dänischen Künstlergruppe „Surrend“ in Berlin. Die die Leitung des Hans Otto Theaters und die Potsdamer Polizei haben deshalb auch über mögliche Gefährdungen miteinander gesprochen.

Laufenberg betont jedoch, Sicherheitsbedenken hätten weder er noch sein Schauspielteam. „Ich denke, dass wir uns in einer freien Gesellschaft bewegen, die uns notfalls schützen würde“, sagt er. Und falls ihm Kritiker vorwerfen, er provoziere Gewalt und habe sich doch auch ein anderes Stück aussuchen können, hat er schon eine Antwort aus den „Satanischen Versen“ selbst parat: „Die Aufgabe des Künstlers ist, dass Unnennbare zu benennen, Betrug aufzudecken, Stellung zu

beziehen, Auseinandersetzungen in Gang zu bringen, die Welt zu gestalten und sie am Einschlafen zu hindern.“

Die 720 Seiten dicken „Satanischen Verse“ sind übrigens keine leichte literarische Kost und es darf als Kunststück gelten, den Roman beim ersten Lesen vollends zu verstehen. Laufenberg, der sich ziemlich genau an die Romanvorlage hält, ist jedoch überzeugt, seinem Publikum nicht zu viel zuzumuten.

„Das Buch wird gerade in der Anschauung, wenn es von Schauspielern in konkreten Situationen gespielt wird, sehr viel deutlicher als beim Lesen“, sagt er. „Man kann also mit weniger Anstrengung im Theater ein Buch kennenlernen, das weltberühmt ist und das nur wenige kennen.“ Nadine Emmerich

Premiere am 30. März, 15 Uhr. Weitere Vorstellungen am 2. April, 8. April, 12. April, 23. April, 8. Mai, 15. Mai und 23. Mai gezeigt.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })