Kultur: Der Traum von Arkadien
„I Confidenti“ spielt im Schlosstheater im Neuen Palais das Pasticcio „Pastorale a Sanssouci“
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Vom Burlesken ließ sich der Adel zur Zeit des Rokoko immer wieder anziehen. Denn trotz aller Künstlichkeit in Lebenskultur und Gehabe, sehnte man sich zur „Erholung“ nach Natürlichkeit, nach einem Arkadien, wo man sich ganz den schönen Dingen des Lebens in Freundschaft und Frieden hingeben konnte. Man blieb jedoch unter sich. Auch der Park Sanssouci mit seinen Schlössern, Skulpturen und Gemälden ist das Abbild eines erträumten Arkadiens. Besonders Friedrich der Große hat sich in dieses unwirkliche Land gern hineingeträumt.
Dem Besucher von Sanssouci wird dem so stimmigen Klang von Architektur und Gartenkunst nun noch ein weiterer hinzugegeben, so dass ein Dreiklang entsteht: das Musiktheater. In diesem Sommer öffnet die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg das friderizianische Schlosstheater im Neuen Palais 15 Mal für „La Pastorale a Sanssouci“ – musikalische Szenen, für die die Potsdamer Theatergruppe „I Confidenti“ verantwortlich zeichnet.
Am Pfingstsonntag fand die heftig beklatschte Premiere statt. Die Besucher erlebten in knapp 75 Minuten Kompositionen, die am Hofe Friedrich des Großen geschrieben wurden: von Carl Heinrich Graun, einem berühmten Opernkomponisten seiner Zeit, von dem heute unbekannten Johann Gabriel Seyffarth, der ein Mitglied der Hofkapelle des preußischen Königs war, sowie von Friedrich II. selbst. Aus Kantaten, Arien und Balletteinlagen hat Dramaturg Carsten Niemann ein Pasticcio zusammengefügt, ein Spiel mit Verwandlungen. Eine Dame und ein Kavalier treten mal als Jagdgöttin Diana und als Musengott Apollo, dann als Schäferin Doris und als Hirt Adimanto auf. Kleine und neckische Liebeständeleien und Eifersüchteleien halten sich die Waage.
Aufbrausende Leidenschaften finden nur in der spannungsreichen Musik statt, kaum in der Szene. In ihr werden die Emotionen im Zaume gehalten, durch malerische Gesten und Blicke angedeutet. Nur dem burlesken Satyr (Steffen Findeisen), der als Fädenzieher für die Auftritte der Liebespaare fungiert, wird etwas mehr spielerische Freiheit gewährt. Regisseur Nils Niemann (unterstützt von der Choreographin Jutta Voß) benutzt für seine Inszenierung Notationen für Schauspieler und Tänzer, die im 18. bzw. Anfang des 19. Jahrhunderts entwickelt wurden. Wenn man die Darsteller im Schlosstheater erlebt, so meint man, hier feierten unbeholfene Personenregie und veraltete Standardgestik fröhliche Urständ. So sehr hat man sich schon auf das heute so oftmalige „Zerstören“ alter Stücke beim Regietheater gewöhnt. Wenn man sich auf die „historische Schauspielkunst“ dann eingelassen hat, erlebt der Zuschauer ein schönes Miteinander von Wort, Klang und Geste, der man sich aber hin und wieder doch ein bisschen mehr ironische Doppelbödigkeit gewünscht hätte. Die pure Schönheit der Körpersprache verursacht eine Ferne, eine Künstlichkeit, zu der man keine Beziehungen aufbauen kann. Zur Musik schon bedeutend mehr.
Für ihre instrumentale Interpretation konnte das Ensemble Sans Souci aus Berlin gewonnen werden. Die sieben Damen und Herren reizten unter der Leitung von Irmgard Huntgeburth (Violine) die Fassetten der friderizianischen Hofmusik voll aus. Mal vernahm man einen herben Klang, dann war er wieder fein ziseliert. Und stets war Musizierfreude dabei. Die hatten auch die Sopranistin Dana Marbach und der Countertenor Robert Crowe. Ihre Partien stellen hohe Ansprüche, die sie mit wunderbarer Vokalkultur – koloraturgewandt und mit lyrischer Stimmgebung – überaus achtbar bewältigten. ChristineJaschinsky war wieder für Kostüme und Bühnenbild verantwortlich. Ein großer bemalter Prospekt zeigt eine Parklandschaft mit Tempel, Hecken und Laubengang. Man war schon selbst versucht, sich in diesem grünen Labyrinth zu verstecken und zu spielen. Von besonderem Zauber sind die edlen Rokokokostüme, die immer wieder den Darstellern schnelle optische Verwandlungen ermöglichen.
Eine sehens- und hörenswerte Sommer-Pastorale a Sanssouci, die bis in den September hinein gespielt wird.
Weitere Aufführungen: 18. Mai und 23. Mai, 16 Uhr
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