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Kultur: Der Traumtänzer

Die erste Ausstellung des Malers Ralf-Günter Krolkiewicz: „mal-aria“

Auf den ersten Blick wirkt dieser „Circus Rosa“ wie eine fröhliche Harlekinade, voller Wärme und Ursprünglichkeit – eingerahmt von bunten Party-Lichtern. Doch auf den Gesichtern liegt eine bleierne, traurige Melancholie. Der verrenkte Clown mit dem Dreispitz wendet sich ab von der Mutter, die ihr Kind behutsam in den Armen wiegt. Er hat seine eigenen Sorgen zu tragen. Die kleine Rosa guckt indes aus ihrer beschützten Umarmung neugierig und zugleich verdutzt in die Welt. Auch sie ein kleiner Clown.

Dieses Bild in der heute eröffnenden Ausstellung „mal-aria“ erzählt viel über Ralf-Günter Krolkiewicz: über den Theatermann, der nach dem Ausbruch seiner Krankheit zum besessenen Stückeschreiber wurde und jetzt mit 51 Jahren auch die Malerei für sich entdeckte.Ungestüm und exzessiv. Der kleine Clown auf seinem „Circus“-Bild ist Tochter Rosa. „Mein großes, spätes Glück. Sie fängt jetzt an zu laufen, während ihr Papa mitunter wie ein Kleinkind auf allen Vieren krabbeln muss“, erzählt der an Parkinson Erkrankte freimütig über den Schatten seines Lebens, der ihn wie eine Zange fest im Griff hält und doch die künstlerische Vitalität nicht bremsen kann. Denn Krolkiewiczs Bilder besitzen Kraft und Dynamik, zeugen von einer aufgewühlten Seele. So wie er in nur zwei Jahren zwanzig Stücke schrieb, malt er sich jetzt wie ein Teufel die Bilder aus dem Leib: In nur vier Monaten entstanden über hundert Arbeiten. „Wenn ich nicht laufen kann, stürzt sich die Kunst auf mich.“

Dabei verweigerte er sich sein Leben lang immer strikt der Malerei: „Auch als ich in der Klinik war und dort an der Gestaltungstherapie teilnehmen sollte. Großmäulig lehnte ich das Deckchenmalen ab. Ich wollte meiner Krankheit allein auf die Spur kommen.“ Doch heimlich begann er dann doch, am Computer Grafiken zu zeichnen. Wieder zu Hause schrieb und malte er für seine Tochter Bildergeschichten. Bis er eines Tages im Gartencenter stand und in der Künstlerabteilung Pinsel und Leinwände kaufte und wie besessen drauf los malte.

„Keiner glaubte anfangs, dass die Bilder von mir wären. Ich bekam viel Zuspruch und konnte gleich einige Arbeiten verkaufen. Und anders als beim Schreiben, das immer mit Selbsterkenntnis verbunden ist und einen kaputt machen kann, ist das Malen entlastend. Dennoch kann ich auch mit dem Schreiben nicht aufhören, obwohl es schmerzt wie beim Freilegen von Zahnhälsen.“ Er verordnete sich selbst, weder seine Zeit im Stasi-Gefängnis noch seine Krankheit zu malen, obwohl er beides nicht ganz verbergen kann. Seine drei Bilder „Nepper, Schlepper“ erinnern an den Prager Fenstersturz, an Meinungskriege, die mit Gewalt und psychischem Druck ausgetragen werden. Aus anderen Bildern klingt wiederum heitere Musik, dirigiert der Maler die bunte Szenerie. Man spürt den Theatermann, der die Bühne zu füllen versteht. „Nach dem Abschied vom Hans Otto Theater vor drei Jahren hatte ich plötzlich den ganzen Tag Zeit. Ich habe lange gebraucht, ihr einen neuen Sinn zu geben und mich nicht von der Krankheit auffressen zu lassen. Doch das Theater fehlte mir nicht. Ich hatte mich in meiner Zeit als Intendant oft gefragt, ob das alles gewesen sein soll.“ Vielleicht erzählt sein „Junger Schauspieler“ davon, der eingepresst wie in einem Korsett eher abgeklärt als jugendlich-frisch wirkt.

Immer wieder sind es die Narren, denen er ein Podium gibt. Die große malerische Vitalität verrät nichts davon, dass der Maler oft verkrampft vor der Leinwand sitzt und die Hand ihm nicht gehorchen will. „Man lernt aber, sich auf den Strich zu konzentrieren.“ Oft malt er die ganze Nacht hindurch, flieht den düsteren Träumen. Sein „Traumtänzer“ ist von letzter Nacht: „Damit habe ich mich auf unser Gespräch vorbereitet.“ Auch dieses Bild strotzt vor Kraft und wirkt trotz der Ungeschicklichkeit des Clowns durchaus elegant. Es erzählt aber auch von Verlorenheit: „von einem Sich-Gesund-Träumen“. Ganz in Gold. Auf seinem „Selbstporträt“ ist Krolkiewicz selbst nicht zu sehen oder nur als Schatten hinter dem Fenster: Auf dem Schreibtisch ist indes alles versammelt, was seinen Tag ausmacht: die Brille, das Buch, die Teetasse, die Medikamente. Daneben auf dem Bild sitzt einsam hinter einem langen Tisch ein glatzköpfiger Mann und schaut über das Glas Rotwein hinweg in die Leere. „Nicht Ich“, so der Titel. Malen macht für das begnadete Multitalent großen Sinn. „Wenn die Bilder anderen gefallen, freue ich mich. Ich brauche das scheinbar.“ Oft singt und pfeift er während der Arbeit. Und manchmal muss er auch laut lachen. „Ich will fröhlich sein und nicht, dass die Krankheit einen Schatten über unser Haus legt.“ Dennoch wirken die Bilder nicht heiter angeschafft. Der Umzug der in Orange gehüllten Buddhisten oder der entspannt unter einem Olivenbaum Musik hörende alte Mann atmen durchaus Sonne durchtränkte Leichtigkeit. „Ich arbeite mein Leben auf, das voller Bilder ist.“ Dazu braucht er nicht das reale Vorbild der Natur: „Ich male aus dem Gedächtnis.“

Und das Malen falle auch wieder aufs Schreiben zurück, „es wird witziger, wie ich gerade an meinen Havelländischen Miniaturen merke, die aus knappen, absurden Dialogen bestehen.“ Sie folgen einem Auftrag über sein sehr persönlich gefärbtes Stück zu Jeanne d“Arc für das Staatstheater Wiesbaden, das im März Uraufführung hat. Und auch wenn er jede Zeile, jedes Bild der Krankheit abringen muss: „Wenn man gewinnt, macht es Spaß. Ich kann nicht wirklich auf die Krankheit fluchen. Gott gibt und Gott nimmt.“

Ab heute, 20 Uhr, im Art Market, Luisenforum, Hermann-Elflein-Straße 18 b.

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