
© Andreas Klaer
Von Heidi Jäger: Der Überflieger
Heute öffnet die Ausstellung „Sperlzeug“ im HBPG / Eine pointierte Zeitreise durch 60 Jahre Rainer Sperl und die deutsche Republik
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Stolz, fast ein bisschen hochnäsig, sitzt er in seiner Rennpappe: dem Trabi 500 „de luxe“. Schon von weitem sieht man das Plakat durch den Torbogen des Kutschstalls für das „Sperlzeug“ werben und unschwer lässt sich die wie in einer Fischbüchse eingeklemmte Fahrerfigur als Rainer Sperl ausmachen. Das treue Gefährt kaufte der Potsdamer Künstler 1976 zum Abschluss seines Innenarchitekturstudiums an der Fachhochschule für Angewandte Kunst in Heiligendamm vom Hausmeister ab. Und fuhr ihn mitten hinein ins berufliche Leben, das ihn erst in die Babelsberger Filmstudios, später ins Kabarett und letztlich in das Galeristen- und freie Künstlerleben führte.
Es waren zumeist beglückende Fahrten, zu denen der gebürtige Sachse in seinen verschiedenen Gebrauchtwagen durchs kleine Ländle aufbrach. Die heimatlichen „Serpentinen“ wurden ihm indes fast zum Verhängnis. Als er mit Frau Ursula im „Wagen“ saß und mitten auf der Kreuzung das linke Vorderrad brach. Es passierte nichts, signifikant für seine 60 Jahre Leben in Deutschland, davon 40 in der DDR. Es gab Glücksmomente und Schrecken, „aber ich bin unbeschadet durch die Zeit gekommen“.
Die heute Abend im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte beginnende Ausstellung erzählt wie ein gutes Stück Kabarett deutsche Geschichte, persönlich gefärbt, mit Hintersinn und passgenauen Titeln ummäntelt. Hier sitzt jede in Ton geformte Pointe hieb- und stichfest und ist im wahrsten Sinne greifbar. Denn an einigen der schelmisch und zugespitzt auftrumpfenden Kuriositäten darf man auch selbst Hand anlegen. Wie an dem alten Omega-Staubsauger, der noch immer wie eine Kettensäge knattert und nun zum Düsenantrieb für die „Rasende Ratte“ wird.
Sperl stapft querfeldein über den deutsch-deutschen Acker, wie „Der scharfe Vogel“, stolz und in schönster Eleganz, doch mit Sensenschnabel und messerscharfem Blick zurück. „Gedankenklau“, nennt er seine Montage aus einem alten Steppke-Staubsauger der Marke VEB J.W. Stalin und seinem stumpfsinnig dreinblickenden Tonkopf, dem der Geist offensichtlich schon völlig abgesogen wurde. Das Kabel liegt wie eine Fessel um seine Brust. Der große Udo schaut indes im „Sonderzug nach Pankow“ freiheitsliebend über die Mauer, „nur der kleine Honni, der mag das nicht“.
Altes Zeug, auf die Müllhalde geschmissen, wird unter Sperls ausschlachtender, feinsinniger Hand zu sprechenden „Zeitzeugen“, wie die Ampelmännchen: die in Rot hinter der Mauer bleiben, während ein grünes den Sprung hinüberschafft. Auch sein „Überflieger“ trotzt mutig dem innerdeutschen Schutzwall. Bis „Der kleine Sonnenuntergang“ in vier Teilen 40 Jahre DDR am Horizont verschwinden lässt. Sperl greift sie auf die großen und kleinen Themen: das Brandenburger Wolfsrudel, dessen Köpfe im Fleischwolf stecken oder „Europa und die Osterweiterung“ auf störrischem Esel und mit grässlich gelben Hauern. „Nichts geht mehr“ ist ein nackter Mann überschrieben, der eine leere Registrierkasse wie ein Büßerhemd trägt.
Am Ende wird es in der putzmunteren, mit 50 extra für die Schau ersonnenen „Frechheiten“ politisch märchenhaft. Da spielt eine vollbusige Miss Europa mit ihren Puppen, die unschwer als Merkel, Steinmeier und Westerwelle zu erkennen sind, gibt es „Die verspätete Post“, gerichtet an den Genossen Staatsratsvorsitzenden mit dem „Absender“ Ausreiseantrag. Währenddessen wäscht die Birthler-Behörde emsig dreckige Wäsche der nackig gemachten, schwarzbebrillten Menschenpyramide. Nur Sperls Rokokostübchen wurde vom Leben überholt: Hier residiert noch das Schlosspaar Platzeck-Wanka. Und man muss sagen: Frau Wanka steht ihr Kostüm prächtig.
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