Kultur: Der „Was-wäre-wenn“-Effekt
Premiere von „Goebbels und Geduldig“ morgen im Hans OttoTheater
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Premiere von „Goebbels und Geduldig“ morgen im Hans OttoTheater Von Michael Kaczmarek Die gesamte Führungsriege des Dritten Reiches sitzt im KZ: Hitler, Göring, Hess und Goebbels. Allerdings sind es ihre jüdischen Doppelgänger, die nach einer Schauspielaufführung zur Machtergreifung Hitlers verhaftet wurden. Sogar die selben Magengeschwüre haben sie wie die Herren auf dem Obersalzberg. Peter Steinbach entwickelt diese Gedankenspiele in seinem Volksstück „Goebbels und Geduldig“, in dem er ironisch, lakonisch, mit Witz und Humor über den Nationalsozialismus spottet, was bisher nur wenige Deutsche gewagt haben. Bekannt ist dieser Ansatz bei internationalen Filmen: Chaplins „Der große Diktator“, Lubitschs „Sein oder Nichtsein“ und Begninis „Das Leben ist schön“. Nachdem „Goebbels und Geduldig“ bereits als Fernsehfilm vor eineinhalb Jahren in der ARD präsentiert wurde, inszeniert Herbert Olschok am Hans Otto Theater diese tragische Komödie, die morgen um 19.30 Uhr im Theaterhaus Am Alten Markt ihre Premiere feiert. Doch auch wenn der richtige Goebbels in diesem Stück in einer Zwangsjacke im KZ landet, sein jüdischer Doppelgänger auf dem Reichsparteitag in Nürnberg über Wiederaufbau und Kriegsschuld spricht oder Hitler über einen kleinen porzellanenen Foxterrier vor Rührung in Tränen ausbricht, will Olschok das Stück nicht als Komödie verstanden wissen. „Es ist als ob man zu einem Schenkelklopfer ausholt, die Hand herunterfährt und auf einem Nagel landet“. Die Geschichte soll zum Lachen animieren, und selbiges doch im Halse stecken bleiben. „Wenn über Goebbels und Co gelacht werden kann, dann werden die Figuren sympathisch“, ist der Regisseur überzeugt „und dann plötzlich bekommt man einen Schreck“. Und genau das hat sich Olschok vorgenommen: „Der Zuschauer soll die Figuren in sich selbst begreifen“. Provozierend wie diese Aufforderung soll auch das „deutsche Volksstück“, das „vom Professor bis zu Tante Emma“ alle ansprechen will, auch beim Publikum ankommen. Ebenso wie der Autor des Stücks, begibt sich auch Olschok auf gewagtes Neuland, denn den Deutschen fällt es schwer, über sich und vor allem über diese Schreckenszeit zu lachen. Nicht umsonst heißen die zwei kürzesten Bücher „English cook book“ und „German joke book“, ruft Olschok in Erinnerung. Um sich seiner Goebbels-Rolle anzunähern, hat sich Hauptdarsteller Philipp Mauritz originales Filmmaterial angesehen, die Reden von Goebbels angehört und dessen Gestik und Mimik einstudiert. Sicher gehört Harry Geduldig im Stück zu den fähigsten Nazi-Doppelgängern, die in einem SS-Sonderlager für den „Fall der Fälle“ von Himmler gehalten werden. Er schafft es schließlich als falscher Goebbels, aus dem Lager auf den Obersalzberg zu kommen und seine Schauspielerkollegen ebenfalls in die Freiheit zu befehlen. „Was wäre wenn?“, ist die Frage die sich der Autor, der Regisseur und ab morgen auch der Zuschauer stellen sollen. „Es wäre schön, wenn das Publikum über das Lachen Klarheit gewinnen könnte“, hofft Olschok. Dabei stellt das Stück nicht nur einen historischen Kontext her, sondern basiert auf recherchierte Details, die der Autor Steinbach sarkastisch überspitzt. So sind alle Nazi-Figuren und Hitlers Leibfotograf Hoffmann und auch deren Magengeschwüre belegt. Auch das Attentat, das erst von der internierten Theatergruppe einstudiert wird und wenig später tatsächlich geschieht, steht für die knapp 40 Attentate auf Adolf Hitler. So bleibt „Goebbels und Geduldig“ für den Regisseur eine komödiantische Herausforderung und die Frage nach dem „was wäre wenn“.
Michael Kaczmarek
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