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Fotografische Kammerstücke. Die Bilder von Lisa Wassmann aus der Reihe „Walking On The Moon“.

©  Lisa Wassmann

Kultur: Der Zeit entrückt

Ein Jahr „Red Wall“ im Waschhaus – Neue Ausstellung mit Lisa Wassmanns „Walking On The Moon“

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Da ist diese Farbigkeit, die oft die Bilder von Lisa Wassmann dominiert. Eine Farbigkeit, die die Motive überlagert und sie erst beim zweiten Blick preisgibt. Wenn Lisa Wassmann fotografiert, entstehen Überwältigungsbilder, auf denen das Licht wie eine Sinfonie wirkt. Und die Farben, berührt und entdeckt von diesem Licht, spielen all die verschiedenen Stimmen, all die Melodien dieser Sinfonie. Farben, mal in Moll, mal in Dur.

Für ihre Bilderserie „Walking On The Moon“, die ab Donnerstag in der Reihe „Red Wall“ im Waschhaus zu sehen sein wird, hat sich Lisa Wassmann dieses Mal allein auf die zahlreichen Schattierungen des Moll verlassen. Sie, die das Licht und die daraus resultierende Farbigkeit so schätzt, zeigt in Potsdam ausgewählte Bilder in Schwarz-Weiß.

Für Lisa Wassmann ist die Lesbarkeit von Bildern sehr wichtig. Und diese Lesbarkeit resultiert aus der Farbigkeit. Sei es die Jahreszeit, in der eine Bild aufgenommen wurde oder nur die Tageszeit. Selbst das Alter einer Aufnahme erkennt Lisa Wassmann an den Farben. „Wenn ein Bild in den 70er Jahren aufgenommen wurde, ist das zu sehen“, sagt sie. Auch bei digitalen Bildern sei das möglich. Schwarz-Weiß-Aufnahmen dagegen erschweren diese Zuordnung. Oft ist es bei ihnen sogar unmöglich. Statisch und zeitlos, sagt Lisa Wassmann. Dinge, die ihr nicht so recht behagen wollen.

Dann hat Lisa Wassmann eine Ausstellung eines jungen Fotografen besucht, der ausschließlich schwarz-weiß fotografiert. Diese Bilder haben sie fasziniert. Und sie hat sich gefragt, wie ihre eigene Fotografien in dieser kontrastreichen Farblosigkeit wirken.

Lisa Wassmanns Schwarz-Weiß-Bilder haben noch immer diesen musikalischen Charakter. Aber es ist nicht mehr das große Sinfonische, das jetzt aus ihnen spricht. Sie sind wie Kammermusik. Kleinode, in denen jedes Detail eine eigene, eine kraftvolle Stimme hat.

Durch einen Eintrag auf der „Facebook“-Seite von „Red Wall“ ist Clemens Porikys auf die Fotografin Lisa Wassmann aufmerksam geworden. Ein kurzer Blick auf die Website mit ausgewählten Arbeiten der 29-jährigen Berliner Fotografin genügten ihm. Die wollte er im Waschhaus sehen. Clemens Porikys, neben Lisa Ritscher und Änna Fitzner Gründer und kreativer Kopf hinter dem Projekt „Red Wall“, das mit der Ausstellungseröffnung von „Walking On The Moon“ am Donnerstag sein einjähriges Jubiläum feiert, hat nur kurz nachfragen brauchen. Lisa Wassmann hat sich angeschaut, was bei „Red Wall“ im vergangenen Jahr zu sehen war und dann zugesagt.

Es ist fast schon eine erstaunliche Geschichte, diese Erfolgsgeschichte um „Red Wall“. Und das ab Donnerstag die fotografischen Kammerstücke von Lisa Wassmann, ihre molllastigen Schwarz-Weiß-Lieder diese Erfolgsgeschichte fortsetzen, überrascht nicht. Wenn man ehrlich ist, man hat es nicht anders erwartet.

Mit eigenen Fotografien aus einer „modernen Rock’n’Roll-Hippie-Höhle“, die Clemens Porikys bei einem Besuch in Kopenhagen im Frühjahr 2009 entdeckt hatte, war „Red Wall“ im Januar 2011 gestartet. Der Auftakt für alle zwei Monate wechselnde Ausstellungen im rot gestrichenen Treppenaufgang im Waschhaus. Ein ungewöhnlicher, ein sehr begrenzter Ausstellungsort, den das „Red Wall“-Team vorerst ein Jahr mit junger Kunst bespielen wollten. Im Rahmen der beliebten Konzertreihe „Rubys Tuesday“ wurden diese Ausstellungen immer dienstags eröffnet.

Ging es anfangs vor allem darum, den kahlen Treppenaufstieg zu nutzen – einen Ausstellung mit Bildern von den Konzert der „Rubys Tuesday“-Reihe im November 2009 hatte bei den Besuchern reges Interesse gefunden – wurde bald klar, dass „Red Wall“ mehr war, als nur eine kleine Nische für junge, aber nicht unbedingt ernst zu nehmende Kunst. Nach Porikys Bilder aus der „Rock’n’Roll-Hippie-Höhle“ folgten die ausdrucksstarken Gemälde von Peer Koglin und die feinen, stellenweise fast schon alptraumhaften Kugelscheiberzeichnungen von Julius Ruge. Was aber immer deutlich zum künstlerischen Schwerpunkt von „Red Wall“ wurde, das war die Fotografie.

Lina Gruens „Phantomtage“, Joachim Manuel Rieders kunstvolle „Dancer Portraits“ und dann Rebecca Sampsons Bilder „Aussehnsucht“. Porträts von Patienten, die an Magersucht, Bulimie oder Übergewicht leiden, aufgenommen in der Klinik am Korso, einem Fachzentrum für gestörtes Essverhalten in Bad Oeynhausen.

Die Bedingungen waren für jeden der jungen Künstler immer gleich: Zwischen 16 und 18 Bilder können gezeigt werden, die Rahmengröße ist festgelegt.

Dass „Red Wall“ künstlerisch überzeugt hat, haben die verschiedenen Ausstellungen gezeigt, deren Bilder sich in dem Band „Das Buch zur Red Wall Ausstellungsreihe“ wiederfinden. Das „Red Wall“ sehr schnell mehr wurde, als nur eine Begleiterscheinung von den „Rubys Tuesday“-Konzerten, zeigt der selbstbewusste Wechsel vom Dienstag auf den Donnerstag als Tag für die kommenden Ausstellungseröffnungen. „Am Donnerstag ist Red Wall-Tag“, sagt Clemens Porikys. Mit Vernissage und Videoinstallation, mit einem Konzert von Evol Bum Pearl aus Berlin und anschließender Party. „Red Wall Artist Night“ steht in Großbuchstaben auf dem Flyer.

Lisa Wassmann genießt die besondere Atmosphäre mit dem „Red Wall“-Team. Diese Ausstellung kommt fast schon einer Erholung gleich. Eine begrenzte Auswahl an Bildern, vorgegebene Rahmengröße, was andere vielleicht als Begrenzung empfinden würden, für Lisa Wassmann ist das Erleichterung. Sie liefert die Bilder, gerahmt werden sie vom „Red Wall“-Team und dann gemeinsam in den Treppenaufgang gehängt. Und dann entsteht dieser besondere Zauber, den man wohl nie ausgerechnet in diesem betonkalten, treppensteilen Flur erwartet hätte. Ein Fallen aus der Zeit, ein regelrechtes „Walking On The Moon“, wenn es durch Lisa Wassmanns Schwarz-Weiß-Welt geht. Stille Momente, über da man nicht reden will. Stille Momente, in denen der Mensch sich an Landschaft reibt, an ihr verzweifelt, in ihr versinkt. Keine Schwarz-Weiß-Fotografien, sondern Farbbilder aus dem Archiv von Lisa Wassmann. Sie hat ihnen die Farben entzogen und so aus der Sinfonie Kammermusik gemacht. Bilder, so still und schön, die eine neue, eine andere, eine ganz eigene Sprache sprechen.

Red Wall Artist Night am kommenden Donnerstag mit Vernissage von „Walking On The Moon“, Videoinstallation, Konzert und Party ab 20 Uhr im Waschhaus in der Schiffbauergasse. Bis 21 Uhr ist der Eintritt frei, danach 2 Euro. Der Katalog „Das Buch zur Red Wall Ausstellungsreihe“ kostet 5 Euro. Weitere Informationen unter www.redwall-art.de

Dirk Becker

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