Kultur: „Deutsch nix wichtig“
„Der verkaufte Mund“: Kurt Gawlitta las in der „arche“ aus seinem „Zukunsftsroman“
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Bis zum Januar 2011 ist es nicht mehr lange hin. Dann wird der Bundestag ein Gesetz zur Gleichstellung des Englischen mit der deutschen Heimatsprache beschließen. Die heute noch unbekannte Vorlage will gleichsam eine zweite Amtssprache bei Behörden, Gerichten, Schulen, Wissenschaft und Medien einführen, um den „Erfordernissen der Globalisierung“ nachzukommen. Wahlweise soll das „öffentliche Unterrichtswesen“ entscheiden können, mit welcher Zunge es die Kinder lehrt, genau wie in Rundfunk und Fernsehen. Wissenschaft, Forschung sind, nach jetzigem Stand, dem Entwurf ja bereits voraus. Wer das 65. Lebensjahr vollendet hat, ist noch auf fünf Jahre „berechtigt“, vor Behörden und Gerichten die deutsche Sprache zu verwenden, muss dann allerdings „die Übersetzungskosten“ tragen. Angesichts weithin desinteressierter Bürger ist Widerstand kaum zu erwarten, höchstens von einer Handvoll Intellektueller, wie der Literaturprofessorin Silvia Falk und ihres Freundes Jean-Pierre.
Eine Horrorvision. Was der promovierte Jurist und Pädagoge Kurt Gawlitta letzten Sommer bereits mit sachlichen Argumenten in der „arche“ darstellte, trug er nun am selben Ort in Form eines „Zukunftsromans“ vor. „Der verkaufte Mund“ handelt von der regierungsamtlich geförderten Überfremdung deutscher Identität durch eine globale Lobby, welche den Leuten nach seiner Ansicht einreden will, die neue „Universalsprache Anglikanisch“ – diene dem Wohl des Menschen, der Völkerverständigung und dem Frieden. Alternativlose „Sachzwänge“ ließen einen anderen Weg gar nicht erst zu. Dagegen setzt nun die beherzte Professorin alle ihr bekannten Hebel, auch die Presse, in Bewegung. Der Autor las aus jedem Kapitel des Taschenbuches ein paar Passagen, ließ aber ob des Kaufreizes, das Ende offen. Man weiß also nicht, wie das ausgeht.
Genaugenommen schreibt der Berliner über sich selbst und das, was er in einem international übergreifenden Verein seit Jahren beackert. Er will das Deutsch vor dem „Ausverkauf“ retten, Europa die Sprachenvielfalt bewahren, doch wenn Argumente, Bücher, wirklich nützen würden, hätte er vielleicht schon „gewonnen“. Was er mit den Seinen tut, ist eher ambivalent: Globalisierung und Einführung (längst geschehen) des Anglikanischen in die wirtschaftlichen Prozesse ja, aber die Gesellschaft möge sich doch an das Deutsche halten. Wieder dient ihm Frankreich als Beispiel. Hier sorgt eine reguläre Kommission dafür, dass die öffentlich-staatlichen Bereiche „französisch“ bleiben. Sie müht sich sogar, für neue englische Worte einheimische Entsprechungen zu finden. Die Ergebnisse, von Globalisierungsgegnern belacht, werden in einem Amtsblatt (sic) veröffentlicht. Kurz, der Staat kümmert sich um die Sprache seines Volkes, die ja immer „Identität“ schafft. In Deutschland scheinen Regierung und Parlament eher deren „Abdankung“ anzustreben. Vielleicht, so der Autor, wird man sie eines Tages im „Museum für ausgediente Dialekte Europas“ wiederfinden. Vision oder Realität?
Er ist schon heilfroh, einen Bundestagsabgeordneten gewonnen zu haben, der einen Satz zum Schutz des Deutschen in die Verfassung einbringen will. Nichts Amtliches also, ein Verein muss sich mühen: „Deutsch nix wichtig!“ Für Besucher der ersten Veranstaltung war die Diskussion spannender als die Lesung. Die einen folgten dem Autor, andere begrüßten die zweite Amtssprache im Multi-Kulti-Sinn. Man ist ja ohnehin schon weit vorangekommen. Gerold Paul
Gerold Paul
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