Kultur: „Die einzigen Feste sind gute Bücher“
Die drei größten friderizianischen Bibliotheken wurden bewahrt und können besichtigt werden
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Die drei größten friderizianischen Bibliotheken wurden bewahrt und können besichtigt werden Von Erhart Hohenstein „La bibliothèque c''est l''homme“ schrieb Friedrich der Große und 1770 an Voltaire: „Die einzigen Feste, die ich in meinem Alter schätze, sind gute Bücher.“ Mehr als 7000 Bände hat der König gekauft, geschenkt bekommen und gesammelt. „Die drei größten friderizianischen Büchersammlungen wurden bewahrt und können besichtigt werden“, stellt dazu Hannelore Röhm fest, die zuständige Bibliothekarin in der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten. Im Schloss Sanssouci sind es 2288 Bände, je zur Hälfte aus der kronprinzlichen Bibliothek in Rheinsberg und aus späteren Erwerbungen. Sie tragen auf den Vorderdeckeln den Buchstaben V für Vigne = Weinberg. Die Bücher haben eine Odyssee hinter sich, wurden sie doch 1942 in das Schloss Babelsberg ausgelagert und kamen später in das Salzbergwerk Bernterode. Über verschiedene Zwischenstationen gelangten sie 1957 in das Schloss Charlottenburg. Die Wende ermöglichte im Sommer 1992 die Rückkehr der Bücher in die Bibliothek des Schlosses Sanssouci. Der Besucher kann indes nur einen Blick durch die Tür in die Bibliothek werfen. König als „Wachhund“ Das entspricht der friderizianischen Tradition, denn der König „schlief wie ein Wachhund vor seinen Büchern“, wie Prof. Hans-Joachim Giersberg formuliert hat. Vielleicht hat dazu die schmerzliche Erfahrung beigetragen, dass Friedrichs Vater, König Friedrich Wilhelm I., nach dem missglückten Fluchtversuch des von ihm tyrannisierten Kronprinzen im Jahr 1730 die 3375-bändige Jugendbibliothek nach Amsterdam verkaufen ließ und ihm Bibel und Gesangbuch verordnete. Die Bücher aus dem zerstörten Potsdamer Stadtschloß (Signum P) stehen heute im Schloss Charlottenburg. Selbst ins Feld führte der König eine Reisebücherei aus leicht in Gold- oder Silberpapier gebundenen Exemplaren mit.Verloren gegangen sind dagegen am Kriegsende 700 Bücher aus der Breslauer Bibliothek sowie 450 wahrscheinlich als Kriegsbeute in die Sowjetunion verbrachte Exemplare aus dem zerstörten Berliner Stadtschloss und Charlottenburg. Im Neuen Palais kann Hannelore Röhm, die dafür Sonderführungen nutzt, die Besucher näher an die Buchschätze heranführen, die hier in vier großen aneinander gefügten Schränken in rotes Ziegenleder gebunden stehen und das Zeichen S (= Das Neue Palais von Sanssouci) tragen. Der König folgte damit der auf Einheitlichkeit ausgerichteten Bibliotheksgestaltung des Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm. Die Bücher werden durch eine Drachenskulptur „bewacht“, einem im Palais häufig wiederkehrenden Symbol königlicher Macht. Die ausgeklügelte Lüftung der Schränke hat dazu beigetragen, dass sich die 2417 Bände der 1767 – 1769 eingerichteten Bibliothek im tadellosem Zustand befinden – nur die Rücken sind durch den Sonneneinfall ausgebleicht. Die Bücher wurden im Roheinband aus Pappe geliefert, dann in Leder mit Goldschnitt und Ornamentik auf den Deckelinnenseiten endgültig gebunden. Bis zu 3000 Taler gab Friedrich jährlich dafür aus, je Band etwa drei bis fünf Taler, was dem Monatsgehalt eines Offiziers entsprach. Da der König handliche Formate liebte, ließ er dickleibige Bücher auch umbinden, so eine Geschichte der Kriegstaten Ludwigs des Großen von sieben in 22 Bände. Seine Lieferanten waren der Pariser Bücheragent Thieriot, aber auch Berliner Buchhandlungen wie Haude und Spener. Bücher für“s Regieren Leer sind in der Bibliothek des Neuen Palais heute die unter der Fensterreihe angeordneten, Bücher-„truhen“. In ihnen wurden einst (nach Einlagerung im Schloss Babelsberg 1945 größtenteils verloren gegangene) großformatige Architekturbände aufbewahrt, denen der König Anregungen für seine Bauten entnahm. Überhaupt las Friedrich Bücher nicht nur zur Erbauung und Unterhaltung, sondern suchte daraus auch Nutzen für seine Regierungstätigkeit zu ziehen. Neben Werken seines Freundes Voltaire, von Moliere, Racine und Bayle, von den antiken Autoren Herodot, Homer, Platon, Horaz, Vergil oder Marc Aurel (in französischer Übersetzung, denn Griechisch und Latein beherrschte Friedrich nicht) finden sich deshalb überraschend viele volkswirtschaftliche, natur- und finanzwissenschaftliche Schriften in seinen Sammlungen. Dies wird auch durch das bildkünstlerische Programm verdeutlicht. Am heutigen seitlichen Eingang zum Schlosstheater sieht der Betrachter Putten, die sich nützlichen Tätigkeiten wie der Landvermessung, astronomischen Beobachtungen oder der Bauplanung widmen; diese Motive findet er in der Bibliothek wieder, der sich Schreib- und Lesekabinette anschlossen. Dort kann Hannelore Röhm u.a. einen Leseleuchter zeigen, dessen Kerzenlicht durch einen Silberspiegel verstärkt wurde. Schon gelesene Bücher lagen flach auf dem Tisch, ungelesene standen aufrecht. Die Vorleser verwalteten auch die Bibliotheken. Bis zu seinem Tod 1786 ließ Friedrich täglich Lesestunden abhalten. Wenn wir heute genau wissen, welche Werke er besaß, ist das dem Königlichen Bibliothekar Bogdan Krieger zu verdanken, der 1914 einen Gesamtkatalog „Friedrich der Große und sein Bücher“ veröffentlichte, von „Antike Bauwerke und Archäologie“ bis zu „Zeitungen“ in 25 Sachgruppen untergliedert. Eine wichtige Position nehmen darin die vom König selbst verfassten Werke ein, die in der Berliner Hofdruckerei gedruckt wurden. Im Zuge der Katalogisierung vergab Krieger eindeutige Bibliothekssignaturen, die auf Zetteln vermerkt jeden Band eingeklebt wurden. Den deutschen Schriftstellern brachte Friedrich allerdings kaum Verständnis entgegen. Als er in seinem Alterswerk „Über die deutsche Literatur“ den Stab über sie brach, hatte Lessing längst im Potsdamer Marquisat am Havelufer in Blickweite Sanssoucis mit „Miß Sara Sampson“, dem ersten bürgerlichen deutschen Trauerspiel, eine neue Ära eingeleitet. In Friedrichs Bibliotheken fand es ebenso wenig Platz wie die Werke Goethes – dort standen nur drei Bücher in deutscher Sprache, in Sanssouci nicht eins. Ernsthafte Probleme mit der Erhaltung und Restaurierung der Bände gibt es nicht. Dazu hat beigetragen, dass der König Wert auf festes Papier und dauerhafte Einbände legte, die er anfangs in Paris, dann durch einheimische Buchbinder, darunter den Potsdamer Rochs, ausführen ließ. Streng geschützt Zudem stehen die Buchschätze gut geschützt in ihren verglasten Schränken. Nur manchmal nimmt Hannelore Röhm bei ihren Führungen vorsichtig einen Band, um ihn den Besuchern näher vorzustellen. Für Forschungen werden hin und wieder Bücher herausgegeben. „Dann muss der Interessent aber nachweisen, dass sie in keiner anderen Bibliothek zugänglich sind“, kennzeichnet die Bibliothekarin die Strenge des Regimes. Dies wird dazu beitragen, dass auch künftige Generationen die Buchschätze bewundern und Einblick in die Gedankenwelt des „Philosophs von Sanssouci“ nehmen können, der nicht nur ein bedeutender Staatenlenker, großer Feldherr, Förderer der Künste und Autor war, sondern auch ein Büchernarr. Die Bibliothek im Neuen Palais ist bei täglich angebotenen Sonderführungen durch die Königswohnung zu besichtigen, Sa. – Do., 11 und 14 Uhr, Preis 5, erm. 4 Euro.
Erhart Hohenstein
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