Kultur: Die Entdeckerin
Potsdamer Galeristin Traudl Bauscher verstorben
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Mitten in der Flüchtlingsdebatte holte sich Traudl Bauscher eine Skulpturengruppe des Bildhauers Hans Scheib in die Galerie, die aus neun offensichtlich muslimischen, weil bekopftuchten, Frauen bestand. Das Besondere daran: Bis auf die Tücher waren sie nackt. Standen wie eine freche weibliche Armada im Foyer ihrer Villa. Darf man das zeigen? Womöglich sogar in der Zeitung? Oder gibt das Ärger? Schließlich stellte sich die Galeristin für das Foto sogar neben die Frauengruppe und lachte in die Kamera. Wenn schon, denn schon. Mutig sein, witzig sein, vielleicht auch trotzig, das passte zu ihr.
Geboren wurde Traudls Bauscher 1949 in Weiden in der Oberpfalz. Sie studierte in München Malerei und Grafik, später in Berlin Kunsterziehung und Bildhauerei. Sie malte auch selbst, aber irgendwann stellte sie fest: Sie ist eine bessere Entdeckerin als Malerin. Vielleicht auch, weil ihr zum Malen die Ruhe fehlte und hin und wieder das kleine Töchterchen meinte, die Bilder der Mama zu Ende malen zu müssen, erzählte sie einmal lachend. Mitte der 1980-er Jahre gründete Traudl Bauscher dann eine Galerie – ohne einen Raum dafür zu haben. Die „Galerie unterm Arm“ bestand aus mehreren Mappen, mit denen sie hausieren ging, die Kunst frei Haus lieferte – und vielen Kunden damit wortwörtlich die Schwellenangst nahm.
Ihre Potsdamer Galerie eröffnete sie 1993. Die sogenannte Adenauer-Villa in Babelsberg wurde zu einer verträumten Trutzburg im schnellen und oberflächlichen Kunstbetrieb. Hier war Platz für die mehr als 20 Maler und Bildhauer, die sie betreute, darunter Sylvia Hagen, Christine Jackob-Marks, Inge H. Schmidt, Mona Könen, Stefan Kaehne, Reinhardt Stangl und Hans-Otto Schmidt. Die Kunst passte zum Haus, Bauscher wusste, wie man etwas hing und stellte, damit man sich mit den Dingen wohl fühlte. Auch das Haus, nach dem Krieg jahrelang von den Russen genutzt und abgewohnt, war ein Kunstwerk an sich, bekam durch die sensible Sanierung seine Seele zurück. Selbst der wilde Garten wurde mit Skulpturen bestückt. Und wer in ihr Allerheiligstes, ihre private Wohnung unterm Dach, vordringen durfte und exzellenten Tee aus riesigen Tassen vorgesetzt bekam, der stellte fest: Auch hier war alles voller Kunst.
Zu Ausstellungseröffnungen kamen oft Hunderte Gäste aus Potsdam, Berlin und von weiter her. Sie veranstaltete Lesungen und Konzerte – das Haus war Treffpunkt ihres großen Künstlerfreundeskreises. In den letzten Jahren wurde es dann doch ruhiger, immer wieder kündigte die Galeristin ihre „wirklich letzte Ausstellung“ an. Um dann festzustellen, dass sie weitermachen musste: „Die Kunst lässt mich nicht los.“ Jetzt ging ihr nach langer Krankheit, die sie zu gern besiegt hätte, die Kraft aus. Am vergangenen Dienstag ist Traudl Bauscher in Berlin verstorben. S. Pyanoe
S. Pyanoe
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