Kultur: Die Irrfahrt des Hans Bentzien
Urania Potsdam: Ziemlich misslungene „Lindstedter Begegnungen“ mit dem ehemligen Kulturminister der DDR
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Unruhig rutschte das preußeninteressierte Publikum im Schloss Lindstedt auf den Stühlen. Mehr als eine Stunde hatte Hans Bentzien in dem von der Urania veranstalteten Sonntagsgespräch schon geredet, ohne sich dem angekündigten Thema zu nähern.
Um „Friedrich II. im 20. Jahrhundert. Zwischen Verehrung, Instrumentalisierung und Ignoranz“ sollte es gehen. Als der ehemalige DDR-Kulturminister (1961-1966), Verlagsleiter und zur Wendezeit 1990/91 Intendant des Deutschen Fernsehfunks der DDR endlich darauf zu sprechen kam, beschränkte er sich auf die Odyssee des Rauchschen Reiterstandbildes Friedrich des Großen und der Sarkophage des Königs und seines Vaters Friedrich Wilhelm I. in der Kriegs- und Nachkriegszeit.
Als Minister hatte er selbst dazu beigetragen, dass das in Berlin Unter den Linden demontierte Reiterdenkmal nicht als „Edelschrott“ eingeschmolzen wurde, wie vom Berliner SED-Chef Paul Verner angeordnet. Zu nächtlicher Stunde habe er 1961 die Teile des Denkmals auf einem Tieflader aus der Nähe des Neuen Palais, wo es seinen neuen Standort finden sollte, zum abgelegenen Hippodrom schaffen und unter Strohmatten „verstecken“ lassen. Im Frühjahr 1962 wurde es an dieser Stelle wieder aufgebaut und kehrte 1980 ins wieder hergestellte Berliner Lindenforum zurück. Bentzien schmückte diese Geschichte mit einigen Internas auf, bekannt ist sie indes schon seit 1986: nachzulesen im von Heinz Schönemann verfassten Beitrag „Auch Denkmäler haben ihre Schicksale“, der im Katalog zur damaligen großen Friedrich-Ausstellung im Neuen Palais gedruckt wurde.
Auch die „Irrfahrt der Sarkophage“ ist bereits vielfach geschildert worden. Aus der Garnisonkirche wurden sie vor Kriegsende zunächst in die Bunkeranlagen der heutigen Henning-von Tresckow-Kaserne in Geltow (nicht nach Potsdam-Eiche, wie Bentzien meint) und dann ins Südharzer Salzbergwerk Bernterode geschafft. Die Marburger Elisabethkirche und die Hohenzollernstammburg Hechingen waren die nächsten Stationen, ehe die Särge im August 1991 nach Potsdam zurückkehrten. Rethorisch brillant und manchmal ein wenig selbstgefällig schilderte Hans Bentzien seine ihm vom DDR-Festkomitee für die 750-Jahr-Feier Berlins übertragene Rolle bei der Rückführung, vornehmlich die Treffen mit Hohenzollernchef Louis Ferdinand Prinz von Preußen.
Ansonsten traf der 80-Jährige das Thema nur noch mit einigen kurzen Anmerkungen über den Missbrauch Friedrichs durch die Nationalsozialisten, die in den 80er Jahren einsetzende „Preußenrenaissance“ in der DDR oder mit der unzutreffenden Behauptung, vor 1980 habe der König im Geschichtsbild und der Erbepflege auch der Bundesrepublik kaum eine Rolle gespielt. Zu diesem Zeitpunkt hatte HansBentzien seine Vortragszeit jedoch schon für eine breit angelegte Lebensbeschreibung des Köngs verbraucht, in der er sich bis zum Havelberger Treffen zwischen Kurfürst Friedrich III. und Zar Peter I. 1697 zurück verirrte und mehr als ein Jahrhundert über den Tod Friedrichs hinaus bis zur Bismarck-Ära vorschoss. Vergeblich versuchte die Urania als Veranstalter, mittels eines zugeschobenen Zettels, seinen Redefluss zu begrenzen und auf das Thema zu lenken. Ausnehmend höflich geriet am Schluss der Veranstaltung der Beifall des Publikums, die sonst so lebhafte Diskussion blieb aus.
Dem Potsdamer Urania-Vorsitzenden Hans Oleak und Geschäftsführerin Karin Flegel war das Unbehagen anzusehen. Erhart Hohenstein
Erhart Hohenstein
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