Kultur: Die Lyrikerin und der Dramatiker
Potsdamer Kunstverein ermöglicht Einblicke in die Bilderwelt von Doris Keetman und Erwin Hahs
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Erwin Hahs? Den Maler, ja, den kennt man oder zumindest hat man von ihm schon etwas gehört. Aber Doris Keetman? Eine Ausstellung im Alten Rathaus will ab heute darüber aufklären, wer sich hinter diesem Namen verbirgt.
Hahs und Keetman hatten zueinander eine Beziehung. Er war Lehrer und sie seine Schülerin. An der Staatlich-Städtischen Kunstgewerbeschule in Halle (heute Burg Giebichenstein Hochschule für Kunst und Design) übernahm Erwin Hahs ab 1919 eine Lehrtätigkeit, die mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 unterbrochen werden musste. Erst 1946 wurden ihm Rückkehr zum alten Arbeitsplatz und jahrelange Mitwirkung beim Neuaufbau der Kunsthochschule möglich. Viele Studenten scharten sich um den beliebten Lehrer, in den zwanziger Jahren auch Doris Keetman.
Bilder von beiden Künstlern sind im Alten Rathaus zu sehen. „Korrespondenzen“ heißt die erste Ausstellung des Potsdamer Kunstvereins. Sie will regelmäßig mit verschiedenen Malern bekanntmachen. Die diesjährige Ausstellung wurde von der Burg Giebichenstein Halle in Zusammenarbeit mit dem Kunstverein Talstrasse e.V. konzipiert. Als Kuratorin fungierte die Kunsthistorikerin Angela Dolgner. Die Schau vereinigt Bilder aus der Zeit, als Doris Keetman und Erwin Hahs ein enges freundschafliches Verhältnis pflegten.
Zur heutigen Eröffnung (11 Uhr) wird die Singschule Potsdam Musik der Komponistin Gunild Keetman, eine Schwester von Doris, zu Gehör bringen. Die Musikerin arbeitete eng mit Carl Orff zusammen.
Mit 97 Jahren, am 1. Januar 2003, starb Doris Keetman in Prien am Chiemsee. Dort wohnte sie 70 Jahre und widmete sich fast ausschließlich der Familie. Das Malen hatte sie – abgesehen von Gelegenheitsarbeiten – aufgegeben. Ihre Bilder auszustellen, daran hat Doris Keetman nie gedacht. Sie empfand sie nicht für gut genug, erzählt Angela Dolgner, die die hoch betagte Künstlerin in Prien besuchte. Doch ihr weitgehend unbekannt gebliebenes Werk erweist sich als Kostbarkeit. Dreißig Bilder sind von ihr aus dem Nachlass und aus Privatbesitz im Alten Rathaus zu sehen. Viele entstanden in Potsdam, denn Doris Keetman lebte 1931 für mehrere Monate in dieser Stadt. Bei der Familie Schischkoff in der Russischen Kolonie „Alexandrowka“ bezog sie ein Gästezimmer. Hier im Grünen hat sie ihre Motive gefunden. Immer wieder malte sie Aquarelle in Gärten und Parklandschaften, die sie in Potsdam reichlich vorfand. Vor allem blau-grüne Töne wählte sie, die locker und duftig auf das Papier aufgetragen wurden. Atmosphärisch dicht, fast träumerisch ist ihre Bildsprache, die natürlich manchmal Anklänge – in der Form – an ihren Lehrer nicht verheimlichen. Dieser bevorzugte aber eher kräftige Farben. Er zeigte, wie sehr die Farben ein eigenmächtiges, aber doch kontrollierendes Gestaltungsmittel sind. Vielfältig ist das künstlerische Ausdrucksvermögen von Hahs, der als junger Mensch oft in Kladow bei Berlin malte - von dort stammt seine erste Frau (1956 zog der Maler von Halle nach Zernsdorf im Brandenburgischen). Konsequent strebte er nach der Verdichtung der Formen, ob bei Landschaftsdarstellungen, Stadtmotiven, Akten, Porträts bis hin zum Abstrakten. „Sie ist die Lyrikerin, er der Dramatiker“, meint Angela Dolgner.
Für Erwin Hahs und seine Schülerin war der gemeinsame Paris-Aufenthalt 1926 – Doris Keetman wiederholte die Reisen nach Frankreich mehrmals – ein prägendes Erlebnis. In Paris wurde natürlich viel gemalt. Die Ölbilder und Pastelle der Künstlerin geben die Stimmung auf Plätzen und in den Parks wider, dem Malduktus der Landschaften Paul Cézannes nicht unähnlich.
Diese Ausstellung ermöglicht eine spannende Begegnung von zwei Künstlern, deren Lebensweg für kurze Zeit sehr nahe war.
Das verehrungswürdige Werk von Erwin Hahs, ja, das scheint man zu kennen. Nun ist uns aber auch Doris Keetman ein Begriff geworden. Ihre Bilderwelt ist zum Verlieben.
Bis 28. Mai im Alten Rathaus., Montag geschlossen.
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