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Impulse für die Phantasie: 15 Ensembles aus elf Ländern gestalten während Unidram einen spannenden Bilderbogen.

© T-Werk /Montage: Andreas Klaer

Von Heidi Jäger: Die Magie der Bilder

Ab 29. Oktober lädt das Internationale Theaterfestival Unidram in die Schiffbauergasse ein

Stand:

Diese Braut verströmt morbiden Charme. Unter ihrem Schleier lugt ein Totenkopf hervor. Leichthändig und tänzerisch bittet das in Tüll gehüllte Skelett zum Tanz. Ein Vergänglichkeitsreigen oder der Sieg über den Tod? Das Figurentheater Tübingen entführt in seinem Stück „salto.lamento or the nightly side of things“ in das Reich zwischen Lebenslust und Verfall. Die Jongleure poetisch bizarrer Verwandlungen bestreiten am kommenden Freitag die Eröffnung von „Unidram“ und geben mit ihren Auferstehungsmythen thematisch den Ton an. Auf dem Internationalen Theaterfestival werden vom 29. Oktober bis 6. November noch ganz andere Figuren zum Leben erweckt.

„Zwar gibt es auch in diesem Jahr keinen programmatischen Schwerpunkt, aber die Schöpfungsidee findet sich in mehreren der 18 eingeladenen Produktionen wider“, sagt der Pressesprecher vom veranstaltenden T-Werk, Jens-Uwe Sprengel, in einem PNN-Gespräch.

So auch beim Clown von Damien Bouvet: einem Mannkind mit dem Körper von König Ubu und der Stimme von Tom Waits. Der Franzose arbeitet mit Puppen und philosophiert darüber, dass auch er als Mann gerne Kinder bekommen würde. Und tatsächlich: Wunschphantasien können durchaus die Welt neu erschaffen. In den clownesken heiter-ironischen Verwandlungen stecke auch immer eine kleine Bösartigkeit, weiß Jens-Uwe Sprengel zu berichten. Und auch, dass viel nacktes Fleisch während dieser speziellen Art des Schöpfungsprozesses Raum greifen wird.

Eine der beeindruckendsten Inszenierungen, die die Organisatoren aus rund 300 Bewerbungen für Unidram ausgewählt haben, sei das Stück „Imomushi“ der französischen Compagnie Pseudonymo, so Sprengel. Erzählt werde von einem körperlich schwer gezeichneten Kriegsheimkehrer. Die Erinnerungen seiner Frau führen immer wieder zu Schmerz und Trauer, zeigen wuchtige alptraumhafte Bilder. „Schon auf dem Video, das wir gesichtet haben, wirkte die Aufführung sehr verstörend.“

Überhaupt sei es die Magie der Bilder, mit der an neun Tagen die jungen, experimentierfreudigen Theatergruppen Grenzen aus- und überschreiten wollen. „Das Publikum erwies sich in den vergangenen Jahren immer mehr als neugieriger Begleiter der verwirrend visuellen Experimente. Es ist deutlich zu spüren, dass eine Veränderung der Wahrnehmung eingetreten ist. Unsere Besucher, die sich altersmäßig sehr mischen, sind offen für neue Sichten und man kann ihnen durchaus einiges zumuten.“ Auch wenn dabei mitunter die Grenzen des guten Geschmacks überschritten werden, wie bei der Schweizer „kraut–produktion“, die kompromisslos polarisiere. „Sie zeigt sehr kaputte Existenzen, schräg verrückt, und das an einem dreistündigen Abend: ein Novum bei Unidram.“ Es gehe den Veranstaltern aber nicht um pure Provokation, betont Sprengel, sondern um gutes Theater, das sinnlich ist und Spaß macht. Manchmal aber auch die Schmerzgrenze erreicht.

In diesem Jahr treten die Bilder oftmals in den Dialog mit Livemusik: Mal mit Pauken und Trompeten, dann wieder mit hauchzarten Tönen. Das szenische Konzert der polnischen Gruppe Karbido setzt einen ganz besonderen Akzent. „Tack. Tack“, sticht ein Messer seine Töne in den Tisch. Durch einen Tonabnehmer verstärkt, hört man die Einschläge wummern, streicht das Vibrieren des Messers um die Ohren der Zuschauer. Um den Tisch sind Gitarrensaiten gespannt, sie werden gezupft, gestrichen, geschlagen, machen aus dem Tisch ein imaginäres Orchester, deren Instrumente nicht zuzuordnen sind. „Die Jungs brauchen acht Stunden, um ihr weltmusikalisches Tischfeuerwerk entzünden zu können“, weiß Jens-Uwe Spregel. Er hat Karbido, die bereits auf vielen Festivals gespielt haben, vergangenes Jahr auf der Sommerbühne des Hexenkesselhoftheaters Berlin erlebt. „Da ging es richtig zur Sache.“ Und so soll auch in der Waschhaus Arena sein, die wie die fabrik, das Fluxus+ Museum und natürlich das T-Werk zu den Festivalorten gehört. Die Schiffbauergasse streift also gemeinsam das Festivalkleid über.

Obwohl noch keine der Vorstellungen, die von über 100 Künstlern aus Italien, Tschechien, Frankreich, Dänemark, Polen, Ungarn, der Schweiz, den Niederlanden und Deutschland bestritten werden, ausverkauft ist, sei insgesamt ein großes Interesse zu spüren, vor allem für die Lange Nacht der kurzen Stücke. In der werden sechs Theater in komprimierter Form die große stilistische Vielfalt von Unidram zeigen: Ein schneller Perspektivwechsel zwischen Schauspiel, Tanz, Objekt- und Figurentheater. Ein Rausch der Bilder, der viele Türen öffnen möchte.

www.unidram.de

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