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Kultur: Die Marke und der Mensch Hedwig Bollhagen zum 100. Geburtstag geehrt

Jubiläen konnte Hedwig Bollhagen nicht ausstehen. Sie nannte sie „Greisenfeiern“ oder „Altennachmittage“.

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Jubiläen konnte Hedwig Bollhagen nicht ausstehen. Sie nannte sie „Greisenfeiern“ oder „Altennachmittage“. „Sie müssen darüber tönen, hoffentlich sagen sie nicht wieder so viel über mich“, war ihre Sorge dabei. Am Samstagnachmittag, dem 100. Geburtstag der bedeutenden deutschen Keramikkünstlerin, die fast 70 Jahre ihres Lebens im brandenburgischen Marwitz bei Velten wirkte, fand im Hans Otto Theater der große Festakt der Landeshauptstadt anlässlich des Jubiläums und als Höhepunkt der diesjährigen zahlreichen Ehrungen statt.

Kulturministerin Johanna Wanka, Oberbürgermeister Jann Jakobs, Gottfried Kiesow von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz sowie Lothar de Maizière und Heinz Schönemann von der Hedwig-Bollhagen-Gesellschaft gehörten zu den Festrednern. Und sie sagten viel über die Marke „HB“ und den Menschen Hedwig Bollhagen und ihre Verdienste, so dass viele Facetten einer Persönlichkeit, die alle Epochen dieses wechselvollen Zeitalters – Kaiserreich, Weimarer Republik, Nationalsozialismus, DDR und Bundesrepublik – miterlebt und „überstanden“ hat, zumindest schlaglichtartig beleuchtet wurden.

Für die Erinnerung und die Würdigung von Hedwig Bollhagens Leben und Werk fanden die Redner warmherzige und größtenteils sehr persönliche Worte. Allen voran Lothar de Maiziére, der die große alte Dame – er ist mit ihr verwandt – schon von Kindesbeinen an kannte und liebevoll-ironisch sowohl von ihrer anrührenden Kinderliebe als auch von ihrem ungestümen Temperament beim Autofahren berichtete. Oder Anekdoten im Umgang mit den „wechselnden, ND-lesenden Schusters“, wie mehrere der Werksdirektoren, die Hedwig Bollhagen nach der Verstaatlichung ihrer Werkstätten ab 1972 vor die Nase gesetzt wurden, hießen. Auch weitere Besonderheiten der „Volkseigentümlichkeiten“ riefen die Heiterkeit des zahlreich erschienenen Publikums hervor.

Von allen ausgeklammert wurden allerdings die genauen Umstände des Erwerbs der Marwitzer Werkstätten (ehemals Haël-Werkstätten für künstlerische Keramik) 1934 von der deutsch-jüdischen Bauhausschülerin und -keramikerin Grete Heymann-Loebenstein. Dazu publizierten bereits die Kulturwissenschaftlerin Ursula Hudson-Wiedenmann, die Exilforscherin Beate Schmeichel-Falkenberg und die Historikerin Astrid von Pufendorf. Am Ende erhielt der Generalsekretär und Gleichschaltungsbeauftragte des Reichsstandes des deutschen Handwerks, das NSDAP-Mitglied Dr. Heinrich Schild den Zuschlag, der die damals 27-jährige Hedwig Bollhagen unverzüglich zur künstlerischen Leiterin ernannte. Wenig später fuhr Hedwig Bollhagen, auch mit erfolgreichen Designentwürfen ihrer Vorgängerin, von denen einzelne noch bis in die 60er Jahre in den HB-Werkstätten produziert wurden, zur Leipziger Messe.

Es wäre wohl Aufgabe der 2005 errichteten Hedwig-Bollhagen-Stiftung in der Obhut der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, unabhängige Wissenschaftler zu beauftragen, gerade dieses Kapitel des künstlerisch überaus erfolgreichen Lebens von HB genau zu beleuchten und, wie die im Umgang mit anderen sehr direkte und unverblümte Hedwig Bollhagen, ohne Wenn und Aber darüber zu berichten. Denn die Stadt Potsdam will ab Frühjahr 2008 eine Dauerausstellung im Museumshaus „Zum Güldenen Arm“ errichten und sich dauerhaft des wertvollen Bollhagen-Erbes annehmen. Dazu sollte sie auch mit diesem Teil des Lebens der Künstlerin und unser aller Geschichte einen verantwortungsvollen Umgang gefunden haben.

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