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Kultur: Die Nachbarin

Heinrich Heines Aufenthalt in Potsdam 1829

Stand:

Unter nur einer einzigen Adresse war Heinrich Heine 1829 in Potsdam zu finden, in der Hohewegstraße 11, heute Friedrich Ebert-Straße 121. Vom 17. April 1829 bis Mitte Juli desselben Jahres nahm er, von Berlin kommend, dort Quartier, um in Ruhe an dem dritten Teil seiner „Reisebilder“ zu schreiben. Danach ging es wieder in die preußische Hauptresidenz.

In Briefen an Berliner Freunden äußert sich der Dichter über Potsdam nicht sehr begeistert. „Ich sehe hier nichts, als Himmel und Soldaten. Bücher sind hier genug, auch Zeitungen“ oder „Ein ganz einsamer Robinson bin ich hier nicht mehr. Einige Offiziere sind bei mir gelandet, Menschenfresser. Gestern abend im Neuen Garten geriet ich sogar in eine Damengesellschaft, und saß zwischen einigen Potsdamerinnen, wie Apoll unter den Kühen des Admet“. Doch einer jungen Potsdamerin soll er sein Herz geschenkt haben: Charlotte Stieglitz, die Frau des Hilfslehrers und Herausgebers des Berliner „Musenalmanach“: Heinrich Stieglitz. Das Ehepaar wohnt in unmittelbarer Nachbarschaft. Man unternahm gemeinsame Ausflüge in die Umgebung. An Charlotte, die sich wieder in ihrer Berliner Stadtwohnung aufhält, und von der er einen Brief wegen einer Hausnummernverwechslung mit Verzögerung erhält, schreibt er, „dass sie jetzt durchaus der Meinung sein wollen, ich wohne um ein Haus weiter von ihnen ab, als ich doch wirklich wohne und wohnen möchte, nämlich in Nr. 12, während ich wirklich in Nr. 11 bin. Ich möchte um alles in der Welt gern um ein Haus näher zu Ihnen wohnen bleiben! Warum, warum wollen Sie mich durchaus um ein Haus weiter von sich abrücken? Ich bitte, ich beschwöre Sie, lassen sie mich in Nr. 11 wohnen!“ Ende 1834 nahm sich Charlotte Stieglitz das Leben. „Das hochherzige Weib hat sich wahrscheinlich nur deshalb umgebracht, um Hr. Stieglitz berühmt zu machen, oder doch, um sich einen traurigen Vorwurf zu geben, an dem er sich sonnen könne“, soll Heine einige Jahre später in einem Gespräch mit dem Freund Gustav Adolph Vogel geäußert haben. Der Dichter stellte dann fest, dass es Stieglitz nichts genützt habe. Er ist „seit der Zeit erst recht unberühmt geworden“.

Heine verfasste in Potsdam den Text zu „Die Bäder von Lucca“, der in den „Reisebildern“ veröffentlicht wurde. „Dieselbe Sonne, die im Niltal Ägyptens Krokodilleneier ausbrütet, kann zu gleich zu Potsdam an der Havel die Liebessaat in einem jungen Herzen zur Vollreife bringen – dann gibt es Tränen in Ägypten und Potsdam“, heißt es darin. Klaus Büstrin

Heine-Ausstellung in der Stadt- und Landesbibliothek. Morgen 19 Uhr Eröffnung mit Texten des Dichters und Liedern von Robert Schumann

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