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Kultur: Die nackte Wahrheit

Drei Künstler aus China und Korea begegnen sich in der Dorfgalerie Töplitz: ein klangvolles, vielfarbiges Trio

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Nach langer Zeit ist er endlich mal wieder zu Hause. Bei seiner Ankunft sind alle versammelt: die Familie, die Freunde. Stolz überreicht Feng Lu seiner Mutter einen Teil seiner hochgelobten Diplomarbeit, die er aus Berlin mitgebracht hat: einen kräftigen Bauarbeiter in Adamskostüm. Die Mutter versinkt vor Scham fast im Erdboden, schnell wirft sie ein Tuch über die männliche Üppigkeit der kleinen Plastik. Nachdem sie sich vom ersten Schock erholt hat, näht sie für das so fremdartige Mitbringsel eine Unterhose. Wie hätte sie wohl erst reagiert, wenn sie die noch freizügigeren Arbeiten ihres Sohnes gesehen hätte, die ab morgen in der Galerie Töplitz gezeigt werden?

Der 27-jährige Feng Lu ist aus den engen traditionellen Grenzen seines Heimatlandes China längst ausgebrochen. „Seit fünf Jahren herrscht auch bei uns eine große Freiheit, aber für manche von der älteren Generation ist diese Entwicklung sicher zu rasant“, erzählt der junge, talentierte Mann, der bereits sehr zielgenau seinen Weg geht.

Bevor er vor sechs Jahren nach Deutschland kam, hatte er nur gehört, dass die Menschen sehr genau und fleißig sein sollen. Als er dann hier war, überraschte ihn vor allem, dass Deutsche so direkt sind. „Wir Chinesen verstecken immer etwas, sind sehr höflich.“ Inzwischen scheint das Deutsche auf Feng Lu etwas abgefärbt zu sein. Seine künstlerische Sprache ist durchaus pointiert und zugespitzt, keinesfalls nimmt er ein Blatt vor den Mund.

Bevor er sich aber mit den Licht- und Schattenseiten seiner Mitmenschen auseinander setzt, studiert er sie bis in ihre feinsten Regungen. Jede Plastik erzählt eine kleine Geschichte, wie die von den Vogelmenschen. „Lange trug ich das Bild in mir, wie Hunderte von Vögeln gemeinsam auf einer Hochspannungsleitung sitzen, die sich unter der Last nach unten biegt.“ Inzwischen hat er die Idee zur Kunst gemacht. Bei ihm sitzt nun eine große Menschenansammlung auf einer Leitung, mit ein paar Federn ausgestattet, die den einen oder anderen vielleicht doch zum Wegfliegen bewegen. Das Vogelbild ist für ihn ein vielseitiges Gleichnis. „So etwas gibt es oft auch bei Menschen. Wenn sie zum Beispiel eine Warteschlange sehen und sich dazu stellen, ohne zu wissen, was es zu kaufen gibt. Und auch in unserem Beruf ist es so. Alle wollen zu der großen Künstlerschar gehören.“ Anstatt den eigenen Weg zu suchen.

Jede seiner Minifiguren auf dem Seil ist eine kleine Charakterstudie. Man spürt, dass sich Feng Lu intensiv mit der Menschendarstellung beschäftigt hat. „Ich habe in Peking Malerei studiert, sehr akademische Techniken. Das Porträt beeinflusst mich bis heute. Ich möchte den Menschen verstehen, was er denkt und fühlt.“ Durch sein Auslandsstipendium hat es ihn zuerst an die Kunsthochschule nach Mainz verschlagen: eine Stadt, die ihm bald zu klein wurde. Er brauchte neue Reibungen, neue Menschen, die ihn inspirieren. Und die fand er in Berlin, wo er zuerst in an der Hochschule Weißensee und seit 2003 an der Universität der Künste Bildhauerei und Malerei studiert.

Auf den ersten Blick glaubt man zu sehen, welche Arbeiten sich auf Deutschland oder China beziehen: den wilden Motorradfahrer mit den markanten Tätowierungen konnte er so nur in Berlin erspähen. Die drei buddhistischen Mönche, die aus ihrer braven Meditation so gern auch mal ausbrechen würden, sind hingegen Attribute seiner Heimat. Wie auch die drei chinesischen Ärzte, die sich zwar gegenseitig abhören, aber eigentlich an sich vorbei schauen. Sie kommen etwas schlitzohrig daher, eben auch als normale Menschen mit Fehl und Tadel.

Karikiert werden die Schwächen und verborgenen Sehnsüchte – hier wie dort. Und auch der Künstler selbst offenbart sich. Eine Figurengruppe widmet er dem Thema Jagen: Chinesische Frauen machen Jagd auf chinesische Männer. Während die barbusigen Schönheiten Amors Pfeile versenden, sind die Männer geradezu gebeutelt von der schweren Last, die sie zu tragen haben. Arbeit, Kinderbetreuung – alles hängt an ihnen. „Das Rollenbild bei uns hat sich sehr verändert“, so Feng Lus Beobachtung. Vor allem sind es die Körper dicker Menschen, die er in sein bevorzugtes Material Polyester formt und mit Öl- und Acrylfarben bemalt. „Mich faszinieren ihre außergewöhnlichen Formen.“

Gern würde er seine Figuren auch in den Fernsehern von seiner Kollegin Myung Jin Kim gespiegelt sehen, die ebenfalls in Töplitz gezeigt werden. Doch dort, in der intimen Atmosphäre, finden bislan gnur die Familie und engsten Freunde der Künstlerin Platz. Diese ebenfalls außergewöhnlichen Arbeiten kommen eher leise daher. Ihr Schlüsselerlebnis für die Fernsehbilder hatte die Koreanerin bei einem Besuch zu Hause. „Ich war durch das Studium in Braunschweig drei Jahre nicht in Seoul. Als ich mein Zimmer betrat, war es vom Sonnenschein durchtränkt. Im Fernsehen spiegelte sich ein sehr schönes Interieur mit Dingen, die ich lange vermisst hatte.“ Inzwischen spielt sie mit diesen hoch aufgelösten, zarten Spiegelbildern. Anfangs beließ sie sie in Fernsehrahmen, die sie aus Pappe formte, mit dickem Filzstift farblich behandelte und zu einer sehr plastischen Wirkung brachte. Inzwischen sind die Fotografien mit den Spiegelbildern vom Fernseher gelöst und auf Leinwand zu finden: Sehr melancholische, versonnene Stimmungen, wie die der Teetrinkerin oder die ihrer nähenden Mutter. Die Koreanerin studierte in Seoul Bildhauerei und kam 1999 nach Braunschweig, wo sie Meisterschülerin bei Lienhard von Monkiewitsch wurde. Sie widmet sich vor allem der Fotografie und Installation. Heimweh hat sie selten, ihre Schwester und Freunde wohnen auch in Deutschland.

Die Dritte im Töplitzer Künstlerbunde ist Ji Xu, die chinesiche Kalligrafie und später Malerei und Design studierte. Sie war dabei, als auf dem Platz des Himmlischen Friedens Blut floss. 1989. Sie verließ die Heimat, studierte an der HdK Berlin. Inzwischen lebt sie wieder in Peking und kann nicht selbst zur Ausstellung kommen. Ihre Bilder zeigen die Heiligen Berge, Wasser und Wildnis: „Man kann nur in der Natur die Wahrheit finden“, schreibt sie begleitend zu ihren impressionistischen Landschaften. Viel Licht, viel Kraft, viel Gefühl für den Moment.

Eröffnung am morgigen Samstag, 17 Uhr, zuvor um 16 Uhr Konzert in der Kirche: Ying Guo (Cello) und Tae Hee Park (Querflöte) spielen Werke von Bach, Telemann, Mozart.

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