Kultur: Die Schätze der Maler
Ausstellung „Farbe und Licht“ in der Atelier-Kapelle der Familie Raetsch
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Ausstellung „Farbe und Licht“ in der Atelier-Kapelle der Familie Raetsch Immer und überall wird mit dem Neuesten um die Gunst von Betrachtern und Kunden geworben. Manchmal ist aber auch das Alte eine Novität. So bei der diesjährigen Frühjahrsausstellung der Familie Raetsch in ihrer Kapelle auf Hermannswerder. Die Schau fügt sich in die lange Reihe von regelmäßigen Atelierausstellungen am gleichen Ort. Auch diesmal bietet sie wieder neue Sandsteinarbeiten des Sohnes Robert und jüngst entstandene Bilder der Malerin Barbara Raetsch. Das eigentlich Neue aber sind die knapp dreißig Ölbilder von Karl Raetsch, entstanden zwischen 1956 und 2003. Ihr Mann habe die Ausstellung bewusst für die Zeit nach seinem Tod geplant, erklärt Barbara Raetsch. Die Werkauswahl enthalte die nach seiner Meinung besten Bilder. Da fällt auf, dass keine der gemalten Satiren auf Richter und andere Amtspersonen zu sehen sind, mit denen der jüngst verstorbene Maler den Rechtsstreit um die Atelierkapelle künstlerisch verarbeitete. Das Malen an diesem Thema hätte, so meint der Sohn Robert, den Vater seine früheren Bilder wohl selbst vergessen lassen. Barbara Raetschs Fazit lautet: „Jetzt entdecken wir schöne Bilder neu, und einige waren noch nie ausgestellt“. Am Anfang steht das frühe „Selbstporträt I“ des Malers von 1956, daneben das „Porträt Barbara“ aus dem folgenden Jahr. Beide entstanden in Dresden, wo Karl Raetsch von 1953-58 an der Hochschule studierte. Ein interessanter Kniff, wie der Maler sich für sein jugendliches Selbstbildnis leicht von oben sah: der Mund eine schmale Linie, die Augen verengt, um genauer zu sehen, und der Kopf scheinbar kämpferisch gesenkt. Wer ihn kannte, wird den Maler auch hier wieder erkennen. Nicht nur in Pinselführung und Farbauftrag, auch in der Stimmung unterscheidet sich davon das frühe Bild seiner Frau, das nicht nur von persönlicher Nähe zeugt, sondern gerade in seiner Schlichtheit einnehmend wirkt. Ganz aus der Leuchtkraft der Farben leben zwei Bilder aus den späten 50er Jahren. Die warmtonigen Häuserfronten der „Heilig-Geist-Straße im Winter“ verbreiten heimelige Wärme, während grauer Himmel und allerorten Schnee um sie herum lasten. Versonnen stimmen die Boote, das Ufer und seine Bäume in drt Studie „Tiefer See“, auf der herbstliches Braun und Rot mit breitem Pinsel dünn aufgestrichen wurden. Im Vorgriff auf die weiteren ausgestellten Bilder ist erwähnenswert, dass der Maler seine Motive stets in seiner direkten Nähe suchte. Blicke auf die Stadt Potsdam und in das Land Brandenburg erschloss der in Berlin Geborene, der 1958 nach Potsdam kam, mit seinen Bildern. In der künstlerischen Entwicklung konzentrierte er sich auf seine Palette. In der heiter-bunten Genrestudie der „Kinder im Park“ von 1965 leuchtet das Weiß einer Schürze im Auflicht, scheint das Gelb einer Bank aus sich zu glühen, und davor tanzen als Kontraste Kinder mit Jacken in kräftigem Rot und Blau. Zur gleichen Zeit entstand der Blick von erhöhter Position in die „Carl-von-Ossietzky-Straße“, in Farbe und Stimmung beherrscht von gedeckten Harmonien aus Gelb, Grün und Grau. Zwischen dieser tonigen und der eher bunten Palette stehen überzeugende Bilder wie das Architekturensemble „Alter Markt“ mit Altem Rathaus, Knobelsdorffhaus und daneben der Obelisk, der die Neubauten etwas verdeckt. Porträts und Menschen finden sich auf den Bildern der nächsten Jahrzehnte immer seltener. Eine Ausnahme ist die in die Lektüre vertiefte „Lesende“. Ansichten von Städten und Blicke in die Landschaft finden sich dagegen häufig als Sujets. Dabei erreichte es der Maler immer wieder, dass eine Landschaft wie die bei Penzlin zwar weit wirkte, der Betrachter sich davor aber nicht verloren vorkommt. Die „Villa Eulenburg“ und das „Potsdamer Haus“ wirken groß, erschlagen den Blick aber nicht. Durch dieses auf den Menschen bezogene Maß wirken die Bilder einfach, manche Blicke unmittelbar vertraut, auch wenn der Betrachter nie „Kammin im Regen“ gesehen hat. Nicht nur, weil Karl Raetsch sich auch als malender Chronist seiner Stadt und Brandenburgs betätigte, mehr noch die Qualität seiner Bilder lässt hoffen, dass demnächst eine umfangreiche Werkschau gezeigt wird. Die Familie wähnt noch mehrere hundert Bilder in ihren Depots. Das macht neugierig und lässt hoffen, dass diese Schätze zur Finissage nicht zum letzten Mal zu sehen waren.Götz J. Pfeiffer Finissage So, 18. Juli, 14 Uhr im Atelier Raetsch in der Kapelle auf Hermannswerder, geöffnet Sa-So 11-17 Uhr.
Götz J. Pfeiffer
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