Kultur: Die treue Geliebte
Rolf Losansky wurde 75: Zum Rentnersein hat er keine Zeit, zu viele Filmideen will er noch umsetzen
Stand:
„Alt werden ist kein Verdienst.“ Rolf Losansky reagiert auf die Gratulationen zu seinem 75. Geburtstag eher verhalten. Er weiß um das hohe Gut Gesundheit und das Glück, das dazu gehört. Durch Krankheit und Tod in der Familie ist sein Leben nicht so verlaufen, wie er es sich gewünscht hätte. Dennoch ist bei ihm keine Verbitterung zu spüren. Davor bewahrt ihn seine „Geliebte“: die Filmerei. „Der Beruf ist mein Gesundbrunnen, aus dem ich ständig trinken kann. Er verbietet mir auch, Rentner zu sein."
Rolf Losansky trägt noch immer die Kindheit in der Hosentasche und pfeift munter ein Lied dazu. Dabei war mit zehn Jahren seine Kindheit abrupt vorbei: als der Vater in den Krieg musste und nicht wieder zurück kehrte. Wie auch die vier Brüder des Vaters. Der Großvater ist bereits im ersten Weltkrieg gefallen: Rolf Losanskys Ablehnung von Uniformen wurzelt tief in seinem Inneren.
Um so mehr schaut der Regisseur darauf, wie das kostbare Miteinander von Eltern und Kindern seine Wärme nicht verliert. Seine Filmgeschichten kommen gern mit einem Augenzwinkern daher und sind durchwoben mit den goldenen Fäden der Fantasie. Die Filme von Rolf Losansky sind Klassiker, die nicht verstauben. Wenn die Kinder auf die Leinwand schauen, entdecken sie sich selbst – heute wie vor 40 Jahren. Die Themen sind ähnlich geblieben: der ganz normale Alltag, der einem so oft die Luft nimmt, aber doch immer wieder auch voller freudiger Entdeckungen steckt. Da ist die Nullbock-Stimmung auf Schule, funkt es mit der Liebe nicht so recht, hören die Eltern mal wieder nicht richtig zu. Nichts wird idealisiert, nichts verschwiegen. Keine Schwarz-Weiß-Malerei. Jeder hat seine Stärken, jeder seine Schwächen. Die Großen wie die Kleinen. Aber dann gesellt sich bei Losansky eben eine sprechende Katze zum einsamen Moritz in der Litfaßsäule, verwandelt sich beim Langen Ritt zur Schule das Fahrrad von Alex in ein Pferd, mutiert Carola Huflattig in das „Schulgespenst" zur Musterschülerin. Träumen gehört zum Leben dazu.
Rolf Losansky macht Filme für Kinder, aber nicht nur. Familienfilme? „Das hört sich sehr nach Kaffeetrinken an.“ Am liebsten würde er seine Filme „Kinder unterm Balkon“-Filme nennen, meint er spontan: mit einem sympathisierenden Rüberschielen zu seinem jüngeren Kollegen Andreas Dresen. Solche Filme mag er, wo das Leben den Zuschauer anspringt und nicht der verrückteste Plot entscheidet. So wie die Kinderfilme aus Dänemark und Schweden, die gerade auf der Berlinale wieder so erfolgreich waren und sein Herz öffneten. „Sie ähneln denen der Tschechen und vielen der DEFA, die mit der Einheit weitgehend abhanden gekommen sind.“ Losansky mag keinen Harry Potter mit der „bösen Fantasie", in dem harmlose Spinnen zu Monster entarten. „Kinder nehmen oft für bare Münze, was ihnen vorgespielt wird.“
Losansky hat 22 Filme gedreht und möchte noch lange nicht aufhören. Dass er auch dem Westen drei „abgetrotzt“ hat, macht ihn schon etwas stolz. Zehn wären ihm natürlich lieber gewesen. „Aber ich weiß noch immer nicht, an welcher Tür ich wie laut oder leise klopfen muss, um an die richtige Adresse zu kommen. Die meisten Produzenten denken, kleine Schuhe sind billiger als große. Aber das sind sie gerade nicht. Man kann bei Kindern keine kleineren Maßstäbe ansetzen.“ Und so schmoren in seinem Schreibtisch Filmideen guter Autoren, die er sich vorerst nur in seinen Gedanken farbig ausmalen kann. In einem dieser „Luftschlösser“ geht es um zwei einsame Menschen, die sich zusammen tun: einen Zigeunerjungen und Großmutter Lydia – ein Stoff, den die verstorbene Anne Geelhaar hinterließ, von der er auch „Das singende klingende Bäumchen“ für das Theater Altenburg dramatisierte. Eine neue Erfahrung für ihn, den Filmemacher.
„Die Geschichten liegen auf der Straße. Meine Tochter ist Lehrerin und sie erzählte mir von Schülern, die nur Markenklamotten tragen und von anderen, deren Eltern beide Hartz IV-Empfänger sind, was die Kinder verschweigen. Wenn ich ein gutes Buch hätte, würde ich auch einen Film über Nazis drehen.“ Gerne möchte er auch sein Lieblingsmärchen „Brüderchen und Schwesterchen“ auf die Leinwand bringen: Wieder eine Hoffnungsgeschichte, die erzählt, wie man selbst böse Zauberschwüre überwinden kann, wenn man nur zusammen hält.
Während sich andere in seinem Alter einen Hund anschaffen und durch den Park Sanssouci spazieren, kämpft Rolf Losansky weiter um seine Filmprojekte. Und wenn sich gerade keine neuen Türen öffnen, geht er eben durch die altvertrauten. Dann fährt er zu den Kindern nach Sachsen oder an die See, nach Bayern oder Hamburg. Es zieht ihn auf die Märkte der Welt, um seine Filme zu zeigen. Dafür springt er morgens um Vier aus dem Bett, um pünktlich bei seinen kleinen Freunden zu sein, die ihn immer wieder mit ihren Fragen und Weisheiten überraschen.
„Sagen Sie, wenn Sie solche Filme machen, sind Sie dann auch noch ein kleiner Junge?“, wurde er kürzlich von einem Achtjährigen gefragt. „Eigentlich ja“, antworte Losansky. „Das merkt man“, entgegnete der Junge, und alle klatschten Beifall. Wenn er von solchen Begegnungen spricht, spürt man seine Rührung. Die versteckt er auch nicht, wenn er von einem Dokumentarfilm erzählt, der ihn sehr beeindruckt hat. Es ging um einen afrikanischen Jungen, den man für unheilbar krank hielt und der am Ende nicht umsonst für sein Augenlicht gekämpft hat.
Hoffnung, die braucht auch Rolf Losansky immer wieder. Als seine Frau viel zu früh starb, drehte er vier Wochen später die wundersame Geschichte „Zirri – das Wolkenschaf“. „Ein Film, der traurig ist, mir aber weitergeholfen hat.“ Bei einer Testvorstellung im Uni-Hörsaal in seiner Heimatstadt Frankfurt (Oder) füllten 500 Kinder den Raum. „Keiner ist während der 65 Zirri-Minuten pullern gegangen.“ Gibt es ein größeres Lob? Auch in Seniorenklubs reist er mit seinen Märchen und sorgt für glänzende Augen.
Dass er trotz Zwangspausen mit dem Film auf Tuchfühlung bleibt, dafür sorgen auch seine Studenten auf der Theaterakademie Vorpommern in Zinnowitz und an der Hochschule für Musik und Theater Leipzig. Mit den Studenten dreht er jedes Jahr Kurzfilme. „Wenigsten dort kann ich weiterhin meine drei Lieblingsworte sagen: „Ruhe! Ton ab! Bitte!“ Das neumoderne „Action“ will er nicht verwenden. „Bitte“ ist für ihn die Aufforderung an das ganze Team, das Beste zu geben. „Jeder soll am Ende sagen: ,Das ist mein Film“.“
Das erhofft er sich auch von einem Projekt, das er mit dem Lindenpark plant: einen Film mit und über Potsdamer Kinder. Aber auch dafür fehlt noch Geld. „Und man sollte nicht die Glocken läuten, bevor nicht mal der Kirchturm steht.“ Dennoch hofft er, dass „Hans im Glück“ nicht sein letzter Film bleiben wird. Dieses Märchen erzählt davon, dass man nicht an irdischen Gütern kleben sollte. „Das Wichtigste ist doch, dass der Junge nach sieben Jahren wieder gesund nach Hause kommt.“
Das Filmmuseum veranstaltet am Sonnabend um 16 Uhr ein Geburtstagsfeier für und mit Rolf Losansky. Sein einstiger Regieassistent Bernd Sahling hält die Laudatio. Es läuft „Moritz in der Litfaßsäule“.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: