
© Andreas Klaer
Kultur: Die Vielfalt der Commedia dell’arte
Premiere von „Hunger und Liebe“ mit der Theatergruppe I Confidenti im Schlosstheater
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Die beiden ewig hungrigen Tagelöhner, Arlecchino und Brighella, konnten seit Tagen nichts mehr ihrem Magen anbieten. Nun versuchen sie mit List, mit kleinen Betrügereien und Verwechslungsspielen sich an eine Mahlzeit heranzutasten. Dabei hilft ihnen Colombina, das clevere Dienstmädchen des schrulligen, liebestollen und geizigen Kaufmanns Pantalone. Natürlich darf sich zu guter Letzt der Magen freuen und auch der Hunger nach ehrlicher Liebe wird gestillt. Arlecchino und Colombina schließen sich in die Arme.
„Hunger und Liebe“, die Farce von Alessandro Marcchetti und Luisella Sala, die sie nach einer Vorlage aus dem 16. Jahrhundert aufschrieben, hatte zu Pfingsten im Schlosstheater im Neuen Palais seine viel applaudierte Premiere. Mit diesem Stück wandte sich die Potsdamer Theatergruppe I Confidenti der Commedia dell’arte zu, Stegreifspielen, die vor allem im barocken Italien als beliebte, aber auch derbe Volksbelustigungen mit festverankerten Typen, Masken sowie ausgestellter Spielweise zu Hause waren.
Zugegeben, man muss sich erst einmal auf diese Art von Theater einlassen. Es ist ein Stück weit von uns entfernt, vor allem ästhetisch. Aber auch inhaltlich lächelt der kluge Zuschauer von heute über einige abstrusen Szenenfolgen. Um sie zu aktualisieren, will man ihnen in der Debatte um neue Armut sogar eine politische Dimension mit plakativ erhobenem Zeigefinger auf den Weg geben. Doch solche Versuche fallen aus dem ansonsten stimmigen Stück heraus. Auch Regisseur David Matthäus Zurbuchen vertraute anscheinend nicht dem Überzeitlichen, das in der Commedia dell‘arte steckt, nämlich dass die Prise Gesellschaftskritik durch Situationskomik wie nebenbei erreicht wird. Denn Arlecchino, Brighlla und auch Colombina machen spielerisch deutlich, wie kess, gewitzt und dreist man sein muss, um nicht zu kurz zu kommen.
Doch Zurbuchen ist ansonsten ein Garant für die authentische Treffsicherheit der traditionellen Spieltechnik mit den Halbmasken der Commedia dell’arte. Den gut aufgelegten Schauspielern wird körperlich, gestisch und pantomimisch viel abverlangt. Nichts wurde dem Zufall überlassen, choreografische Genauigkeit gilt als selbstverständlich. Die Aufführung bekam, nachdem die Dialoge über Hunger- und Geldnöte reichlich in die Länge gezogen wurden, endlich Tempo. Da raunte, stürzte, tobte, stöhnte man auf der Bühne, prügelte sich, sang, tanzte und turtelte, dass es eine Freude war.
Die zündenden und lockeren Arlecchino-Bewegungen kamen von dem Potsdamer Pantomimen und Schauspieler Steffen Findeisen, der mit einer großen Bühnenpräsenz aufwartete. Toll, wie er zwischen Tölpel und Schlawiner hin- und hersprang, zwischen sympathischem Trottel und etwas dümmlichem Depp. Ebenfalls mit voller Pulle jagte Thomas Wiesenberg als krummbuckliger Geizling und Möchtegern-Lüstling Pantalone wie von einer Batterie geladen über die Bretter. Mit Findeisens und Wiesenbergs körperlicher Spritzigkeit konnten Thomas Weppel als Brighella und Jana Reiner als Colombina aber noch nicht konkurrieren. Zu hölzern war beider Spiel, zu aufgesagt die Texte, die Jana Reiner sprach. Die Sängerin durfte kleine hübsche Volksliedchen vom Hunger oder vom Schlaraffenland zum Besten geben. Doch wurden ihre wunderbaren stimmlichen Möglichkeiten dabei unterfordert. Begleitet wurde sie von den Musikern Christine Trinks, Daniel Kurz und Christian Walter, die mit allerlei Instrumentarium wie Violine, Theorbe, Fagott oder Drehleier eine bunte Mischung kleiner musikalischer Stücke vor allem von italienischen Barockkomponisten eine reizvolle musikalische Farbe in die Farce einbrachten. Wie Straßenmusikanten bewegten sie sich in der Szenerie, locker und wendig war ihr Musizieren.
Die Aufführung wurde die meiste Zeit von heiterer italienischer Sonne beleuchtet, auch wenn sich hin und wieder kleine Wolken dazwischenschoben. Man schaute sich gern die gelungenen Masken, gebaut von Werner Jaschinsky, sowie die köstlich fantasievollen und farbenfrohen Kostüme von Christine Jaschinsky an. Nur ihr schwermütiger Prospekt im Hintergrund mit der halb dunklen Parklandschaft hatte etwas Bedrohliches, was der Inszenierung nicht sonderlich gut bekam.
Während der Vorstellung wurde klar, „Hunger und Liebe“ gehört nicht ins höfische Schlosstheater, sondern nach draußen, dort, wo lebendige Vielfalt herrscht, auch auf Straßen, Plätzen oder Kneipen. Ab August muss die Aufführung sowieso wegen der umfangreichen Sanierung das Schlosstheater verlassen. Dann baut I Confidenti die Bühnenbretter in der wenig geschniegelten Pflanzenhalle der Sanssouci-Orangerie auf. Klaus Büstrin
Nächste Vorstellungen von „Hunger und Liebe“ im Schlosstheater im Neuen Palais am 25. und 26. Juni, jeweils 16 Uhr. Weitere Informationen unter
www.i-confidenti.de
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