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„Der Biberpelz“ von Gerhart Hauptmann, eine Milieustudie der bürgerlichen Arbeiterschicht, ausgeführt vom Theater 89.

© Andreas Klaer

Diebeskomödie mit Altberliner Schnauze: Das Theater 89 zeigt den „Biberpelz“ – und das sehr klassisch

Etwas textlastig, teilweise langatmig: Die vielen Gesangseinlagen tun der Milieustudie von Gerhart Hauptmann gut. Ein insgesamt unterhaltsamer Abend.

Von Andrea Lütkewitz

Stand:

Samstagabend – und fast 30 Grad. Trotzdem machte das uckermärkische Theater 89 einen Pelzmantel zum Mittelpunkt seiner Aufführung und zeigte Gerhart Hauptmanns „Der Biberpelz“ am Potsdamer Winzerberg.

Wie schon im letzten Jahr gastierte das Wandertheater im Rahmen der Sommertheatertournee der Arbeitsgemeinschaft historischer Stadtkerne im Land Brandenburg. Vor malerischer Kulisse nahe Park Sanssouci wurde eine schlichte Bretterbühne mittels Kachelofen und alten Holzmöbeln zu einer Wohnstube im ausgehenden 19. Jahrhundert, in dem Hauptmanns Komödie entstanden ist.

Äußerst klassisch inszeniert

Erzählt wird vom Diebstahl eines teuren Biberpelzes und Brennholz vom wohlhabenden Rentier Krüger (Hans-Joachim Frank) durch die schlaue Waschfrau Frau Wolff (Kristin Schulze) und ihren Mann (André Zimmermann). Als der Bestohlene die Diebstähle beim Amtsvorsteher, Baron von Wehrhahn (Christian Schaefer) anzeigt, passiert nichts – weil der Amtsvorsteher mehr mit politischer Attitüde als mit solchen Fällen beschäftigt ist und Frau Wolff durch schlaues Taktieren jeden Verdacht von sich, ihrer Familie und dem Käufer der Beute Wulkow (Martin Schneider) ablenken kann. Sie kommt schließlich am Ende ungestraft davon.

Regisseur Hans-Joachim Frank inszeniert den „Biberpelz“ sehr klassisch. Neben dem Bühnenbild katapultieren die Schauspieler und Schauspielerinnen das Publikum auch durch Kostüme und schnodderigen Berliner Dialekt direkt in die wilhelminische Kaiserzeit. Stilbruch ist nicht vorhanden und schon im ersten der vier Akte wird klar: Hier stehen die Texte Hauptmanns im Mittelpunkt, Monologe und Dialoge bekommen viel Raum, schlicht gehalten ist deshalb das Drumherum. 

Um entscheidende Momente des Stücks zu erzählen, bedient sich der Regisseur an Berliner Liedern. Auch sie stammen aus der wilhelminischen Zeit und kommen mit frechen und ironischen Zeilen daher. Eingangs und am Schluss singt das Ensemble das Volkslied „Immer an der Wand lang“ von Walter Kollo und Hermann Frey, das etwa 1890 entstand. Es setzt das heimliche Taktieren der Waschfrau Wolff, ihrer Helfer und Käufer rund ums erbeutete Diebesgut in eine Klammer, wenn es heißt: „Und dann schleich‘ ich still und leise/immer an der Wand lang, immer an der Wand lang…“. In der Szene, in der Frau Wolff mit ihrem Mann Brennholz stiehlt, singen beide „Im Grunewald ist Holzauktion“ von Franz Meißner, was zynisch und amüsant zugleich wirkt. 

Die Akte ziehen sich teilweise

Bei den Gesangseinlagen fällt vor allem Kristin Schulze auf, die auch als Sängerin auf der Bühne steht. Sie überzeugt nicht nur als durchsetzungsstarke Waschfrau Wolff, sondern auch stimmlich. Überhaupt, dass der Regisseur Musik einbaut, tut dem textlastigen Stück gut. Denn so geistreich die Dialoge auch sein mögen, an manchen Stellen ließen sie die Akte ein wenig lang werden.

Das Theater 89 wurde, wie der Name nahelegt, noch in der DDR gegründet und feiert in diesem Jahr 35-jähriges Bühnenjubiläum. Es hat den Anspruch, vor allem im ländlichen Raum zu spielen und Stücke auf die Bühne zu bringen, die selten aufgeführt oder vergessen wurden. Hauptmann passt da rein: Dessen „Biberpelz“ wurde zwar zu seinen Lebzeiten und bis in die 1960er Jahre aufgeführt und verfilmt, geriet dann aber in Vergessenheit und wird erst seit den 2000er Jahren wieder vereinzelt gespielt.

Das Ensemble hat am Winzerberg einen vergnüglichen Abend bereitet. Am Ende stand durchaus der Bezug zur Gegenwart im Raum: Welche Überlebensstrategien und Eitelkeiten der Menschen stehen einer gerechten Welt im Weg? Nach dem Applaudieren, das großzügig ausfiel, hatte jeder Zeit, in einer immer noch sehr warmen Sommernacht über den „Biberpelz“ nachzudenken.

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