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Von Sydney nach Berlin. Die Sängerin Kat Frankie.

© promo

Kultur: Dieses närrische, dumme Gefühl Liebe

Kat Frankie und ihre Band stellten im Lindenpark ihr Album „Please don’t give me what I want“ vor

Stand:

Zunächst scheint die Bühne im Lindenpark viel zu groß für Kat Frankie. Wie beiläufig betritt die schmale Sängerin die Bühne. Sie könnte auch eine Roadie sein, die noch die Anordnung der zahlreichen Mikrofone prüft. Aber dann beginnt diese kleine Frau das Bina zu bedienen, ein altertümliches indisches Harmonium, das so behäbig klingt wie ein Fischerklavier in den Händen eines sehr alten Seemanns, und schickt ein Klagelied in den Lindenpark, ein Selbstanklagelied, über dieses närrische, dumme Gefühl Liebe. Sie kommentiert es nicht, begrüßt nur sehr zurückhaltend das Publikum, das erwartungsvoll den Bühnenvorplatz locker füllt. Hohle Gesten der Publikumsvereinnahmung liegen ihr nicht. Ihre Expressivität konzentriert sich ganz auf ihre Stimme.

Die inzwischen 34-Jährige wuchs in Sydney auf und war Innenarchitektin, bevor sie kurz vor Silvester 2004 nach Berlin kam, um sich ein Jahr Auszeit zu nehmen. Kat Frankie ist nicht wieder zurückgegangen, nicht nach Australien und nicht in ihren alten Beruf. Wer mitten im Winter nach Berlin kommt und sich dennoch entscheidet zu bleiben, muss einen glühenden Kern in sich tragen und reichlich Widerstandskraft. Kat Frankie sah nicht den Schneematsch, sondern die Gemütlichkeit in den kleinen Klubs. Statt sich über muffelige Menschen auf den Straßen zu ärgern, fand sie eine quirlige Musikszene voller hilfsbereiter Enthusiasten vor, die ihr etwas ermöglichte, von dem sie in Australien nicht zu träumen gewagt hätte: ausschließlich Musikerin zu sein. Aus dem internationalen Berliner Kreativ-Biotop rekrutiert sich auch die Band um Kat Frankie, Schlagzeug, Bass, ein elektronisches Cello, ein E-Piano und die Stimmen von Miss Kenichi und Mowat. Der gebürtige Chilene mit dem melancholischen Falsett stimmte, kaum dass die Türen des Lindenparks öffneten, in den Abend ein. Viel später wird er für entspanntes Lachen auf der Bühne sorgen, wenn er aufgrund eines Geplänkels zwischen den Musikern zu einem Moonwalk à la Michael Jackson genötigt wird.

Gekommen war Kat Frankie, um ihr drittes Album mit dem erratischen Titel „Please don’t give me what I want“ vorzustellen, das von erhabener, getragener klanglicher Schönheit ist, die einen bis zur Bewegungslosigkeit zum Zuhören zwingt. Das Konzert war anders. Nicht nur holte Kat Frankie für einige Stücke ihre Akustikgitarre hervor und hängte sich damit das abgelegte Image der Singer-Songwriterin um. Im Zusammenspiel mit ihren fünf Begleitmusikern, die zeitweise den Fokus von der Sängerin nahmen, erwiesen sich einige der neuen Songs zudem als ungemein groovig, zum Teil gar rockig. Selbst im Dreivierteltakt, der in den Liedern von Kat Frankie vorherrscht und insofern ihr ironisches Versprechen, auch Dancehall zu bieten, durchaus einlöste, nur dass es Tanzmusik im Takt des 19. Jahrhunderts ist.

Ihr sicheres Rhythmusgefühl bewies Kat Frankie am eindrücklichsten mit einer fünfkanaligen Loop-Maschine, ihrem Lieblingsinstrument. Es genügt vollkommen, um eine Band, ach was, ein ganzes Orchester zu ersetzen. Live schichtete die Sängerin Klänge, die sie mittels ihrer eindrucksvollen Stimme erzeugt, zu einem dichten Soundteppich übereinander, auf den sie dann Lieder wie „The Faint-hearted One“ zelebriert. Umgekehrt löst sie eben diese akustische Selbstbezogenheit ausgerechnet im Titelsong wieder auf, den sie mit ihrer Band fünfstimmig intoniert: eine menschgewordene Loop-Maschine.

Das letzte Lied, das sie an diesem Abend wieder ganz allein singt, ist ein altes, von denen sie einige in das Programm gemischt hatte. „Not myself“ ist eines dieser kleinen beiläufigen Liebeskummerlieder, die in ihrer Melancholie geradezu beschwingt daherkommen. Ein Selbstwiderspruch. Aber Kat Frankie ist ja auch ganz sie selbst, wenn sie das singt. Lene Zade

Lene Zade

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