Von Klaus Büstrin: Diesmal Kunst
Holz trifft Metall – Beeindruckende Ausstellung in den Bahnhofspassagen
Stand:
Eilen. Hetzen. Kein Blick nach rechts und nach links. Nur den Zug erreichen. Dann wieder flanieren. Gucken, was es Neues zu entdecken gibt. Sitzen auf Sesseln aus Kork oder sich Einkuscheln im Inneren des Stammteils einer Eiche? Ja, es gibt zur Zeit schöne Möglichkeiten zum Ausruhen. Doch halt, hier wird Kunst gezeigt. Somit ist nur das Anschauen erwünscht. In den ausstellungsbewegten Bahnhofspassagen sind seit gestern Skulpturen von brandenburgischen und Berliner Künstlern zu sehen. Doch mehr aus der Bundeshauptstadt als aus dem Nachbarland. Gemeinsam mit der Potsdamer Agentur Kunsttick.com wurde die neue Schau konzipiert und vorbereitet.
Die Bahnhofspassagen erweisen sich als ein trefflicher Ort für die zwölf Skulpturen-Inseln. Und welche Galerie oder welches Museum kann solche Aufmerksamkeit erheischen als in den Vorhallen zum Bahnhof? Jedenfalls war die Neugierde bei vielen Passanten am gestrigen Nachmittag groß: Gucken, was es Neues zu entdecken gibt. Diesmal Kunst.
„Holz trifft Metall“ nennen die Veranstalter die Ausstellung. Eine interessante Mischung aus den beiden Materialien erlebt der Betrachter. Und er ist erstaunt, was alles möglich ist. Vor den Figuren des heute in Berlin lebenden gebürtigen Rumänen Marian Bota bleiben viele Gäste stehen. Archaisch die Gesichter der Holzplastiken. Nur von einer farbigen „Kopfhaut“ werden sie belebt. Man betastet sie zunächst vorsichtig, dann jedoch ausgiebig. Und schaut genauer hin: Farbige Schrauben, unzählige. So mancher Kopf wirkt wie ein Igel, ein anderer wie aus einer vergangenen Welt. Vielleicht aus dem antiken Ägypten? Bota hat sogar eine hölzerne Dame mit einem Schraubenkleid angezogen – anziehenswerte Kunst.
Krebs, Der letzte Wächter, Indianer oder Der letzte Farmer nennt die Berliner Kunstwerkstatt Stahlkantine ihre in Potsdam gezeigten Arbeiten. Hinter dem Namen des Teams verbirgt sich das Dreiergespann Paul Assente, Harry Blank und Ingo Nibler. „Stahl ist ein faszinierender Werkstoff und lässt sich sehr schön mit anderen Materialien – Aluminium, Kupfer, Holz, Messing, Glas – kombinieren“, verkünden die Künstler in den Bahnhofspassagen. Man spürt die Freude, mit denen sie an ihren Kunstwerken gearbeitet haben. Spielerisch gehen sie mit den Materialien um, die sie zumeist auf dem Schrottplatz finden. Da müssen kleine Zahnräder als Augen herhalten, Stahlschlingen von Kränen als Mund und Zunge. Mit Stahl arbeitet auch der Berliner Künstler Werner Mohrmann-Kunkel. Sein großer Vogel ist beherrschend, majestätisch. Man möchte sich mit ihm davon machen. Ein Flug mit ihm scheint sogar Sicherheit zu versprechen, denn die Flügel sind wohl fest angeschraubt,kaum zu lösen. Die Klarheit der Vogel-Skulptur hat die die des „Lebensfilms“ jedoch nicht. Wie sollte sie auch. Mohrmann-Kunkel lässt das Leben wie einen Film abspulen. Mal läuft es in ruhigen Bahnen, dann wieder in bewegten, hin und wieder verheddern sich auch die Lebenswege. Ein ständiges Auf und Ab. Eine nachdenkliche Plastik, die obendrein noch bewunderungswürdig ob ihrer feinen Behandlung des Stahls ist. Auch Lloyd Clark, der US-Amerikaner, der heute in Berlin zuhause ist, gewinnt dem Kupfer ebenfalls viel Spielerisches ab. Seine Figuren strahlen Lebensfreude, ja Übermut aus. Sie sind ständig in Bewegung, mal tanzen sie, dann sind sie mit Gymnastik beschäftigt. Als ruhige Kontrapunkte zu den lebhaften Metallplastiken erweisen sich die Holzskulpturen. So von dem in Satzkorn lebenden Jens Willi Kunkel oder von Stephan Weber aus Berlin. Ihre Figuren haben etwas Ursprüngliches, verströmen ruhige Gelassenheit in den betriebsamen Passagen.
In der Ausstellung kann man Kunst mit nach Hause nehmen. Keine Stahl- oder Holzskulptur, sondern Papierarbeiten. Grafiken oder Zeichnungen. Zwei Euro steckt man in den Automaten. Und schon gibt er ein kleines Kunstwerk preis.Der Flaneur geht weiter und freut sich auf die nächste Plastik.
Bis 4. 10. Donnerstags, 16 Uhr, Führung. Workshops für Kinder am 18. 9., 10 und 14 Uhr. Anmeldungen für Führungen und Workshop unter Tel. 0331/233790.
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