Das Staatstheater Cottbus soll nach dem Willen der Landesregierung mit seinen Musiktheaterinszenierungen auch in Potsdam und anderen brandenburgischen Städten gastieren. Dem Brandenburger Theater (BT), das innerhalb des Theater- und Konzertverbundes für Oper und Operette zuständig ist, wurde die Arbeit dafür erheblich schwer gemacht. Solistenensemble, Chor und Werkstätten mussten abgewickelt werden. Finanzen, die für die Kunst vorgesehen waren, zahlte man notgedrungen als Abfindungen für Mitarbeiter.
Nun reist also das Cottbuser Theater mit seinen Opern- und Operetteninszenierungen „über Land“. Von einem Staatstheater darf man in puncto musikalischer Qualität getrost „beste Sahne“ erwarten. Doch in dieser Hinsicht gab es in Potsdam vom Brandenburger Theater bisher Besseres zu erleben, vor allem vom Orchester. Zwei Cottbuser Operetten-Aufführungen sah man bislang im zweifellos akustisch komplizierten Hans Otto Theater: Franz Lehárs „Die lustige Witwe“ und dieser Tage nun „Der Bettelstudent“ von Carl Millöcker.
Was man am Mittwochabend hörte, war zwar nicht Besorgnis erregend, doch die hohen Erwartungen an ein Staatstheater erfüllten sich leider nicht. Dirigent Christian Möbius und das Orchester musizierten zu routiniert, ließen den Gestaltungswillen vermissen. Es fehlten zu oft Saft und Kraft. Die sängerischen Ansprüche für dieses Genre sind bekanntlich genauso hoch wie in einer Oper. Von den Gesangssolisten aus dem hausseigenen Ensemble überzeugten nur Cornelia Zink und Hardy Brachmann als Buffopaar Bronislawa und Jan mit schönem stimmlichem Schmelz. Doch das eigentliche „Traumpaar“ der Operette, Laura und Symon, wurde an diesem Abend sängerisch kein Traumpaar, da Anna Sommerfeld mit zu vibratoreichem Sopran und Jens Klaus Wilde mit einem eng geführten Tenor sangen. Den Ollendorf gab der einstige Starsolist des Berliner Metropol-Theaters Fritz Hille (in Cottbus als Gast) mit kraftvollem Bariton, ohne in übertriebene Volksopernmentalität zu verfallen.
Regisseur Holger Tesch verbannte aus dieser Operette, in der Politik eine große Rolle spielt, das plumpe Buffoneske. Ihm war wohl vor allem daran gelegen, den revolutionären Geist der polnischen Freiheitskämpfer Anfang des 18. Jahrhunderts gegen die arroganten sächsischen Besatzer herauszuarbeiten. Tesch lässt glücklicherweise den Gouverneur von Krakau, Ollendorf, nicht als Dummchen auftreten, sondern als einen Gewieften, der jemand „aufs Glatteis“ führen kann, doch nicht damit rechnet, dass andere in manchen Momenten schlauer sind als er. Trotzdem bleibt die Inszenierung in dem sehr kargen Bühnenbild (Gundula Martin) und in den stilistisch unentschlossenen und farblosen Kostümen (Susanne Suhr) sehr kühl. Zwar hatte der erste Akt, der im Gefängnis spielt, schöne humorige Momente, doch die anderen Bilder lebten weitgehend von Humorlosigkeit, von einer Distanz gegenüber dem köstlich-liebenswerten Geschehen, das so manche Ironie vertragen hätte. Die war jedoch kaum auszumachen. Zwar sollten die affektierten sächsischen Offiziere zum Lachen sein, aber leider gelang dies nicht. Auch während des Ollendorf-Couplets „Schwamm drüber“, das überraschend aktuelle Politik beleuchtete, waren die Lacher aber nur sehr vereinzelt. Das Publikum zeigte sich glücklich, Operette erleben zu dürfen. Es applaudierte den Künstlern herzlich. Klaus Büstrin
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: