
© Andreas Klaer
Kultur: Dokumentieren statt belehren
Yvonne Groneberg inszeniert Maxi Obexers „Illegale Helfer“ am Hans Otto Theater
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Sie stehen bei, helfen, hinterfragen und gehen an Grenzen – ihre eigenen, aber auch die des Gesetzes: Menschen, die Partei für Asylsuchende ergreifen, sogenannte illegale Helfer. Zehn von ihnen hat Maxi Obexer in Interviewprotokollen eine Stimme gegeben. Eigentlich als Hörspiel konzipiert, wurden ihre Texte bereits in Salzburg auf die Bühne gebracht. Auch das Potsdamer Hans Otto Theater hat sich unter der Regie von Yvonne Groneberg dem Stoff angenommen, heute Abend feiert „Illegale Helfer“ Premiere.
Drei Jahre hat Obexer Material zusammengetragen. Sie führte Interviews mit Menschen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, die aus verschiedenen Beweggründen illegalen Einwanderern und Flüchtlingen helfen oder geholfen haben und dadurch mitunter straffällig geworden sind oder existenzbedrohende persönliche Risiken eingehen. Die Interviews hat Regisseurin Yvonne Groneberg zu Monologen umformuliert, die Menschen dahinter individualisiert, ihnen ein eigenes Gesicht, eine eigene Stimme gegeben. Dokumentartheater sei es nicht, was die Zuschauer erwartet, sagt Groneberg. Ihre Inszenierung bewege sich vielmehr genau zwischen einer Dokumentarperformance und einem klassischen Theaterstück. „Der Fokus liegt auf den Statements und es gibt keine klassische Storyline mit Wendungen oder einem Höhepunkt“, so Groneberg. Statisch bleibt es dennoch nicht: Die Schauspieler Denia Nironen, Andrea Thelemann, Friedemann Eckert und Christoph Hohmann dürfen in ihre Figuren – die sie abwechselnd übernehmen – eindringen, sie soweit es geht spielen. Optische Veränderungen gebe es nur leichte, schließlich soll das Stück kein Kinderfasching werden, wie die Regisseurin sagt. Doch der Ton verändere sich je nach Rolle und Situation, manchmal treten die Figuren sogar in den Dialog miteinander. „Das ist tatsächlich von Maxi Obexer so vorgegeben, das Material fließt stellenweise ineinander über.“ Für sie vor allem deshalb interessant, weil somit Beziehungen entstehen, die eigentlich nicht da sind. „Faktisch kennen sich die zehn Protagonisten ja nicht.“ Verbindend sei auch die Figur Lukas, die Fragen stellt und somit zwischen Publikum und den anderen Figuren vermittelt. Die sind auf der Drehbühne oft durch eine Wand getrennt – die Groneberg gerne etwas extremer gestaltet hätte. „Ursprünglich wollte ich die einzelnen Szenen in Todeszellen spielen lassen, das war mir dann aber doch zu extrem“, sagt sie.
Eine gewisse Zuspitzung hat sie dennoch vorgenommen. Die Kamera ist als beobachtendes Element allgegenwärtig und fungiert laut Groneberg als drittes Auge, als die anonyme Masse, die sich gegen die Helfenden, gegen die Flüchtlinge richtet. Ein Fingerzeig auch auf die (kurz darauf zurückgenommene) Forderung der AfD, das HOT möge angesichts dieses Stückes sein Programm überdenken.
Einen moralischen Zeigefinger versucht die Inszenierung trotzdem zu vermeiden. „Die Gefahr ist natürlich bei diesem Thema groß, die Texte sind ein Appell an die Menschenrechte, aber wir haben uns gegenseitig immer wieder gewarnt, nicht in einen belehrenden Ton zu verfallen“, betont Groneberg. Neben der intensiven Textarbeit sei das die größte Herausforderung gewesen, so die Regisseurin. Groneberg selbst hatte bislang am HOT 2011 als Weihnachtsmärchen „Rumpelstilzchen“ inszeniert, in der aktuellen Spielzeit führt die 41-jährige gebürtige Thüringerin Regie am Theater in Ingolstadt und in Rostock.
Auch wenn sie ihre Inszenierung nicht als klassisches Dokumentartheater bezeichnet, sieht Groneberg doch derzeit einen gewissen Trend zur dokumentarischeren Darstellungsweise am Theater. „Der Stil ermöglicht einfach eine viel schnellere Herangehensweise an ein Thema als die Ausformulierung eines ganzen Stückes“, so Groneberg. Die derzeitige Situation fordere das geradezu heraus, sagt sie. Auch die Schnelllebigkeit der sozialen Netzwerke unterstütze die Entwicklung. Trotzdem würde es ihrer Meinung nach neben den Klassikern auch weiterhin moderne Theaterstücke im klassischeren Sinne geben, da sie eine längere Haltbarkeit hätten. Insgesamt gehe das Bedürfnis allerdings weg von der Vergnügungskultur – hin zu den vielen Fragen über festgefahrene Lebenseinstellungen. Sarah Kugler
„Illegale Helfer“ feiert heute Abend um 19.30 Uhr in der Reithalle Premiere. Die Veranstaltung ist ausverkauft. Weitere Vorstellungen am 17. und 26. Juni.
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