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Kultur: Don Quijote und seine Schwester

Am Samstag lädt das T-Werk zur 4. Langen Nacht der Freien Theater

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Seine Verrücktheiten begeistern seit 400 Jahren die Leser und Theaterbesucher. Man bangt mit dem fahrenden Ritter von der traurigen Gestalt, wenn er sich todesmutig in Gefahren stürzt, um das Unrecht zu bekämpfen. Tollkühn befreit er Galeerensträflinge, zieht gegen Windmühlen zu Felde, die er für Riesen hält.

Der in seinen Fantasien vernarrte Idealist Don Quijote wird auch zum Helden der 4. Langen Nacht der Freien Theater, zu der am Samstag ins T-Werk geladen wird. Es sei allerdings mehr Zufall als Plan, dass drei der elf teilnehmenden Gruppen das tragikomische Episodenspiel nach Cervantes zum Thema erheben, sagt der Pressesprecher des T-Werks, Jens-Uwe Sprengel. Natürlich tun sie dies auf sehr unterschiedliche Weise: Die Theaterspedition & Tanztheater mascoto aus der Prignitz fragt sich zum Beispiel: Was wäre gewesen, wenn der irre Liebende und wagemutig Unbeugsame eine Schwester gehabt hätte. Eine Donna Quijote, die mit ihrer Gefährtin Sancha Pansa ins Feld zieht, ebenfalls ausgestattet mit Abenteuerlust, Kampfessinn und Heldenmut. Welcher Sieg wäre ihr Gewinn?

Während sich der vagabundierenden Frauen gleich 16 Tänzerinnen annehmen, widmet sich die Stadt-Spiel-Truppe monologisierend Quijotes letztem Auszug. Nach der Vorlage von Steffen Mensching gestaltet Norman Jahnke einen Theaterabend, der in auswegloser Kulisse Mut zum Scheitern macht: „Denn ein jedes Land braucht Idioten, aus deren Unglück es Erbauung zieht.“ Einen ritterlichen Vorgeschmack auf ihre Sommerproduktion liefert auch das Poetenpack, das in seiner neuen Schauspielproduktion mit Don Quijote fragen lässt: Was ist Wahn und was ist Wirklichkeit?

Zwischen all diesen Windmühlenkämpfen gibt es natürlich viele andere Inhalte und Spielformen, die auf dieser Werkschau den Reichtum des Freien Theaters im Land Brandenburg unter Beweis stellen will. Figuren- und Straßentheater neben Musikperformance und Puppenspiel: alle Angebote nicht länger als eine halbe Stunde. Denn es sollen viele zu Worte kommen, und sei es mit Ausschnitten aus ihren neuen Produktionen. Das Theater des Lachens aus Frankfurt/Oder, das erste Mal dabei, wählte einen Einakter, mit dem es sich „Auf hoher See“ begibt: mit einem Floß und drei Schiffbrüchigen. Als alle Vorräte aufgebraucht sind, glauben sich Die Dicke, Die Mittlere und Die Schmächtige gezwungen, eine aus ihrer Mitte essen zu müssen. Bei einem Autor wie Mrozek geschieht dies auf höchst groteske und absurde Weise.

Für solche kleinen Produktionen bieten sich natürlich auch kleine Aufführungsräume an. „Andererseits ist der Zuspruch des Publikums für diese Langen Nächte riesengroß. Deshalb gibt es Parallelvorstellungen, die den Ansturm aber auch nicht ganz auffangen können“, so die Erfahrung. Gern hätte das T-Werk weitere, benachbarte Spielstätten in der Schiffbauergasse dazu genommen, „doch Aufbauten mit Podesten in großen Räumen kosten viel Geld“, betont Sprengel. Das T-Werk finanziert diese Nacht indes aus seinem normalen Haushalt. Ohne weitere Zuschüsse vom Land. „Deshalb spielen im Wesentlichen alle Gruppen ohne Gage.“ Dennoch will möglichst jeder mit dabei sein: denn für sie ist es mehr als ein netter Abend. „Diese kompakte Lange Nacht hat für uns einen politischen Hintergrund: Wir können zeigen, was freies Theater leisten kann. Und da alle ums Überleben kämpfen, ist es zusammen einfacher, eine starke Lobby aufzubauen.“ 17 freie Theater gibt es derzeit im Lande, elf davon geben sich also die Ehre: darunter das Wandertheater Ton und Kirschen, das mit „Hamlet“ Rast macht. Oder Potsdams multimediales Labor Oxymoron, das dem „Tod und das Mädchen“ tänzerisch auf die Spur kommt. Das event-theater Brandenburg erzählt wiederum von dem Angst einflößenden Räuber „Habakuk Schmauch“, der sich wagte, sogar die Tochter des Brandenburger Bürgermeisters zu entführen. Mit der Voraufführung ihres Volksstücks machen sie Appetit auf das kommende Sommertheater, so wie auch Marameo, die „Romeo und Julia“ zeigen. Vorerst mit Fechtszenen: allerdings nicht gegen Windmühlen.

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