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Kultur: Drei Tage Literatur

Der Verein „lit:pots“ bietet Ende August ein Literaturfestival mit namhaften Autoren zu Wasser und auf dem Land

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Wenn sie nicht schreibt, zerschneidet sie Zeitungen, heißt es über Herta Müller. Das mag in dieser Absolutheit übertrieben klingen. Doch wenn sich die Schriftstellerin und Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller in die Sprache vertieft, dann mit einer gnadenlosen Konsequenz. Auch bei ihren Collagentexten, die auf den ersten Blick wie eine launige Nebenherbeschäftigung wirken mögen. Aus unzähligen Zeitungen und Zeitschriften schneidet Herta Müller Worte, Silben und Buchstaben heraus und legt und tauscht und variiert diese so lange, bis aus diesen Zufallsbekanntschaften klingende Wort-Collagen werden. „Vater telefoniert mit den Fliegen“ ist der Titel des im vergangenen Jahr erschienenen Buches, in dem Herta Müller eine Auswahl dieser Collagen vorstellt.

Aus „Vater telefoniert mit den Fliegen“ wird Herta Müller am 1. September im Rahmen des Literaturfestivals „lit:potsdam“ lesen. Und so viel lässt sich wohl schon jetzt sagen: Mit Sicherheit wird der Auftritt von Herta Müller und das anschließende Gespräch im Hans Otto Theater einer der Höhepunkte des dreitägigen Literaturspektakels.

Lange hatte der Verein „lit:pots“ e.V. um das Festival gerungen. Bereits im Mai vergangenen Jahres hatte sich der Verein gegründet und eine Berliner Agentur mit der Planung des Literaturevents beauftragt, die ihre Pläne im Herbst 2012 dem Kulturausschuss vorstellte. „Wir wollen das Sommerloch füllen“, hieß es damals von Lavinia Frey von der Agentur. Potsdam als Stadt mit so viel Grün und Wasser und historischem Erbe eigne sich hervorragend als Standort für diverse literarische Veranstaltungen. „Wenn wir ein Festival machen, dann hier“, so Lavinia Frey.

Nun hat es geklappt. Noch nicht in dem gewünschtem Ausmaß von einer ganzen Woche, sondern vorerst nur als Appetithäppchen, aber durchaus als ein schmackhaftes. Von Freitag, dem 30. August, bis Sonntag, 1. September, sollen an verschiedensten Standorten in der Schiffbauergasse und auf dem Gelände des RBB, zu Wasser und zu Land, zahlreiche größere und kleinere, fast schon intime Begegnungen mit dem Genre Literatur stattfinden. Als Autoren konnten neben Herta Müller der Berliner Eugen Ruge gewonnen werden, der 2011 den Deutschen Buchpreis für seinen Roman „In Zeiten des abnehmenden Lichts“ verliehen bekam, und Taiye Selasi, Schriftstellerin mit nigerianischen und ghanaischen Wurzeln, die 2013 mit ihrem Debütroman „Diese Dinge geschehen nicht einfach so“ weltweit Beachtung fand. Ebenso die Potsdamer Autorin Julia Schoch, die für ihre Erzählungen und Romane bekannt ist, zuletzt erschien von ihr „Selbstporträt mit Bonaparte“, sowie den Dresdner Erzähler Ingo Schulze. Vorlesen wollen auch Bachmann-Preisträgerin Jenny Erpenbeck, der vielseitige Berliner Autor David Wagner, Journalistin und Schriftstellerin Elke Schmitter und der schreibende Journalist Birk Meinhardt, der 2013 den Roman „Brüder und Schwestern“ veröffentlichte. „Wir wollen, dass sich hier internationale Schriftsteller und lokale Autoren begegnen“, sagte Lavinia Frey während der Planungsphase. Was genau vorgelesen wird, sei vielfach noch offen, der Fokus soll aber nicht nur auf Neuerscheinungen liegen. Besonders wichtig war der Agentur ein breites Angebot für Kinder. Für das junge Publikum wurde die Reihe „lit:pots for kids“ konzipiert, beispielsweise Open-Air Lesungen mit Schauspielern des Hans Otto Theaters auf den Theaterterrassen, Buchvorstellungen, Mal-Aktionen und Bücherquiz auf dem RBB-Gelände.

Ein sehr spezieller Ort, um sich auf Literatur einzulassen, dürften die Floßfahrten sein. Samstagnachmittag legen gleich mehrere Huckleberry-Flöße vom Anleger am Tiefen See ab. Namhafte Potsdamer Bürger sind angefragt, Texte berühmter Berliner und Brandenburger Schriftsteller dort auf dem Wasser vorzulesen, von Theodor Fontane, Bettina von Arnim, Heinrich von Kleist oder Gerhardt Hauptmann. Die schönen Texte sollen in der Natur wieder aufleben und nicht in Bibliotheken verstauben, so die Idee des Veranstalters. „Das ist schon etwas Besonderes, in so einer kleinen Runde, weitab von der lauten Welt, in diese Werke einzutauchen“, heißt es.

100 000 Euro Kosten hatte die Agentur einst für das Festival veranschlagt und Fördermittel bei Stadt und Land beantragt. Die Stadt unterstützt das Festival in diesem Jahr mit 12 000 Euro, so ein Pressesprecher, sowie durch die Schirmherrschaft des Oberbürgermeisters. Auch Regisseur Volker Schlöndorff und RBB-Intendantin Dagmar Reim halten Schirme über das Literaturfest.

Info und Karten unter

www.litpotsdam.de

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