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Alzheimerzeit. Wenn Klaus sich vorsichtshalber „Vati“ und Inge „Mutti“ auf den Rücken schreibt.

©  Landeszentrale

Kultur: Durchhalten!

„Trau keinem unter 60“: Karikaturen zum demografischen Wandel in der Landeszentrale

Stand:

„Vielleicht kann ich mich in unserer Gesellschaft noch irgendwie nützlich machen?“, fragt sich eine gebrechliche Seniorin in ihrem Uralt-Sessel. „Ach, Oma!“ erwidert ihr längst erwachsener Enkelsohn beim Teebrühen, „denk doch nicht immer ans Sterben!!“

Diese Karikatur von Thomas Plaßmann markiert vielleicht schon den gesamten Sorgenkreis um Begriffe wie „längere Lebenserwartung, Überalterung der Gesellschaft, Geburtenrückgang, Verödung der Dörfer“ – ein Thema, welches Alt und Jung gleichermaßen, und trotzdem sehr verschieden, angeht. Schon seit Jahren geistert der „demografische Wandel“ ganz zivil und artig, aber auch recht dubios durch die Medien. Und das nur deshalb, weil alle zu viel an die Zukunft denken, was bekanntlich krank macht. Dabei ist dieses dumme Ding doch nur eine taube statistische Größe für die Staatsgewalt, die mit den morgigen Problemen der Gesellschaft schon heute nicht mehr fertig wird.

Ein klassischer Fall für die Landeszentrale für politische Bildung! Unter dem zündenden Titel „Trau keinem unter 60!“ bietet sie seit Dienstag allen Junggebliebenen ganz spezielle Lach- und manchmal auch Denkhilfen zum demografischen Wandel an: Politische Karikaturen der Sonderklasse, wie jedes Jahr im Sommer seit nunmehr 13 Jahren.

Bei einem so jungen Thema versteht es sich von selbst, sich zuerst an „die Alten“ zu wenden. Drei der fünf Künstler haben ja bereits den Sprung über die „Sechzig“ geschafft. Nur Nel und Thomas Plaßmann dackeln da noch ein bisschen hinterher. Darf man ihnen trotzdem trauen?

Mindestens zwei sind vor Ort gute Bekannte, Barbara Henniger hatte in der Landeszentrale sogar mal eine Personalausstellung. Was sie jetzt zeigt, ist aggressiver, auch böser („Last generation“): Nackt in offenen Turnschuhen etwa tobt der gerade 70 gewordene Hippie-Opa: „Ich bin ein alter Achtundsechziger und das bleib ich!“ Doch auch sonst hat die Grand Dame der Karikatur mächtig was auf dem Kasten. Thomas Plaßmanns Beitrag zur „Rente mit 67“ zeigt einen völlig erschöpften Bauarbeiter auf der Bauarbeiterleiter. Von unten rufen die jüngeren Kollegen: „Opa Herbert! Durchhalten! Gleich is Mittach!“

Auch der in Rumänien geborene Ioan Cozacu alias Nel hat schon in der Landeszentrale ausgestellt. Bei ihm wird das Rentenalter mit der Lotto-Kugel ausgelost, die Rente selbst ist so sicher wie das Amen in einer leeren Kirche. Klar, Sankt Nimmerlein heißt ihr Patron. Deshalb also füttern die Großeltern so verzweifelt ihren Enkel: „Ein Prozentpunkt für Oma, einen für Opa!“

An solchen Turbulenzen gemessen ist Gerhard Glück ein ganz sanfter. Er ist der Maler unter den Karikaturisten. Was er schafft, geht eher auf das Gemüt denn gen Zwerchfell. Mehr nach innen also. Nicht als Letzter im Quintett der gebürtige Sachse Erich Rauschenbach. Alzheimerzeit ist bei ihm, wenn Klaus sich vorsichtshalber „Vati“, Inge „Mutti“ auf den Rücken schreibt, doch bekommt auch der Senior seine Chance zum Neuanfang: Im Laufstall mit Nuckel!

Seltsam bleibt, wie diese Karikaturisten „sechzig plus“ dieses dumme Ding mit Namen „demografischer Wandel“ allesamt ernstnehmen konnten. Keiner stellte es infrage, keiner kam über seine Oberflächenbeschreibung. Was dahintersteckt, würde eine völlig andere Ausstellung ergeben. Aber diese ist ja auch ganz schön.Gerold Paul

Zu sehen bis 28. Oktober, montags bis mittwochs, 9-18 Uhr, donnerstags und freitags, 9 bis 15 Uhr, Landeszentrale für politische Bildung, Heinrich-Mann-Allee 107, Haus 17

Gerold Paul

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