Es muss Mitte der 90er Jahre gewesen sein. Der italienische Cembalist und Organist Claudio Brizi bat die regionale Presse, sich für eine neue Orgel in der Friedenskirche einzusetzen. Dieser Raum und das rege musikalische Geschehen würden regelrecht nach einer qualitätsvollen „Königin der Instrumente“ rufen. Die Alte hatte ausgedient. Seit acht Jahren beherbergt das Gotteshaus nun eine symphonische Woehl-Orgel. Es lässt sich denken, dass Brizi immer wieder der Einladung von Kirchenmusikdirektor Matthias Jacob gern folgt, an dieser Orgel zu musizieren. So eröffnete er am Mittwochabend den Internationalen Orgelsommer, der bereits zum 22. Mal bis Mitte September das Gotteshaus im Park Sanssouci und die Erlöserkirche in der Brandenburger Vorstadt belebt.
Claudio Brizi ist vor allem ein hervorragender Cembalist. Auch mit der Orgel steht er auf vertrautem Du. Er weiß treffsicher in die vielfältigen Farbenkästen der Barockzeit, der Klassik sowie der Spätromantik zu greifen. Mit großem Einfallsreichtum in den Registermischungen und mit stilistischer Sicherheit gestaltete Brizi die Werke am ersten Konzertabend. Aber leider hatte er nur ein originales Orgelstück ins Programm (Bachs Toccata und Fuge d-Moll BWV 565 ohne obligatorische Strenge gespielt) aufgenommen, ansonsten kamen Werke, die für andere Tasteninstrumente wie Cembalo, Hammerklavier und Flügel komponiert und für die „Königin“ eingerichtet wurden, zum Einsatz. So nahm man insgesamt eher an einem „Clavierkonzert“ als an einem Orgelabend teil. Mag es noch so interessant und spannend sein, hin und wieder Bearbeitungen zu hören, aber die große Bandbreite von Kompositionen, die für die Orgel geschrieben wurden, sind noch nicht ausgeschöpft beziehungsweise immer neu zu entdecken.
Claudio Brizi nahm Piecen ins Programm auf, die als Hommage an Potsdam und an Friedrich den Großen zu verstehen sind. Das Ricercare für sechs Stimmen aus dem „Musikalischen Opfer“ ist bei Bach natürlich ad libitum zu musizieren. Die Partitur wurde vom Organisten mit der erforderlichen Durchsichtigkeit verlebendigt. Dass die zwölf Variationen über das Lied „La Follia“ des Hofcembalisten Friedrichs II., Carl Philipp Emanuel Bach, beziehungsweise die Neun Variationen in D über ein Menuett des Potsdamer Cellisten Jean Pierre Duport von Mozart KV 573 für das Clavier komponiert wurden, ließ sich in der Interpretation Brizis nicht verleugnen. Sie wurden zwar gestalterisch abwechslungsreich und mit kammermusikalischer Klanglichkeit musiziert, doch der viele graziöse „Kleinkram“ ermüdete mit der Zeit. Die Sehnsucht nach einem originalen Orgelwerk steigerte sich. Auch mit den drei Sätzen aus Debussys „Les Préludes“ wurde sie nicht erfüllt. Der ursprünglich für Klavier geschriebene Zyklus ist größtenteils mit spätromantischen Stimmungsbildern versehen. Doch „La Cathedrale englouitie“ (Die versunkene Kathedrale) ist ein Stück, das durch die Sensibilität der deklamatorischen Feinarbeit Brizis besonders ansprach. Klaus Büstrin
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