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Kultur: Ein Auf und Ab der Gefühle

Klezmer und anderes in der Friedrichskirche

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Haben Klezmers Techter Zuwachs bekommen? Sogar einen Mann. Es klärt sich alles auf. Die Musikerin Anita Schwab musste ohne ihre anderen Musik-Schwestern von Mainz nach Babelsberg in die Friedrichskirche reisen. Krankheiten stehen ja manchmal dem Vorhaben im Wege. Aber die Mainzerin kam nicht allein. Sie nahm ihre Kollegin und ihren Kollegen von Adafina mit.

Die umtriebige Anita Schwab gründete unlängst das Ensemble „Adafina“, das man aus dem Hebräischen mit Eintopf übersetzen kann. Neben der Akkordeon, Flöte und Hackbrett spielenden Musikerin wirken in dem Trio der Mexikaner Sebastian Salina, Violoncello, sowie Natalia Grootenhuis mit. Die Holländerin trat mit Marimba und einem ganzen Arsenal von Schlagzeuginstrumenten auf. Nur die Klarinette, die wohl als das wichtigste Instrument der Klezmermusik gilt, fehlte in dieser Freitagabendmusik, die von der Babelsberger Kirchenmusikerin Sonja Ehmendörfer in großer Treue organisiert wird.

Doch die Stücke, die die Drei spielten, funktionieren auch ohne Klarinette. „Adafina“ weiß, wie sie die richtige Mischung aus Technik und Emotion einsetzen kann. Und immer war die wunderbare Farbigkeit der Instrumentationen zu bewundern. Da hörte man beispielsweise Wehmütig-Schwermütiges und Tieftrauriges in dem Lied des einsamen Jungen, der in einem osteuropäischen Ghetto für Juden leben muss, Fröhlich-Tänzerisches sowie Übermütiges gab es zur jüdischen Hochzeitsfeier. Dafür hatte man unter anderem den Odessaer Bulgar, einen feurigen Rundtanz, parat. Witziges, Ironisch-Sarkastisches traten beim „ärgerlichen Tanz“ zweier rivalisierender Schwiegermütter während eines Hochzeitsfestes zutage. Das Konzert präsentierte ein Auf und Ab der Gefühle, dem man sich gern anschloss.

Das Trio kam nicht nur mit Klezmer, der seit dem 15. Jahrhundert im osteuropäischen Judentum entstanden ist, nach Potsdam, sondern auch mit vielfältiger Musik, die die Juden auf ihren oftmals unfreiwilligen Reisen durch die Kulturlandschaften der Welt kennenlernten. So den argentinischen Tango, den afroamerikanischen Volkstanz Milonga oder auch die barocke Klangwelt Johann Sebastian Bachs. Den Satz Bourrée anglaise aus Bachs Flötensonate a-Moll spielte Anita Schwab nicht auf dem Blasinstrument, sondern auf dem Akkordeon. Die Musikerinnen und der Musiker bevorzugten ganz unkonventionell verschiedene Besetzungen. Wichtig scheint ihnen zu sein, dass die Aussagekraft, die Atmosphäre, die Freude am Musizieren die Zuhörer erreicht. Der Respekt gegenüber den unterschiedlichen Musikkulturen war offenkundig.

„Adafina“ kochte keinen faden Eintopf, sondern einen, der mit allerlei Überraschungen aufwartete, wohlschmeckend und der zur immer neuen Rezeptur empfohlen wird. Vor einem bloßen Aufwärmen muss einem nicht bange sein. Die Freitagabendmusik-Zuhörer in der Friedrichskirche genossen sichtlich das Konzert und spendeten langanhaltenden Applaus. Klaus Büstrin

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