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Kultur: Ein Ausnahmeereignis

Wagners Ring nun im Thalia als Film-Reihe zu sehen

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Wagners Ring nun im Thalia als Film-Reihe zu sehen Im Jahre 1976 inszenierte der umstrittene französische Regisseur Patrice Chereau Richard Wagners „Ring des Nibelungen“ in Bayreuth. Wolfgang Wagner, der Enkel des Komponisten und Chef der Wagner-Festspiele, schrieb in seinen Erinnerungen „Lebensakte“: „1976 organisierte sich die Opposition einmal wieder heftig und meinte, öffentlicher Artikulation nicht entbehren zu können. Statt dem Theater zu lassen, was des Theaters ist, wähnte man irgendwelche geheiligte Kulturgüter gefährdet und entweiht, fürchtete man, der Hort der Wagnerschen Nibelungen käme unter den Hammer der Regie des französischen ,Beelzebub“. Als bei der Premiere sich nur die Sänger verbeugten, applaudierte das Publikum heftig und einhellig. Als dann Chereau vor den Vorhang kam, erfüllte greller Dissonanzenlärm das Theater. Die Interpretation wurde später jedoch als „Jahrhundert“-Ring bezeichnet. Von dieser Inszenierung, die unter der musikalischen Leitung Pierre Boulez stand, und für die Richard Peduzzi das Bühnenbild schuf, wurde ein Film gedreht. Deutschlandweit, in 50 Filmtheatern, wird er in diesen Wochen aufgeführt, also in der Zeit, wo in Bayreuth die Wagner-Festspiele stattfinden. Auch das Babelsberger Thalia beteiligt sich an der Leinwand-Wiedergabe des „Rings“. Am vergangenen Sonntag war es zum ersten Mal soweit. Natürlich mit „Das Rheingold“, dem Vorabend der Tetralogie. Ein wenig mehr als zwei Stunden durfte das Publikum bereits lauschen und sehen. Wer „Die Walküre“ am 14. August, „Siegfried“ am 21. August und „Götterdämmerung“ am 28. August (jeweils um 10.30 Uhr) erleben will, sollte aber mehr als vier Stunden einplanen. Der Kritiker Joachim Kaiser schrieb über die Aufführung von 1976: „Der da Regie führte, hatte offensichtlich nicht im Sinn, billig zu provozieren oder albern zu ironisieren. Die besten Momente dieses ,Rheingolds“ waren der Versuch eine Schauspiel-Antithese zum bisher auch in Bayreuth üblichen, langsamen, opernsängerhaften Gestikulieren, zum Abstrahieren und Überhöhen zu bieten“. Heute, fast 30 Jahre danach, wirkt alles viel braver. Jedoch zeitlos. Da sind die Regie-Versuche eines Christoph Schlingensief, die man auch 2005 in Bayreuth erleben kann, natürlich viel provokanter. „Der Ring des Nibelungen“, ein wohl noch immer geheimnisvolles Musikdrama um spannende Erlebnisse von Nixen, Göttern, Riesen, Zwergen, um einen Inzest, um die Liebe zwischen Brünnhilde und Siegfried und dessen Verrat. Das Ausnahmeereignis der Kunstgeschichte schaut und hört sich im Kino sehr konserviert an. Alle Natürlichkeit fehlt. Wie solle es auch anders sein. Wer keine sieben Jahre warten möchte, bis in Bayreuth ihm eine Eintrittskarte für eine Wagner-Aufführung gewährt wird, der sollte sich am Sonntag auf den Weg ins Thalia machen. Sitzplätze sind garantiert. Klaus Büstrin

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