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Kultur: Ein Ausrufezeichen

Werkverzeichnis beschreibt die 341 Plastiken des mit Potsdam verbundenen Künstlers Wieland Förster

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Die Nike grüßt den Ankommenden schon von Weitem. Die griechische Göttin des Sieges und des Friedens, ganz in Gold gekleidet, ist mit ihrer offenen Geste ein Ausrufezeichen an der Glienicker Brücke sowie in der Berlin-Potsdamer Kulturlandschaft. Der in der Nähe von Oranienburg lebende Bildhauer, Grafiker und Schriftsteller Wieland Förster ist ihr Schöpfer. Zehn Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer ist es der Fördergemeinschaft Lindenstraße 54 gelungen, die Figur an der Glienicker Brücke, einem Wahrzeichen deutsch-deutscher Teilung, aufzustellen. Der 2002 verstorbene Astrophysiker, Bürgerrechtler und Gründungsmitglied der Fördergemeinschaft, Rudolf Tschäpe, hat die Verbindung zu dem Künstler hergestellt.

Daran wurde am Donnerstagabend in der Gedenkstätte Lindenstraße 54 für die Opfer politischer Gewalt im 20. Jahrhundert erinnert, als das gerade im LIT Verlag Münster/Berlin erschienene bildhauerische Werkverzeichnis Wieland Försters präsentiert wurde. Monika Mlekusch, die an der Karl-Franzens-Universität Graz Kunstgeschichte und Europäische Ethnologie studierte, hat das Verzeichnis erarbeitet. Unterstützung erhielt sie vom Künstler selbst sowie von dessen Ehefrau Angelika Förster. Die österreichische Bearbeiterin und Autorin betonte, dass sie von der Kraft und Stärke des bildhauerischen Werkes Försters in den Bann gezogen worden sei. Zehn Jahre arbeitete sie an dem Verzeichnis. Um ostdeutschen Archiven und Bibliotheken näher zu sein, zog sie sogar von Graz nach Berlin um. 341 Plastiken und Skulpturen sind in dem Buch beschrieben.

Das Werkverzeichnis wurde mithilfe des brandenburgischen Kulturministeriums hergestellt. Mit im Boot ist auch die Fördergemeinschaft Lindenstraße 54, deren Vorsitzender Claus Peter Ladner es bedauerte, dass das Land die Anregung Rudolf Tschäpes in den 90er Jahren nicht aufgegriffen hatte, eine brandenburgische Skulpturenschau in der von der russischen Armee geräumten Ulanen-Kaserne zu installieren, in der das bildhauerische Werk Wieland Försters einen festen Platz als Dauerausstellung hätte finden können. Die Absage begründete man damals mit den zu hohen Sanierungskosten des Gebäudekomplexes. Einige Jahre später fand dann auf dem Gelände Kunst doch eine Heimstatt. Ein immer wieder nachdenkenswertes Kapitel: Potsdam und die zeitgenössische Kunst. Dresdens Staatliche Kunstsammlungen haben hingegen zugegriffen. Seit 2001 befindet sich in der Geburtsstadt des Künstlers die „Wieland Förster Stiftung Dresden“. Sie besteht heute aus 58 Plastiken und Skulpturen, die der Künstler in großzügiger Weise eingebracht hat. Dennoch bleibt Wieland Förster mit Potsdam eng verbunden. Dies kam besonders in der Laudatio des Kunsthistorikers Heinz Schönemann zum Ausdruck. Er erinnerte an die Büste Peter Huchels, die vor dem einstigen Wohnhaus des Dichters zu dessen 100. Geburtstag 2003 in Wilhelmshorst aufgestellt wurde sowie an „Das Opfer“ auf dem Hof des ehemaligen Gefängnisses in der Lindenstraße 54 und natürlich an die Nike 89.

Die Werkschau, die Tschäpe 1974 im Großen Refraktor auf dem Telegrafenberg organisierte, gehörte zu Schönemanns beeindruckendsten Erlebnissen mit der Kunst Försters. Der Bildhauer, der durch die traumatischen Erlebnisse der Zerstörung Dresdens und seiner Inhaftierung als Jugendlicher in Bautzen stark geprägt wurde und von der ängstlichen DDR-Obrigkeit Ausstellungsverbot erhielt, weil ihr die Darstellung von Martyrien nicht geheuer war, konnte in Potsdam seine erste umfassende Schau veranstalten, eine faszinierende Ausstellung zeitgenössischer Kunst.

Mitte der siebziger Jahre begann dann der „Aufstieg“ von Förster. Er wurde Vizepräsident der Akademie der Künste Berlin, wurde zu Ausstellungen eingeladen und veröffentlichte eine ganze Reihe von Büchern. Es schien, dass er sich mit der DDR arrangierte. Doch sein kritischer Geist war weiterhin wachsam. Das figürliche Werk, das in der Berliner Bildhauerschule angesiedelt ist, gibt darüber Auskunft. Körperliche und seelische Bedrohungen sowie das Sterben waren weiterhin seine Themen. Doch auch die Lebensbejahung, vor allem in seinen weiblichen Figuren. An der Glienicker Brücke leuchtet eine davon: die Nike 89.

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