Kultur: Ein bildhafter Reger
Bewegendes Hörerlebnis zum Orgelsommer-Finale mit Ekkehard Saretz in der Friedenskirche Sanssouci
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Ein monumentales Ausrufezeichen am Ende. Mit der Orgelfantasie von Max Reger über Luthers Choral „Ein feste Burg ist unser Gott“ gab es das Finale des 23. Internationalen Orgelsommers Potsdam. Ekkehard Saretz, der seit vielen Jahren Kantor in Torgau ist, bestritt das Konzert in der Friedenskirche.
Der in Potsdam Aufgewachsene genoss als Kind im Gotteshaus im Park Sanssouci erste kirchenmusikalische Erlebnisse. Damals erlebte Ekkehard Saretz eine nicht mehr belastbare Orgel. Am Mittwochabend konnte er auf der symphonischen Woehl-Orgel musizieren, die ihm großartige Spiel-Möglichkeiten eröffnete. Der Torgauer Kirchenmusiker beutete in seinem Konzert den Klangreichtum der Königin der Instrumente kräftig aus und bot mit seiner Vortragskunst ein bewegendes Hörerlebnis. Neben Johann Sebastian Bachs Passacaglia c-Moll BWV 582, in der er durch häufige Registerwechsel die Variationen des Werks klar herausstellte, und der kammermusikalisch bedachten Triosonate d-Moll BWV 527, die leider nur mit einem Satz (Andante) erklang – als Zugabe gab es das Adagio e dolce – konzentrierte er sich auf Werke der Spätromantik. Vor allem französische Orgelmusik war angesagt, die sich wegen der Disposition der Orgel sehr gut zur Wiedergabe in der Friedenskirche eignet.
Charles-Marie Widor, die Pariser Jahrhundertgestalt der Orgelkunst, hinterließ mit der Toccata in F-Dur aus der 5. Orgelsinfonie ein Jahrhundertstück. Seinen unwiderstehlichen Schwung erhält das Werk durch ein Perpetuum mobile aus unablässigen Sechzehntel-Girlanden, die sich nur in wenigen Tönen unterscheiden. Eine Auflockerung findet statt, wenn zwischendurch schnelle Läufe und Akkorde wechseln. Die mitreißende Wirkung der Toccata liegt in seiner Energie und Kraft, gebündelt mit Virtuosität und Eleganz. Mit solcherart Interpretation lieferte Saretz bereits zum Konzert-Auftakt einen Höhepunkt. Eine Abkehr von der Orgelsymphonik verfolgte Jehan Alain, der mit 29 Jahren als Soldat im Zweiten Weltkrieg fiel. Von Interesse war für ihn die Zusammenführung klassischer und romantischer Elemente. Dies wurde auch in seinem „Traurigen Tanz zur Erinnerung an einen Helden“ aus den „Drei Tänzen“ deutlich, den er 1939 als Sarabande komponierte. Mit feiner, nie aufbauschender Farbpalette baute Saretz Spannungsbögen in dieser Musik einfühlsam auf. Cesar Francks warmherziger, fast mystisch klingender, mit großer Formenvielfalt ausgestattetem Choral a-Moll fand in der Friedenskirche durch den Organisten eine geistvolle, aber unaufdringliche, manchmal monumentale, doch insgesamt unpathetische Interpretation. Pathos dagegen gab es in der Choralfantasie „Ein feste Burg“ des 25-jährgen Max Reger. Die vier Verse Luthers sind vollständig und programmatisch als Choralvariation auskomponiert. Die Musik verlangt nach einem wohldosierten und weitgespannten Aufbau. Die neobarocken Formen und Figurationen und die Kraft der romantischen Bildhaftigkeit hat Saretz mit deutlicher Bildhaftigkeit und mit enormen Steigerungen musiziert. Der Beifall für diese Interpretation war sehr herzlich.
Das Konzert war die letzte Veranstaltung, für die Matthias Jacob die künstlerische und organisatorische Verantwortung trug. Ende Oktober geht er in den Ruhestand. Der jährlich stattfindende Orgelzyklus hat sich als eine wichtige Säule im Musikleben der Landeshauptstadt und darüber hinaus behauptet. Sein Nachfolger wird ihn weiterführen. Klaus Büstrin
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