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Eine kleine Kostbarkeit. Fotos, die das Potsdam Museum 1990 sicherte und die einst die Schwachstellen an der Mauer aufdecken sollten. Zu sehen sind Aufnahmen von Klein Glienicke, Am Waldrand (oben), und von der Stubenrauchstraße 1985.

© Potsdam Museum

Von Undine Zimmer: Ein blaues Heftchen voller Geschichte

Doppelausstellung zu 50 Jahre Mauerbau in der Landeszentrale für politische Bildung

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Ein blauer Schnellhefter mit 47 Fotos lag seit 1990 im Archiv des Potsdam Museums vergraben. Eine kleine Kostbarkeit. Damals sicherte man alles Spannende, was man von der untergehenden DDR kriegen konnte, erzählt Hannes Wittenberg vom Potsdam Museum. Sein Kollege habe den Ordner entgegengenommen, ohne lange nachzufragen, woher genau die Bilder kommen. Auf der Quittung reichte ein unleserlicher Kringel. Erst jetzt, 20 Jahre später, sind die Fotografien in der Doppelausstellung „50 Jahre Mauer“ vollständig zu sehen. Die Eröffnung wurde am Dienstagabend in der Brandenburgischen Landeszentrale für politische Bildung mit Paukenschlägen und Metallophon gefeiert.

Im ersten Raum befindet sich die Dokumentation „Die Mauer. Eine Grenze durch Deutschland“. 20 großformatige Tafeln folgen ihrer Geschichte mit erklärenden Texten und Bildern von 1961 bis 1989. Alle Bilder sind in Schwarzweiß, jede Tafel hat ein Thema: Auf „Maueralltag“ sieht man Westberliner im Schatten der Mauer grillen. Einer lümmelt sich mit einer aufblasbaren Insel auf der Spree, im Hintergrund auf der anderen Seite des Ufers: Stacheldraht, Mauer und ein Grenzsoldat.

Es gibt weitere pädagogisch aufbereitete Themen: Besatzungszonen, Blockaden, Verzweiflung, Fluchten, Normalisierung, bis man vor den letzten drei Rahmen „Revolution, Mauerfall und Aufarbeitung“ angekommen ist. „Es hätte noch etwas zum Anfassen geben müssen“, sagt ein Besucher. Er ist der Meinung, dass insbesondere Schulklassen etwas Mehrdimensionales bräuchten, um sich für Geschichte zu begeistern. „Die langweilen sich doch sonst“, sagt er. So ein Stückchen „Stalinrasen“ vielleicht, oder eine der 60 000 Selbstschussanlagen „SM70“, die Erich Honecker auf 440 Kilometern entlang der Grenze anbringen ließ.

Im Nebenraum hängen leicht vergrößert die Bilder aus dem blauen Schnellhefter. Für jemanden, der, wie die Autorin, acht Jahre alt war, als die Mauer fiel, sehen die Bilder auf den ersten Blick alle gleich aus: menschenleer, Mauer, der Todesstreifen, Zaun und dann etwas Gestrüpp oder vereinzelte Häuser. Sie sind sorgsam durchnummeriert, jeder Abschnitt ist benannt und sie wurden fast alle im Oktober 1985 von einem Hebekran aus in zwei bis vier Meter Höhe geschossen. So dokumentieren die Aufnahmen den 25,6 Kilometer langen Grenzabschnitt von Kleinmachnow bis zur Wasser-Grenzübergangsstelle in Potsdam-Nedlitz. Alle Zwischenstationen sind mit der Schreibmaschine beschriftet worden. Eine Übersichtskarte zeigt, an welchen Stellen der Grenze die Bilder gemacht worden sind.

Erst als zwei Damen, die die Grenze miterlebt haben, sich über die grauen Bilder unterhalten, erwachen sie plötzlich zum Leben: „Fuhr hier nicht die S-Bahn zwischen Zehlendorf-Teltow Ende der Siebziger?“ Vor dem nächsten Bild murmelt die andere: „Letzte Ausfahrt DDR“, „Wurde der Übergang Drewitz-Dreilinden nicht noch einmal verlegt?“

Viele der Anwesenden haben Erinnerungen. Man sollte sie mit den Bildern sammeln. Hoffentlich haben die Schulklassen, die diese Ausstellung ja schließlich besuchen sollen, Lehrer und Zeitzeugen dabei, die ihnen diese tristen Nicht-Orte näher bringen. Fast zu jedem Bild kann Hans-Hermann Hertle vom Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam (ZZF) in seiner Eröffnungsrede eine gelungene oder gescheiterte Fluchtgeschichte erzählen. Auch diese sollten für junge Besucher sichtbar gemacht werden. Denn jetzt kann sie nur sehen, wer sich noch an sie erinnert.

Die kleinen Fotografien erzählen die Geschichte der Mauer viel leiser, aber eindringlicher als die sorgsam gestalteten Tafeln im Nebenraum. Ihr Zweck war ursprünglich ein ganz anderer. Mit ihrer Hilfe sollten die Schwachstellen der „Berlin-Brandenburgischen Grenze“, wie Hertle sie nennt, aufgedeckt werden. Ein Instrument zur Perfektionierung des Regimes, um auf „Vorkommnisse an der Grenze“ besser reagieren zu können. Wurde ein solcher Fluchtversuch gemeldet, schaute der Operative Diensthabende (OpD) sich das Foto des entsprechenden Abschnitts an und gab daraufhin Befehle. Ein aufwändiges System aus heutiger Sicht. Akribische Effektivität aus damaliger. Warum die Bilder erst jetzt in einer Ausstellung zu sehen sind? „Manche Dinge brauchen ihre Zeit“, so Wittenberg.

Die beiden Räume der Austellung bieten zwei Perspektiven auf die Mauer, die sich gut ergänzen: Eine erzählt von Politik, europäischer Geschichte, systematisher Unterdrückung. Der zweite Raum zeigt intime Nahaufnahmen. Und flüstert: „So lange ist es noch nicht her.“

50 Jahre Mauerbau“ bis zum 23. Juni in der Brandenburgischen Landeszentrale für politische Bildung, Heinrich-Mann-Allee 107 (Haus 17)

, ine Zimmer

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