Kultur: Ein buntes Kaleidoskop
Der Kölner Lingen Verlag edierte das Buch „Der Wiederaufbau der Potsdamer Garnisonkirche“
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„Der Wiederaufbau der Potsdamer Garnisonkirche“ umfasst 160 Seiten. Auf gut 80 Seiten des Buches entdeckt man Texte, die sich in ihren Aussagen wiederholen. Man lobt gemeinsam das Gotteshaus als prägende Stadtdominante, man verurteilt den „Tag von Potsdam“, mehr oder weniger intensiv, doch einhellig und entschieden den befohlenen Abriss des Garnisonkirchen-Turmes durch die SED im Jahre 1968.
Der Bonner Potsdam-Freund ReinReinhard Appel und der Potsdamer Potsdam-Kenner Andreas Kitschke haben im Lingen Verlag Köln ein neues Buch über die Hof- und Garnisonkirche herausgegeben. Es wurde zur rechten Zeit der Öffentlichkeit übergeben, denn am 9. November wurde die Versöhnungkapelle in der Garnisonkirchen-Ausstellung in der Breiten Straße 7 eingeweiht. Vom Buchpreis 16,95 Euro werden ein Euro für den Wiederaufbau verwendet – erstaunlich wenig.
Appel und Kitschke, die auch mit eigenen Beiträgen im repräsentativen Band vertreten sind, haben 18 Autoren gebeten, zu schreiben, Persönlichkeiten, die sich für den Wiederaufbau der 1945 zerstörten Kirche engagieren, unter anderen Bischof Wolfgang Huber, die Politiker Matthias Platzeck, Jörg Schönbohm, Jann Jakobs, die Kunsthistorikerin Saskia Hüneke oder den Architekten Günther Vandenhertz.
Das Buch wird immer dann interessant und lebendig, wenn Zeitzeugen sich erinnern. Es war gut, dass sie ihre Erlebnisse aufgeschrieben haben und veröffentlichten. Beispielsweise Maria Luise Damrath, deren Vater, Rudolf Damrath, ab 1937 Pfarrer an der Garnisonkirche war und zu den Widerständlern gegen Hitler engen Kontakt hielt. Auch er war der Gestapo verdächtig, doch kein aktiver Verschwörer, wie seine Tochter bemerkt. Gebhard Falks schrieb einen spannenden Text über seine öffentliche Warnung des Abrisses des Gotteshauses vor der Potsdamer Stadtverordnetenversammlung im April 1968. Er und weitere drei Parlamentarier haben gegen das Schleifen des Turmes gestimmt. Ein Fünftel der Mitglieder der Stadtverordnetenversammlung blieben der Abstimmung fern. Manfred Stolpe weiß in seinem Beitrag ebenfalls Interessantes aus den sechziger Jahren mitzuteilen, beispielsweise, dass der sowjetische „Retter Sanssoucis“, Professor Ludschuweit, sich für die Garnisonkirche einsetzte, dass der damalige Verwalter des Bischofsamtes der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg, Albrecht Schönherr, mehrmals gegen die Abriss-Gerüchte bei Ulbricht protestierte. Schönherr, so Stolpe, habe vorgeschlagen, den Turm weiterhin kirchlich zu nutzen, wie es nach dem Krieg geschah, und die Kirchenruine als Mahnmal gegen Krieg und Faschismus zu gestalten. „Auch die Mahnmale der Konzentrationslager Sachsenhausen und Ravensbrück böten Erinnerung und Vergangenheitsbewältigung. Der Nazitag von 1933 sei kein schlüssiges Argument, für den Abriss des Kirchturms. Er habe die Sorge, dass ein Generalverkehrsplan für Potdam schematisch umgesetzt werden solle ...“ Jeglicher Protest blieb ungehört. Die Ruine wurde gesprengt.
Andreas Kitschke hat sich der barocken Architektur der Kirche zugewandt sowie ihren Wiederaufbauplanungen. Saskia Hüneke gibt Auskunft über das barocke Bildprogramm: „Alle Pracht konzentrierte sich auf den Kirchturm, dessen weithin sichtbare Ausstrahlung vor allem aus einer reichen, plastischen Architektursprache ... in wohlbedachten Maßverhältnissen herrührte.“
In einigen Beiträgen spürt man aber auch die Distanz der Autoren zu dem Vorhaben der evangelischen Kirche, in der Garnisonkirche eine intensive Versöhnungsarbeit zu leisten. Versöhnung, so sagen die Kritiker, findet in jeder Kirche statt. Das stimmt. Aber in jedem Gotteshaus wird auch Frieden verkündet. Gut, dass der neue Vorsitzende des Fördervereins der Garnisonkirche, Johann-Peter Bauer, in seinem Artikel davon redet, dass das Gotteshaus zum Ort der versöhnlichen Begegnung aller Menschen, guten Willens werden will.
Das neue Buch zur Garnisonkirche enthält ein buntes Kaleidoskop von Meinungen, Erinnerungen und Berichten, auch viele alten und neue Fotos sowie spannende Dokumente.
Reinhard Appel, Andreas Kitschke (Hg) Der Wiederaufbau der Potsdamer Garnisonkirche, Lingen Verlag, 16.95 Euro.
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