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Ein ewiges Geheimnis. Bei ihm ging es immer um die ekstatische, die mystische Liebe – der Name des Dichters Dschelaleddin Rumi, der von 1207 bis 1273 lebte, wurde in der arabischen Welt zur Chiffre für mystische Ekstase.

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Kultur: Ein Derwisch der Liebe

Bei KAPmodern dreht sich am Mittwoch alles um den persischen Dichter Dschelaleddin Rumi

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In Johann Wolfgang Goethes poetischen Wanderungen zwischen den Kulturen, dem „West-östlichen Divan“, taucht er nur im Anhang auf. Dort heißt es über Dschelaleddin Rumi: „Seine Werke sehen etwas bunt aus. Geschichtchen, Märchen, Parabeln, Legenden, Anekdoten“ Dass Goethe den persischen Dichter eher links liegen ließ, lag wohl auch an den seinerzeit begrenzten Zugangsmöglichkeiten. Erst der Orientalist Friedrich Rückert drang tiefer in Rumis mystische Poesie, wie seine deutschen Fassungen von 44 Liebesgedichten, den sogenannten Ghaselen, bezeugen. Ihm folgten viele weitere Übersetzungen in östliche und westliche Sprachen. Im Jahr 2007 bezeichnete der englische Rundfunk BBC Rumi sogar als populärsten Poeten von Amerika.

Jetzt widmet ihm die Kammerakademie Potsdam im Rahmen der Reihe KAPmodern einen Abend unter dem Titel „Ich würd´ dich liebend gerne küssen Offene Geheimnisse“. Dazu spielt der ägyptische Lautenvirtuose Hossam Mahmoud mit dem kleinen Ensemble der Kammerakademie eigene Kompositionen, darunter zwei Uraufführungen. Der gebürtige Ägypter, der seit 1990 in Österreich lebt, ist ein Kenner der arabischen Musik. In seinen Werken kombiniert Mahmoud Elemente aus beiden Welten – der westlichen und der arabischen. So entstehen Brücken, sagt er: „Der Vorteil der Musik ist, dass sie keine Grenzen kennt. Sie kann besser zur Verständigung zwischen den Menschen beitragen, mit Vorsicht und Respekt auch über die Religionen hinweg.“

Dschelaleddin Rumi, der von 1207 bis 1273 lebte, ist nicht nur als bedeutender Dichter in die Geschichte eingegangen, sondern auch als Begründer des Mevlevi-Derwisch-Ordens. Bis heute ist sein Grab in der anatolischen Stadt Konya eine Pilgerstätte dieser bekannten Sufi-Bruderschaft. Dass Rumis Name zur Chiffre für mystische Ekstase geworden ist, wirft noch einmal ein eigenes Licht auf seine Schriften, die in der iranischen und türkischen Literatur bis heute bewundert werden. Zwar unterscheidet sich die zentrale Botschaft gar nicht so sehr vom schlichten, von den Beatles postulierten „All You Need is Love“ unserer Tage. Doch natürlich weiß der gebildete Poet das in erlesenen Worten und Bildern auszudrücken. Die Liebe, heißt es, ist ein Ozean, sie ist die alles verwandelnde Alchemie und der Arzt aller Krankheiten, allein sie vermag der Seele Ewigkeit zu verleihen.

Zum Dichter der Liebe wurde Rumi durch die Begegnung mit einem wandernden Derwisch namens Schamseddin. Fortan vernachlässigte der Theologe seine Familie und seine Lehrverpflichtungen an einer Koranschule in Konya, um alle Zeit mit seinem Freund und Geliebten zu verbringen. Dass der Angebetete männlichen Geschlechts war, entsprach damaligen Sitten durchaus, wie in zahlreichen Zeugnissen der mittelalterlichen islamischen Literatur dokumentiert ist.

Als Schamseddin nach etwa zwei Jahren die Stadt wieder verlassen hatte, begann Rumi den „Divan des Schams-e Tabrizi“ zu schreiben, eine Lebensarbeit, die über dreißig Jahre bis kurz vor seinem Tod dauerte. Mit dieser Sammlung lyrischer Gedichte in rund 25 000 Versen setzte er nicht nur sich selbst und seinem Freund ein bleibendes Denkmal. Vielmehr schuf er ein Hohelied mystischer Gottesliebe im Sinne der Einheit von allem Seienden, so wie es von der Sufi-Philosophie seit jeher postuliert wurde.

Erst durch die Hingabe an den Geliebten, dessen Antlitz ein Sinnbild göttlicher Schönheit ist, kann demnach das hehre Ziel erreicht werden. Nicht auf den ersten Blick erschließt sich das multikulturelle Substrat dieser Dichtung, wie etwa die Anleihen aus der griechischen Philosophie, insbesondere bei Platon, der mehrfach ehrfürchtig von Rumi genannt wird. Anders als im orthodoxen Islam stellen Musik und Tanz im Sufismus wesentliche Medien dar. So wie die ekstatischen Derwische um ihre eigene Achse als Abbild des kreisenden Universums wirbeln, so reflektiert Rumis Poesie spirituelle Rauschzustände. Das sprachliche Element soll neue Verbindungen und Assoziationen schaffen, erklärt Tobias Lampelzammer von der Kammerakademie Potsdam, geistiger Vater des einmaligen interkulturellen Abends. Goethe würde staunen, könnte er hören, wie die von ihm begonnenen Brücken zwischen den Kulturen des Morgenlands und des Abendlands im 21. Jahrhundert in Potsdam ausgebaut werden.

Das Konzert „Ich würd´dich liebend gerne küssen“ findet am Mittwoch, 20. Mai, um 20 Uhr im Foyer des Nikolaisaals, Wilhelm-Staab-Straße 10, statt. Bereits um 18 Uhr gibt es einen Vortrag über Celaleddin Rumi, die Musik und die Mystik der göttlichen Liebe im Einstein Forum, Am Neuen Markt 7.

Babette Kaiserkern

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