Kultur: Ein Elendsort, ein Glücksort
Mathias Döpfner sprach über die Villa Schöningen und sein kulturelles Engagement in Potsdam
Stand:
Nein, ihm schlugen weder Skepsis noch Böswilligkeit entgegen, als er sich für die Villa Schöningen engagierte. Da erging es ihm anders als dem Mäzen Hasso Plattner, der mit seinem Kunsthallenprojekt in der Innenstadt auf die giftigen Pfeile missgünstiger Mitbüger stieß. „Man denkt, die Stadt freut sich über so ein Engagement. Aber Potsdam ist kein leichtes Terrain. Somit ist auch dieses Thema kein leichtes.“
Mathias Döpfner war am Donnerstagabend vom Förderkreis des Hans Otto Theaters eingeladen worden, um über das „Kulturelle Engagement in und für Potsdam“ zu sprechen. Der Theaterkreis um Lea Rosh war zu Gast in der Villa Schöningen, auch um eine engere Zusammenarbeit mit dem geschichtsträchtigen Haus auf den Weg zu bringen. Den Auftakt dazu gibt es am heutigen Samstag, wenn Schauspieler Alexander Finkenwirth in der aktuellen Ausstellung „Realität und Fiktion“ in der Villa Schöningen aus Rafael Horzons Schelmenroman „Das weisse Buch“ liest.
Mathias Döpfner, Hausherr und Gastredner zugleich, umschiffte alle Untiefen, die das Thema bieten könnte, und hielt sich in seinem dennoch spannenden Exkurs an die eigenen Erfahrungen. „Ich kann ohne jede Verbitterung vortragen, was ich in Potsdam erlebte“. Und das tat er mit Schwung und Esprit und ohne jede Eitelkeit. Er erzählte, wie er jahrelang jeden Tag auf dem Weg zur Arbeit an der verfallenen Villa vorbeifuhr – und innerlich litt. Seit 1998 lebt Döpfner in Potsdam; eine Stadt, die für den Heimatlosen, der bislang rastlos von einem Ort zum anderen gezogen war, sofort zur Heimat wurde. Doch diese schreckliche Ruine – als erstes Haus von Potsdam – trieb ihn um. Eines Tages kletterte er über den Zaun, drang in die Wildnis des Gartens ein und wusste, dieses Haus würde er gern retten. Doch es gab ja schon einen Besitzer, einen der unseligen Art,der das Haus abreißen und dafür sieben Villen bauen wollte. Die Stadt war zwar dagegen, doch der Besitzer prozessierte so lange, bis er die Abrissgenehmigung bekam. Mathias Döpfner trat dennoch an ihn heran, um die Ruine von ihm abzukaufen. Und erhielt das Angebot, sich innerhalb von 48 Stunden zu entscheiden, ob er die geforderte Kaufsumme hinzulegen bereit wäre. Döpfner wandte sich an den vermögendsten Freund, den er hatte, den Bankier Leonhard Fischer, und sofort stand fest: Das machen wir zusammen, auch wenn sich damit kein Gewinn erzielen lässt.
Mathias Döpfner, der zehn Jahre als Musikwissenschaftler, „der Inbegriff der brotlosen Kunst“, arbeitete und es schließlich bis zum Vorstandsvorsitzenden des Medienunternehmens Axel Springer AG brachte, hatte immer das Gefühl, dass das Leben es gut mit ihm meine. Ohne Pathos sprach er vom Gefühl der Demut und Dankbarkeit. Und von dem Wunsch, andere an seinem Glück teilhaben zu lassen.
Die Villa Schöningen ist seine ganz private Spielwiese, auf der er vor allem seine Liebe zur zeitgenössischen bildenden Kunst auslebt – sehr zum Gefallen der zahlreichen Besucher. Die können in der Villa auch in die junge deutsche Geschichte eintauchen, die sich hier wie in einer Nussschalen-Version über mehrere Epochen spiegele, so Döpfner: Sie erzählt vom preußischen Deutschland und dem Glanz des Kaiserreiches, von der Erfolgsgeschichte jüdischer Assimilation, von Nazibarbarei, Freiheitsbeschränkung in der DDR und der hässlichen Seite der Widervereinigung, die eben auch Glücksritter aus dem Westen anlockte. Ein Glücksort, ein Elendsort. Und heute wieder ein Glücksort – dank des Engagements von Idealisten wie Döpfner und Partner. Der Kunstliebhaber fand es geradezu zwingend, aus der Villa ein öffentliches Haus zu machen, das an diese Geschichte erinnert, die1843 begann, als der preußische Kronprinz sich über ein Bootsbauernhaus ärgerte, das seinen royalen Blick beleidigte. Er fragte den Hofmarschall von Schöningen, ob er nicht an der Stelle etwas Schöneres bauen könnte. Und untersetzte seine Bitte mit einer Bibel und 10 000 Talern drin. Als dem Marschall das Geld ausging, sagte der König: Da hilft nur beten, und gab ihm erneut eine Bibel mit weiteren Talern.
Später wohnte der Bankier Hermann Wallich darin, eine assimilierte jüdische Familie. Und schließlich Sohn Paul, der die Villa zu einem Glücksort der Kunst und Kultur gedeihen ließ. Bis die Nazis an die Macht kamen und Wallich einen Tag nach der Pogromnacht Selbstmord beging. Er hinterließ einen Brief, in dem stand: „Jetzt könnt Ihr eine Hakenkreuzfahne auf dem Turm der Villa hissen“, was auch sofort geschah. Nach den Nazis kamen die Russen, nach 1952 ein Heim für Kinder mit Blick auf Todesstreifen und später auf die Mauer. Und schließlich trat ein Immobilienhai auf den Plan, der diese von Persius errichtete Villa, die allererste der italienischen Turmvillen in Potsdam, plattmachen wollte.
Heute ist die Villa ein fröhlicher Ort der Freiheit. Allein der Blick zurück reicht Mathias Döpfner nicht aus. Er will mit diesem schmucken Haus an der Glienicker Brücke auch die Gegenwart betrachten, und in die Zukunft schauen. Dazu gehört nun auch die Zusammenarbeit mit dem Theater. Intendant Tobias Wellemeyer sagte, dass sich mit der Ambivalenz, die in der Villa Schöningen zum Ausdruck komme, auch die Inszenierungen seines Hauses beschäftigen. „Es gibt beinahe so etwas wie eine Seelenverwandtschaft.“ Mathias Döpfner musste indes eingestehen, noch nicht im Hans Otto Theater gewesen zu sein. Das liege aber nicht am fehlenden Interesse, sondern an der fehlenden Zeit.
Die Frage nach einem zusätzlichen Engagement für Potsdam schlug Döpfner sofort aus. „Wir verausgaben uns hinlänglich finanziell und zeitlich in der Villa Schöningen. Ich kann nicht noch etwas anderes bestreiten. Aber ich kann andere ermutigen, sich ebenfalls einzubringen. Dafür stehe ich zur Verfügung: andere zu begeistern. Denn man bekommt für sein Engagement so viel zurück.“ Und er erzählt, wie eine Familie mit drei Kindern vor einer sehr modernen provokanten Plastik im Villengarten gestanden habe und versuchte, sich den Inhalt zu erschließen, während eine Art Direktorin nur naserümpfend vorbeigegangen sei.
Mathias Döpfner wünscht sich eine möglichst intensive Vernetzung zu anderen Kultureinrichtungen der Stadt und will keinerlei Konkurrenzgedanken aufkeimen lassen. „Jetzt stehen wir mit dem Hans Otto Theater am Anfang einer wunderbaren Kooperation, bei der noch sehr viel möglich ist“, betonte der Kulturenthusiast.
„Finkenwirth liest Horzon“ am heutigen Samstag, 20 Uhr, Villa Schöningen, Berliner Straße 86, Karten 4 Euro
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: