zum Hauptinhalt
Mit der Literatur verwoben. Die Germanistin Karin Graf gründete 1995 die Berliner Literaturagentur Graf&Graf und organisiert seit 2013 Lit:Potsdam. 

© Sandra Gramm

Kultur: „Ein Fest der Literatur“

Die Berliner Literaturagentin Karin Graf organisiert bereits zum dritten Mal das Festival Lit:Potsdam

Stand:

Frau Graf, das Festival Lit:Potsdam fand vergangenes Jahr im August statt. Diesmal startet es zu Beginn des Sommers. Was ist der Grund für diese Terminverschiebung?

Zum einen wollten wir den Festivalsommer entzerren. Das Berliner Literaturfestival ist ja traditionell Mitte September. Wir wollten eine größere zeitliche Entfernung und so ein weiteres Alleinstellungsmerkmal für Potsdam haben, um damit zu sagen, Potsdam ist deutlich anders als Berlin und keine Konkurrenz zu Berlin. Zweitens geben wir uns große Mühe, auch die kleinen und die jungen Leser in dieses Festival zu integrieren. Dieses Jahr haben wir einen ganzen Tag für Kinder vorgesehen und auch unsere Autoren gebeten, Lesungen in den Schulen durchzuführen. Deswegen findet das Festival kurz vor den Sommerferien statt.

Das diesjährige Motto lautet „Starke Worte, schöne Orte“. Das klingt nach Literatur mit Eventcharakter. Wirken die Worte denn nicht auch ohne die Orte?

Man müsste ja dumm sein, wenn man die Schönheit Potsdams nicht auch herausstellen würde. Das Wort und den Ort zu verbinden, ist doch eigentlich schön.

Dennoch die Frage, ob die Literatur an solchen Orten nicht nur zum Beiwerk wird.

Nein. Im Gegenteil. Ich finde, man stärkt die Literatur. Wenn man sich wohl fühlt, dann ist man entspannter und offener, dann kann man besser zuhören und sich konzentrieren, als wenn man in einem Raum sitzt, in dem es eng und hässlich ist. Wenn Sie in eine Oper gehen, haben Sie ein Bühnenbild, wenn Sie zu einer Filmpremiere gehen, dann wird ein roter Teppich ausgerollt, wenn Sie zu Festspielen gehen, gibt es vorher Champagner auf der Straße. Da wird die Kunst gefeiert. Warum soll die Literatur, die doch gleichrangig mit den anderen Künsten ist, in Sack und Asche herkommen und warum soll ihr ein fensterloser Raum und ein Glas Wasser auf dem Tisch reichen? Warum soll man nicht, wenn Martin Walser über die Liebe redet, an einem Ort sein, der sich damit verbindet?

Martin Walser wird im Palais Lichtenau lesen, er ist in diesem Jahr „Writer in Residence“. Welche Idee verfolgen Sie mit diesem Konzept des residierenden Autors?

Für den Autor ist damit das Angebot verbunden, über die ganze Zeit des Festivals in der Stadt zu bleiben. Er bekommt nicht nur eine Nacht in einem Hotel bezahlt und verschwindet am nächsten Tag wieder, sondern er kann in der Stadt spazieren gehen und sich mit ihr beschäftigen.

Das heißt, Sie machen dem Autor auch Angebote, die Stadt kennen zulernen?

Ja, Hans Magnus Enzensberger hat das letztes Jahr sehr stark in Anspruch genommen, er ist viel mit öffentlichen Verkehrsmitteln durch Potsdam gefahren, hat eine Bootsfahrt unternommen, ist der Einladung von Potsdamer Bürgern zum Abendessen gefolgt, das macht Martin Walser sicher auch. Walser wird schon einen Tag vorher kommen, um sich zu akklimatisieren.

Was war ihr Anliegen, Martin Walser nach Potsdam zu holen?

Wir wollen, dass das Festival mit einem Autor beginnt, der einen reichen Schatz an Werken und Erfahrung mitbringt, der sich der Potsdamer Öffentlichkeit im Gespräch stellt. Wir haben auch jemanden für nächstes Jahr im Blick, der ganz bewusst kein Debutant ist, kein Pop-Autor, sondern ein reifer Autor ist.

Die Lit:Potsdam widmet sich nun schon im dritten Jahr dem Thema der globalisierten Heimat. Warum diese Kontinuität?

Wir haben fast ausschließlich durchgehende Konzepte und wollen ganz bewusst ein inhaltliches Programm machen. Wir haben Programmsäulen, die wir mit Autoren füllen und schauen nicht nach Neuerscheinungen und dem, was gerade im Feuilleton besprochen wird, sondern danach, was in unserem Leben und unserer Gesellschaft von Bedeutung ist.

Ein Schwerpunkt ist dieses Jahr Israel, was erwartet das Publikum da?

Im vorletzten Jahr ging es um Ferne und Heimat, im letzten Jahr um Europa. Der Aufhänger sind in diesem Jahr die 50 Jahre diplomatische Beziehungen zwischen Deutschland und Israel. Wir haben zwei Autorinnen, von denen die eine, Lizzie Doron, in Israel, die andere, Adriana Altaras, in Deutschland lebt und die sich in ihren Büchern mit ihrer jüdischen Herkunft und ihrem Alltag auseinandersetzen.

Die Lit:Potsdam geht ins dritte Jahr. Eigentlich sollte das Festival im vorigen Jahr bereits und auch in diesem Jahr auf eine Woche ausgedehnt werden. Warum bleibt es dennoch bei den drei Tagen?

Das ist eine rein finanzielle Entscheidung. Lizzie Doron kommt extra aus Israel, wir haben jedes Jahr einen ausländischen Autor. Aber Transatlantikflüge beispielsweise können wir nicht zahlen. Deshalb ist das Festival immer noch kurz und stark deutsch ausgerichtet. Das ist wirklich eine Frage der Finanzierung, die leider nicht so wächst wie das Interesse. Im letzten Jahr haben sich die Besucherzahlen fast verdreifacht.

Halten Sie fest an dem Wunsch, das Festival auszudehnen oder werden Sie sich mit den drei Tagen künftig zufrieden geben?

Wir hätten noch mehr Bausteine für das Festival, wir würden auch gern noch mehr außerhalb Potsdams anbieten. Sobald wir das Gefühl haben, dies auch finanziert zu bekommen, würden wir das Festival ausdehnen.

Die Abschlussveranstaltung widmet sich der politischen Lyrik, Corinna Harfouch liest im Brandenburgischen Literaturbüro aus der Anthologie „Niemals eine Atempause“. Politik am Ende des Festivals ist inzwischen auch zur Tradition geworden?

Im letzten Jahr hatten wir im Literaturbüro erstmals eine Abschlussveranstaltung mit politischer Literatur, damals war es der 100. Gedenktag zum Beginn des Ersten Weltkriegs, dieses Jahr jährt sich das Ende des Zweiten Weltkrieges zum 70.Mal. So dass man sehr feierlich anfängt und sehr ernst aufhört.

Das Gespräch führte Grit Weirauch

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })