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Kultur: Ein Fest mit Freunden

Die „Lange Jubiläums Nacht“ anlässlich des 10-jährigen Bestehens des Potsdamer T-Werks

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So charmante Gratulanten sind selten. Keine Blumen, keine Reden, sondern ein Geburtstagsständchen am Ende der Vorstellung. Da hat der traurig-komische Held in den weiten Hosen und dem karierten Jackett (Steffen Findeisen) schon einiges hinter sich: Ein Baguette verloren, eine Hose bekommen und sie gegen einen Besen eingetauscht. Als er mit dem Besen als Paddel auf einem unsichtbaren Floß schon gen Ausgang rudert, hält er kurz inne: „Happy Birthday, dear T-Werk...“. Und verschwindet.

Das Geburtstagslied vom Theater Nadi war das wahrscheinlich unerwartetste Geschenk, das dem T-Werk in seiner „Langen Jubiläums Nacht“ anlässlich seins 10-jährigen Bestehens gemacht wurde. Es entsprach dem Abend: wenig eitle Worte, dafür viel Bühne und viel Humor. 1997 wurde das T-Werk im Babelsberger Waldschloss gegründet, zog 2004 in die Reithalle B und bekam 2006 endlich seine eigene Spielstätte in der Schiffbauergasse. Dort feierte es sich am Samstag mit einem Theatermarathon. Neben dem Potsdamer Nadi Theater kamen sechs weitere Gäste, die den Weg des T-Werks mit begleitet und geprägt haben. Ein Fest mit Freunden eben.

Und nicht nur für Erwachsene. Der erste Teil des fast achtstündigen Abends gehörte den Jüngsten. Den Auftakt gab Claudia de Boer vom Berliner „Figurentheater Blauer Mond“, das bereits drei mal im T-Werk zu Gast war. Ihre Geschichte „Das Märchen von den zwei Häschen im Walde“ ist Hänsel und Gretel in zarter Abwandlung: Die zwei Häschen werden nicht von den Eltern ausgesetzt, sondern auf Futtersuche geschickt und die böse „Babulla“ muss am Ende zwar im eigenen Ofen schmoren, scheint das aber sehr zu genießen. Eine Bühne aus Pappe, Hasen ohne Gesicht – trotz der einfachen Mittel eine für die Kinder sehr wirksamer Bühnenzauber.

Auch „Jumping Mouse“ vom Theater o.N. und Theater Ozelot schaffte es, die Phantasie der Zuschauer zum Hauptakteur werden zu lassen. Die wunderbar einfache, vielschichtige Produktion ist ein alter Bekannter des Hauses: Schon 2003 gastierte sie im T-Werk, damals noch im Waldschloss. Zwei Tüten Sand, ein Beutelchen mit Pflaumenkernen und jede Menge Stimme – mehr braucht Ulrike Monecke nicht, um die Geschichte von „Maus“ zu erzählen. Es geht um Sehnsucht und Verzicht, Mut und auch um den Tod. Der Held Maus will eigentlich einfach raus aus seinem Loch, und reist zum Fluss. Dann will er zu den Bergen, und schafft auch das. Alles ist hier möglich, und das auf stille, zauberhafte Weise, mit geringstem Aufwand.

Anders die letzte Kindertheaterproduktion. „Rumpelstilzchen“ vom Musiktheater Pampelmuse macht das Märchen zu einem kunterbunten, technisch aufwändigen Musical. Die sehr eingängigen Texte werden über Mikroports gesungen, die Musik kommt vom Keyboard. Anders als bei „Jumping Mouse“ sind hier vor allem die Kinder begeistert. Die Frage, ob denn jemand einen Kinderschrei mithabe, muss Rumpelstilzchen nicht zweimal stellen. Die Schinkelhalle bebt.

Mit dem scheinbar paradox betitelten Beitrag „Komödie Kafka“ gratulierten die Schauspieler Dominik Stein und Timo Sturm zum Jubiläum. Beide sind schon mehrmals am T-Werk zu sehen gewesen, etwa 2005 gemeinsam in „Orange und Zitrone“. Der Kafka, den sie vorstellten, war anlassgemäß jedoch nicht finster, sondern überraschend heiter. Zumindest für Kafkasche Verhältnisse. Die kürzeste Erzählung beginnt: „Ach, die Welt wird immer enger, sagte die Maus“. Und endet: „Du musst nur die Laufrichtung ändern, sagte die Katze und fraß sie.“

Ähnlich skurril ging es bei der Leipziger Gruppe Wilde und Vogel zu. Auf der Gästeliste durften sie nicht fehlen. Ihr „Sommernachtstraum – reorganisiert“ war der Höhepunkt bei Unidram 2005 und auch diesmal wurde es zum künstlerischen Herzstück. Aus Shakespeares Vorlage machen Wilde und Vogel und der Wiener Christian Bochdansky eine Reise zum Mond. Der Weg ist gestreut mit vertrauten Zitaten, aber sonst ist alles wunderbar fremd: Kniehohe Metall-Saurier schleichen durch den Raum, die vier Liebenden sind einfach goldene Bälle, Hermia eine Mini-Marionette, die dem Vater auf der Nase herumtanzt.

Aus Zettels Traum wird hier „I have a dream“. Altes neu sehen: das Schönste, was Theater kann. Zum Schluss taumeln die zwei auf der Bühne auf eine Mondsichel zu und der Zuschauer nach einer langen Nacht heimwärts, den Kopf voller Bilder. Bis zum nächsten Fest, hoffentlich bald. Lena Schneider

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