Kultur: Ein Fotograf in Sanssouci
Eine Ausstellung in der Kunstbibliothek Berlin zeigt Fotos der Innenräume des Potsdamer Schlosses
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Eine Ausstellung in der Kunstbibliothek Berlin zeigt Fotos der Innenräume des Potsdamer Schlosses Er hatte einen Sonderstatus. An jedem Montag, wenn die Touristen vor der Tür bleiben mussten, konnte Hillert Ibbeken durch die Räume von Schloss Sanssouci wandern, ungestört wie einst der König selbst. Durch das Vestibül, die Eingangshalle, den herrschaftlichen Marmorsaal, die Wohnung Friedrich II., das Konzertzimmer, die Bibliothek, die Kleine Galerie. Der Berliner Fotograf kletterte über Absperrbänder und auf Gerüste, um von dort aus unbekannte dekorative Raffinessen der königlichen Gemächer zu entdecken. Sogar Leuchter nahm man für ihn von der Decke, damit er seine Kamera in freier Sicht auf Schönheiten des Interieurs richten konnte. „Sanssouci, das unbekannte Schloss“ – unter diesem Titel ist eine Auswahl der in dem weltberühmten Weinbergschloss aufgenommenen Bilder nun in der Kunstbibliothek Berlin zu sehen. Wem das noch nicht genug ist, der findet eine noch größere Sammlung, 280 Fotografien, in dem Buch „Schloss Sanssouci, die Sommerresidenz Friedrich des Großen“, die von dem ehemaligen Chef der Stiftung Preußischer Schlösser und Gärten, Hans-Joachim Giersberg, und Ibbeken herausgegeben wurde. Übersichtliche und interessante Texte zur Geschichte des Schlosses (von Giersberg verfasst) und zur Programmatik der Innenraum-Ausstattung (Gastautoren) ergänzen die Fotografien. Der 400 Seiten umfassende Band wurde zur Vernissage der Schau am Donnerstagabend vorgestellt. 330 000 Besucher im Jahr, 1800 Gäste täglich ziehen durch das Schloss. Alle zehn Minuten wird eine neue Gruppe eingelassen, die jeweils vier Minuten in jedem der zehn zu besichtigenden königlichem Räume verbringt. „Das ist viel zu kurz, um den Reichtum zu erfassen“, sagt der Fotograf. Er selbst hatte 36 Montage Zeit, sich dem ihm bis dahin unbekannten Schlossinneren zu nähern. Von Mai 2001 bis Juni 2002: Jetzt kann er sich vorstellen, wie es ist, im Winter in einem Schloss ohne Heizung zu leben. Zunächst fotografierte Ibbeken ohne Konzept. Dann stieß er auf immer die gleichen Motive und machte sie zum Gegenstand seiner Bilder. Auf Rocaillen, die c-förmigen Verzierungen, die dem Rokoko ihren Namen gaben. Auf Instrumente, die für den Musikliebhaber und Philosophen Friedrich II. eine große Rolle spielten. Auf astronomische Symbole, Früchte, Blüten und Blätter, die Wände und Decken schmücken. Tiere hingegen fand er seltener vor, und wenn dann in idealisierter Form, in Bildern von antiken Mythologien, erklärt Ibbeken. In einem hellen Raum mit Oberlicht werden die Schloss-Fotografien in der Kunstbibliothek präsentiert. Gold und Weiß beherrschen die Bilderwelt. Goldene Engel, goldene Weinreben und Rosen, weißer Marmor und idealisierte Naturwelten in farbigem Öl verzieren Wände und Decken der gezeigten Schlossräume. Ein ästhetisch fotografierter Reigen, ungerahmte Bilder in unterschiedlichen Formaten, die sich in der Schau zu einer ästhetischen Banderole zusammenfügen. Ibbeken zeigt das Vestibül mit den korinthischen Doppelsäulen und der Skulptur des sitzenden Mars im Hintergrund. Geht dann zum Detail über, einem Ausschnitt des Deckengemäldes. In weichen Wolken fliegen pummelige Engel um Pomona herum, die altrömische Göttin der Früchte, die ein Füllhorn mit Obst in den Himmel entleert. Kräftige Farben. Ein wunderschönes Bild, das für sich stehend nicht an Ausstrahlung verliert. Mit künstlerischem Blick setzt der Fotograf die goldenen Reliefs mit den musizierenden Bacchanten und tanzenden Nymphen ins Bild. Er umrahmt mit Säulen, schneidet die szenischen Reliefs an, lässt sie in den sie umrankenden Weintrauben wirken. Holzschnitzereien zeigt er in goldene Türdekoration eingefasst. Ein eigenes Kunstwerk. Nicht nur der Blickwinkel ist dem Fotografen außergewöhnlich gut gelungen, er beherrscht auch das Spiel mit dem Licht. Es fällt durch die Fenster des Marmorsaals und lässt die Kuppel leuchten. Es taucht das Konzertzimmer in helle Farben. Dabei setzte Ibbeken auf natürliche Effekte. Blitzlicht war tabu - trotz dunkler Regentage. „Im 18. Jahrhundert gab es so etwas auch nicht“, erklärt er. Manchmal brauchte seine alte Linhof Kardan Bi Balgenkamera bis zu fünf Minuten Belichtungszeit. Zu dem Projekt kam der Fotograf, der bis zu seiner Pensionierung im Jahr 1997 Professor für Geologie war, über Mitherausgeber Giersberg. Der Ex-Stiftungsdirektor hatte bereits mehrfach mit ihm zusammengearbeitet. Ibbeken fotografierte im Auftrag der Stiftung in Deutschland, Polen und Russland Architektur von Karl Friedrich Schinkel und in Potsdam und Umgebung Gebäude von Ludwig Persius. Die von Knobelsdorff erbaute Sommerresidenz Friedrich II. muss sich Ibbeken nun wohl an gewöhnlichen Öffnungstagen ansehen. Die Zeiten mit dem Sonderstatus dürften vorbei sein. Kunstbibliothek Berlin, Kulturforum am Potsdamer Platz, Di-Fr 10 bis 18 Uhr, Sa-So 11 bis 18 Uhr. Das Buch ist unter dem Titel „Schloss Sanssouci. Die Sommerresidenz Friedrich des Großen“ im Nicolai-Verlag erschienen und ab 20. August im Handel für 49 Euro erhältlich
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