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Die Protagonisten in der Potsdamer Macbeth-Inszenierung. Jon-Kaare Koppe, Wolfgang Vogler, Philipp Mauritz, Friederike Walke, Christoph Hohmann, Nele Jung, Friedemann Eckert und Jan Dose (v.l.n.r.)

©  HL Böhme/ Montage: Andreas Klaer

Von Heidi Jäger: Ein gefährliches Stück

Bernd Geiling spielt heute am Hans Otto Theater den Freund und späteren Feind von Macbeth

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Über Macbeth liegt ein Fluch. Unter Theaterleuten lebt die Legende, dass man den Namen des blutbesudelten Königs besser nicht privat aussprechen sollte. Das Spielteam um Lukas Langhoff trotzte während der Proben scherzend dieser Dämonisierung. Und wurde geläutert. Vor drei Wochen verunglückte Lukas Langhoff mit dem Motorrad, musste operiert werden und versucht nun unter Schmerzmitteln und gegen die Uhr, von seiner Inszenierung zu retten, was zu retten ist.

„Wir befinden uns auf sehr dünnem Eis“, sagt Schauspieler Bernd Geiling kurzatmig zwischen schlafloser Nacht und hektischen Proben, nicht mal Zeit, das Mikroport von den Ohren zu nehmen. Er spielt in dem Stück von Shakespeare den Feldherrn Banquo, engster Freund von Macbeth, bis dieser zum König aufsteigt und ihn fallen lässt. Und sich auch bei ihm die Hände schmutzig macht.

„Für Lukas Langhoff war es wichtig, dass wir Schauspieler so viel wie möglich von uns selbst in die Arbeit hineingeben. Wir waren vor seinem Unfall auf einem entspannten spielerischen Weg: in einem neuen Team, wo niemand wirklich den anderen kennt. Wir erkundeten, wer wir sind, woher wir kommen und was das schaurig dunkle Stück mit uns macht. Der Unfall hat uns erst einmal in einen Schock versetzt, wir wussten nicht, ob die Arbeit überhaupt fortgesetzt wird.“

Zur Inszenierung möchte der gebürtige Krefelder deshalb nicht viel sagen. „Was wir heute ausprobieren, kann bis zur Premiere längst überholt sein.“ Mit einer klassischen Shakespeare-Inszenierung sei jedenfalls nicht zu rechnen. „Es wird eine Herausforderung für uns, aber auch für das Publikum.“ So viel stehe fest.

Um einen persönlichen Zugang zu seiner Rolle zu bekommen, fragte sich der 47-Jährige, was Verrat und Verlust von Freundschaft für ihn selbst bedeutet. „Ab einer gewissen Zeit im Leben, weiß man, mit dem Verlust von Menschen, die einem nahe stehen, umzugehen.“ Diese wunden Punkte und Narben in der eigenen Biografie sind für ihn als Schauspieler besonders wichtig. Und so trainierte er nach seinem Studium an der Berliner Hochschule der Künste bei einem Lehrer die auf Stanislawski zurückgehende Methode des emotionalen Gedächtnisses. „Man muss wissen, wo es weh tut. Jeder hat da etwas in seinem Keller.“ Was, das gibt er nur über seine Rollen preis.

Und in ihnen konnte er bereits viele Tiefen durchschreiten. Er spielte den Tellheim und Don Quixote, war der Erpresser Brack in Ibsens „Hedda Gabler“. Dabei kommt er aus einer Familie theaterfernster Menschen, „alle sind Handwerker und Kleinbürger“. Aber schon als Kind hatte Bernd Geiling einen sehr produzierenden Drang, hielt große Reden, parodierte, erzählte Witze. „Ich war die Hauptattraktion auf allen Familienfeiern.“

Auch anderenorts schaute man mit interessierten Augen auf ihn. Alles klappte auf Anhieb: Abitur, Studium, feste Engagements seit 23 Jahren. Und doch ist da diese Angst. „Man geht zu Vorsprechen und Castings. Und muss warten, ob man wirklich gewollt wird.“

Dabei gehörte er im Schauspielhaus Hannover schon fast zum alten Eisen. Zehn Jahre spielte er dort kleine, mittlere und große Rollen rauf und runter. „Ich war in einer etablierten, fast zu sicheren Position. Dann kam der Intendantenwechsel und auch für mich die Kündigung. Ohne Rücksicht auf Verluste. Neue Besen kehren eben gut.“

Natürlich freut er sich über die Chance und den Neuanfang in Potsdam, „aber es ist schon eine Verunsicherung, wenn man alle Brücken hinter sich abreißt.“ Nun ist er mit Sack und Pack und zwanzig Bücherkisten in seine Singlewohnung in Babelsberg eingezogen, fernab von seinem Freund in Spanien.

Es ist sein erstes Engagement in den neuen Bundesländern, sagt Bernd Geiling. Er freut sich, dass sich alle Kollegen ganz unverstellt und unvoreingenommen beschnuppern. „Vorteile müssen sich erst erarbeitet werden.“ Er selbst hatte in „Die Wildente“ nur einen winzigen Auftritt als betrunkener Staatssekretär, jetzt spielt er eine mittlere Rolle, und hofft, dass Weiteres kommt. „Tobias Wellemeyer produziert ja so viel, dass es fast die Grenzen des Hauses sprengt. Da wird sicher noch Größeres für mich dabei sein.“

Der Mann mit den hellen, klaren Augen und der sonoren Stimme bespielt auch gern ein anderes Feld. Der große Literaturfreak spricht seit zwei Jahren Hörbücher und traut sich da bereits einiges zu. An die ganz großen Hausnummern wie Thomas Mann und Thomas Bernhard, die er besonders mag, wagte er sich aber noch nicht. Dafür las er „Kaltenburg“ von Marcel Beyer oder „Sturm“ von Nicholas Shakespeare. „Ich ziehe mich dann für vier, fünf Tage mit Hunderten Seiten Text und ein Mikro ins Studio zurück, ohne Alkohol und Zigaretten, dafür mit viel Wasser und Emser Halspillen ohne Menthol. Dann lese ich solange, bis die Stimme nicht mehr richtig klingt.“

Doch jetzt heißt es erstmal, diesen schottischen König zu bezwingen, dessen Namen man lieber verschweigt. Schon andere vorwitzige Schauspieler an anderen Häusern mussten für ihn „bluten“ und erkrankten während der Proben. „Es gibt immer wieder Extremsituationen in unserem Beruf, aber so eng wie jetzt habe ich es noch nicht erlebt. Macbeth ist eben ein gefähliches Stück, vielleicht auch für die Besucher.“ In seinen guten Momenten könne er darüber scherzen, so der heitere Melancholiker, der sich gern mal den Walkman mit einem Violinkonzert von Bach überstülpt und im herbstlichen Laub des Babelsberger Parks ein paar traurige Momente genießt. „Dann muss es aber wieder gut sein.“ Auch mit den Gedanken an eine große Krise, die über ihn hereinbrechen könnte. Ängste, die sicher noch viele Rollen füllen werden.

Premiere heute um 19. 30 Uhr, Neues Theater, Karten unter Tel.: (0331) 98 11 8

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