Kultur: Ein Hauch von Melancholie
Wolfgang Noa veröffentlichte im Verlag Neue Literatur „31 Geschichten von gestern und heute“
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Lange Zeit war es ruhig um den Potsdamer Schriftsteller und Journalisten Wolfgang Noa. Er ist einer der Stillen im Lande. Und ihm geht es wohl nicht anders, wie vielen seiner Kollegen. Die großen Verlage nehmen sie kaum oder gar nicht zur Kenntnis. Jetzt hat der Verlag Neue Literatur, der im thüringischen Jena, im sächsischen Plauen sowie in Quedlinburg in Sachsen-Anhalt seinen Sitz hat, „31 Geschichten von gestern und heute“ von Wolfgang Noa herausgegeben. Autor und Verlag wählten aber einen Titel, der wie das schlichte Cover nicht gerade Leser anlockt.
Wolfgang Noa hat sich in früheren Veröffentlichungen immer wieder der Vergangenheit zugewandt, so in seinen gedruckten Schauspielerbiografien über Marlene Dietrich und Paul Wegener, in seiner TV-Dokumentation über Hans Otto. Oder in seinem bisher gelungenstem Buch „Leben in Preußen (1985, Aufbau Verlag). In dieser „Preußen“-Edition hat er Menschen interviewt, die in der Kaiserzeit zur Schule gingen, arbeiteten, fröhlich waren und litten. Beeindruckende Biografien hat er damals aufgeschrieben, die eine längst vergangene Zeit porträtieren.
Vergangenheit beleuchtet Wolfgang Noa auch in seinen 31 Geschichten. Es scheint, dass hier viel Erlebtes reflektiert wird, das ihn bis heute beschäftigt. Tragisch enden fast alle Geschichten, die in der Zeit des Nationalsozialismus angesiedelt sind. Da wird beispielsweise von der arroganten Rittergutsbesitzerin Frau von Hoff in „Am Steinbruch“ erzählt, die ihren elfjährigen Sohn „zwingt“, gleich anderen Jungen von einer hohen Felsklippe zu springen: „Dein Bruder ist in Russland, dein Vater kämpft in Afrika. Er riskiert jeden Tag sein Leben – und du?“ Feige wollte der Junge vor der Mutter nicht erscheinen. Schließlich lässt er sich vom Felsen fallen und ist anschließend nicht mehr auffindbar. Makaber die Geschichte, die von einem „Versprechen“ handelt: Ein Wehrmachtsoffizier und seine Frau wollen, falls der Krieg nicht gewonnen wird, gemeinsam mit ihren Kindern aus dem Leben gehen. Die Frau hat, als die Alliierten näher kamen, sich und die Kinder erschossen. Der Mann wurde verwundet, kam in ein Lazarett, hat, nachdem er gesund gepflegt wurde, eine Krankenschwester geheiratet.
Manche Geschichten sind extrem kurz. Wolfgang Noa ist auch in ihnen kein Mann der vielen Worte. Unnötiges wird nicht erzählt, detailverliebt ebenfalls nicht. Manchmal benötigt er nur eineinhalb oder zweieinhalb Seiten, um eine Erzählung voller Spannung aufzubauen, um Menschen und deren Umfeld zu charakterisieren. Es sind literarische Momentaufnahmen, die man zwar flott lesen kann, jedoch nicht so schnell vergisst. Über viele Geschichten hat Noa ein Hauch von Melancholie gelegt. So über „Vor dem Krankenhaus“, in der er den ehemaligen Chefarzt nach dessen Entlassung die Tage sinnlos erscheinen lässt. Aber auch Texte mit feuilletonistischem Charakter sind zu finden. So der Bericht über ein altes Stadttheater, das zu DDR–Zeiten einem Einkaufszentrum weichen musste. Ein insgesamt unaufgeregtes, doch bewegendes Buch. Klaus Büstrin
Wolfgang Noa, 31 Geschichten von gestern und heute, Verlag Neue Literatur, 11,90 Euro.
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