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Kultur: Ein kleiner Aufschrei

Was Potsdam in Bildender Kunst zu leisten vermag, zeigt eine Gruppenausstellung in der Sperlgalerie

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Was Potsdam in Bildender Kunst zu leisten vermag, zeigt eine Gruppenausstellung in der Sperlgalerie Davon wird natürlich nichts auf den Kulturseiten der überregionalen Zeitungen zu lesen sein. Eine Galerie, eine Gruppenschau und Werke von gut 20 Malern, Grafikern und Bildhauern. Zu langweilig? Dabei könnten die Feuilletonisten doch höhnen, die Ausstellung heiße „Kleine Formate“. Passt das nicht gut zum jüngsten kulturellen Gau der Stadt um das verpatzte Literatur-Stipendium? Nein, von der neuen Ausstellung der Sperlgalerie wird man nur wieder in Potsdam, in Berlin, vielleicht noch in Brandenburg Notiz nehmen. Denn sie ist kein Skandal, kein gescheitertes Kulturevent, das städtische Kulturamt war nicht an ihr beteiligt. Und doch waren dessen Mitarbeiter, besonders ein namhaftes Trio, auf der gut besuchten Vernissage in mancher Munde. Dem Ärger gewiss vieler Anwesender machte Ralf Schleiff in seiner bissig-launigen Eröffnungsrede gehörig Luft, indem er den kommunalen Kulturstier an den stumpfen Hörnern packte. Locker assoziierte er den Klang des Namens Meck auf Bock, den man zum Gärtner gemacht habe. Und was habe man nun davon? Eine Wüste. Man sollte Schleiff zu Potsdams erstem Stadtschreiber ernennen. Denn er hatte der Kulturszene aufs Maul und in die Seele geschaut. Außerdem reimte er die Moral von der Geschicht“ so treffend wie nett zusammen: „Lieber vom Kulturamt ignoriert, als mit ihm blamiert.“ Doch über solcher gerechten – und amüsanten – Häme sollte man nicht die ausgestellten Arbeiten vergessen. Beweist doch die Sperlgalerie mit ihrer inzwischen elften Gruppenausstellung „Kleine Formate“, dass es trotz aller Schwierigkeiten Bildende Kunst in Potsdam geben kann. Was es dazu braucht? Einen langen Atem und ein sensibles, sicheres Händchen. Dann haben Arbeiten eine Chance wie die gezeigten, leider etwas älteren Aquarelle Sybille Junges. In ihr heiteres „Wannenbad“ steigt man gerne mit den Augen, um erfrischt mit Jana Feiler, die ebenfalls in Potsdam arbeitet, „Die Sehnsucht des Einrads“ zu verfolgen. Ebenfalls ein landeshauptstädtisches Gewächs ist Rainer Fürstenberg, der nach seiner jüngsten, drastisch-pessimistischen Skulpturenverhüllung auf der Freundschaftsinsel nun wieder leichtere Kost zeigt wie den „Ausflug“: ein kleines Gestell auf Rollen, darauf eine Wollmaus-Familie. Astrid Germo, auch sie eine wohl Bekannte in der hiesigen Szene, steuerte ansehnliche Frauenakte in bekannter Qualität und Hinterglas-Technik bei. Von Olga Maslo, auch sie Potsdamerin, die trotz ihrer äußerlichen Kleinheit beachtenswerte neuere Arbeit „Kleines Rot“. Und von Stefan Eisermann, der in dieser Stadt lebte und arbeitete, sind einige seiner intensiven starkfarbigen, kleineren Blätter zu sehen. Dass Rainer Sperl einen „Abgebrannten Zwerg“ ohne Hosen, die lange Zipfelmütze ein verkohltes Holzstück, ausstellt, darf man beim verschmitzten Humor des Galeristen als seinen Kommentar zur Situation der Bildenden Kunst in Potsdam verstehen. Und auch Stephan Veltens vier mystisch-dunkle Blätter aus der Serie „Strandgut“ kann man unter diesem Blickwinkel lesen. Dabei hat die heimische Szene genug Substanz, um mit anderen Orten mitzuhalten. Das zeigt die Gruppenausstellung gut, da Frauenakte vom Potsdamer Wolf-Dieter Pfennig neben den andersartigen Zeichnungen der Dresdnerin Angela Hampel platziert sind. Dass die Sperlgalerie auch ein Ort für Druckgrafik ist, bewies sie nicht nur in der Grafikmesse in diesem Herbst, sondern mit der aktuellen Ausstellung erneut. Welche Fülle in dem radierten „Wassertropfen“ des Hamburgers Falko Behrendt zu finden ist. Qualität haben auch die Blätter von Wolfgang KE Lehmann aus Dreiskau-Muckern. Eine Arbeit des Berliners Willy Buder fand gleich am Vernissagenabend seinen Käufer. Auf 13 kleinsten Leinwänden ist ein Harlekin gemalt. Und es scheint, dass der Narr im bunten Flickengewand als Sinnbild für Potsdams Bildende Kunst im kulturhauptstädtischen Bewerbungsgewand stehen kann. Erst schaut er traurig zur einen Seite, öffnet dann weit den Mund zum lauten Ruf, um darauf Kopf und Augen resigniert zur anderen Seite sinken zu lassen. Die Arbeit heißt: „Der kleine Schrei“. Götz J. Pfeiffer Bis 23. Dezember, Mittelstr. 30. Mi-So 12-18 Uhr.

Götz J. Pfeiffer

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