
© Andreas Klaer (2), Bernd Settnik/dpa, HBPG
Kultur: Ein Monarch mit modernen Zügen
Die Schau „Karl IV. – Ein Kaiser in Brandenburg“ im Haus der Brandenburgisch- Preußischen Geschichte
Stand:
Wer sich auf Spuren Karls IV. (1316–1378) im Brandenburgischen begibt, der reist in erster Linie nach Tangermünde. Es ist die Stadt, die der böhmische und römisch-deutsche König sowie Kaiser des Heiligen Römischen Reichs, nach dem Erwerb Brandenburgs 1373 als Residenzstadt erkor. Die Stadt an der Mündung der Tanger in die Elbe bezeichnete Karl IV. als „domicilium principale“, als Hauptsitz. Handelspolitische Erwägungen spielten eine Rolle. Auch andere Städte und Gemeinden im Land weisen mehr oder weniger Erinnerungen an den mittelalterlichen Monarchen auf. Besonders die Ausstrahlung künstlerischer Impulse, die er von Böhmen nach Brandenburg mitbrachte, haben die Kirchen reicher gemacht.
Ab heute begibt sich die Ausstellung „Karl IV. – Ein Kaiser in Brandenburg“ im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte (HBPG) ebenfalls auf Spurensuche. Der Anlass für die Veranstalter – das HBPG kooperiert mit dem Domstift Brandenburg und der Brandenburgischen Historischen Kommission – ist dafür bestens geeignet: der 700. Geburtstag des Monarchen. Der Historiker Jan Richter stieg relativ kurzfristig in die umfangreiche Kuratorentätigkeit ein. Er schaute sich in Museen, Archiven und Kirchengemeinden im Land Brandenburg um. Mehr als 70 originale Werke – Dokumente, Gemälde oder Plastiken – konnten zusammengetragen werden. Mit ihnen wird nun in stringenter Weise eine spannende Geschichts- und Kunstschau vorgestellt. Kostbare Kunstwerke, die zumeist aus sakralen Räumen stammen, sind zu bewundern. Sie strahlen auch im Geschichtshaus eine andachtsvolle Stimmung aus.
Die berühmte Büste Karl IV. aus dem Prager Veitsdom, die der Bildhauer und Architekt Peter Parler 1385 anfertigte, ist eine Nachbildung und steht am Eingang der Ausstellung. Seine Physiognomie verrät einen Menschen, dessen Denken von durchaus modernen Zügen geprägt war: ein kluges, zugleich listiges Gesicht mit lebendigen Augen, kräftiger Nase und sinnlichen Lippen. Als Sohn des böhmischen Königs Johann von Luxemburg 1316 in Prag geboren, erhielt Karl in Paris eine treffliche Bildung. Seit 1346 böhmischer und deutscher König, 1355 in Rom zum Kaiser gekrönt, verstand er mit Geschick sein eigentliches Herrschaftsgebiet, dessen Kern das Königreich Böhmen war, zu erweitern. Nach dem Erwerb der Mark Brandenburg, die ihm für seine Hausmacht wichtig erschien, richtete der Monarch seine Augen auf ihre Verwaltung. Nicht nur mehr Land bekam er in die Hände, auch die damit verbundene zweite Kurstimme für den zu wählenden deutschen König. Dies war in der Goldenen Bulle von 1356, dem Grundgesetz, verankert. In die Kopie der Bulle kann der Besucher einsehen. Der Monarch ließ 1373 das Liegenschaftskataster über das Herrschaftsgebiet verfassen. Es galt auch als fürstliche Finanzkontrolle. Der Herrscher galt als eifriger Reliquiensammler. Die körperlichen Überreste von Heiligen oder Dinge, die mit ihnen in Berührung gekommen sind, galten als Schätze, die in kostbaren Gefäßen aufbewahrt wurden. Ihre Verehrung durch die Gläubigen brachte so manche Spende ins Geldsäckel. Im Jahre 1375 erhielt St. Nikolai in Lauckau die von Kaiser Karl IV. in Rom erworbene Reliquie Haupt des Heiligen Paulinus von Lucca – für welche man einen Altar und eine Kapelle errichtete. Das Dokument der Ablassbestätigung, die man in der Luckauer Kirche ausstellen durfte, stammt von Erzbischof Peter Gelyto von Magdeburg. Liturgische Textilien sowie Geräte aus Edelmetall für die Sakramente gehörten zu den wertvollen Ausstattungen eines mittelalterlichen Gottesdienstes. Der Chormantel sowie die beiden Kasel sind Leihgaben des Dommuseums Brandenburg. Man kann sich vorstellen, dass die kostbaren Stoffe mit den künstlerisch anspruchsvollen Stickereien eine nie dagewesene Pracht ausgestrahlt haben. Die meist in Silber gefassten und vergoldeten Messkelche mussten in ihrer materiellen Erscheinung würdig sein, mit dem eucharistischen Leib Christi in Berührung zu kommen. Diesen Anspruch erfüllten die von dem Goldschmied Henrik Horne, der in Gardelegen lebte, gefertigten Kelche. Von hoher Qualität sind die figuralen Darstellungen, beispielsweise die mit dem Gleichnis Jesu von den klugen und törichten Jungfrauen.
Altäre, Madonnen- und Heiligenfiguren bevölkern die Ausstellung. Manche von ihnen wurden erst kürzlich entdeckt, beispielsweise das Marienretabel (1430) aus Dahme, der auf dem Dachboden des dortigen Museums durch Zufall gefunden wurde. Mit Hilfe von Förderern konnten einige Plastiken eigens für die Schau restauriert werden. Kunsthistorisch sind diese Zeugnisse von großer Bedeutung, da in Böhmen die hussitischen Bilderstürmer des 15. Jahrhunderts unzählige Kunstwerke aus der Epoche Karls IV. vernichteten.
Der Verlag für Berlin und Brandenburg begleitet die Ausstellung mit einem lesenswerten Buch. Die Herausgeber Kurt Winkler, Peter Knüvener und Jan Friedrich Richter lassen in Beiträgen kenntnisreich die Epoche Karls IV. in der Mark Brandenburg lebendig werden. Das Buch gibt neben der Schau zusätzlich wertvolle Informationen und öffnet einen facettenreichen Blick auf die außergewöhnliche Persönlichkeit Karls IV., sein Wirken in der Mark Brandenburg und die Ausstrahlung, die nach seinem Tod anhielt.
Ausstellung bis 22. Januar 2017. Geöffnet Dienstag bis Donnerstag von 10 bis 17 Uhr sowie Freitag bis Sonntag und an Feiertagen von 10 bis 18 Uhr
nbsp;Klaus Büstrin
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